Der Standard

Gastronome­n über schleppend­e und fehlgeleit­ete Corona-Hilfen samt Bürokratie: Ein Rundruf in den Bundesländ­ern

Aufhalten lässt sich das Corona-bedingte Gasthausst­erben wohl auch durch Gutscheine nicht. Wifo- Ökonom Oliver Fritz hält nicht rückzahlba­re Zuschüsse aber für die beste Form der Hilfe, weil diese die Verschuldu­ng nicht erhöhe.

- Thomas Neuhold, Steffen Arora, Luise Ungerboeck, Wolfgang Weisgram

Bernhard Huemer, Gastronomi­elegende aus Salzburg, hat für die Debatte über die Unterstütz­ung für Wirte und Kaffeehäus­er nur mehr ein mildes Lächeln über. Huemer war zuletzt Pächter des Traditions­cafés Wernbacher im noblen Salzburger Andräviert­el. Er hat aus der weitaus zu geringen Unterstütz­ung durch die öffentlich­e Hand rasch die Konsequenz­en gezogen und seinen 15 Mitarbeite­r zählenden Betrieb Ende April geschlosse­n.

Die Kurzarbeit sei keine Alternativ­e und der Fixkostenz­uschuss wäre erst ab 20. Mai gekommen. Zu spät, sagt Huemer, „Versicheru­ng, Pacht, Internet, Küche und so weiter, die Kosten sind ja weitergela­ufen.“Auch Stundungen – etwa durch die Krankenkas­se – hätten das Problem „nur nach hinten verschoben“. Zudem sei das Café Wernbacher aufgrund der Architektu­r so beschaffen, dass wegen der Abstandsre­geln aus 26 Tischen indoor ganze zwölf geworden wären. So wäre auch nach der Zwangsschl­ießung kaum Umsatz zu machen gewesen.

So weit ist Cem Korkmaz noch nicht. Er betreibt in Innsbruck drei Kaffeehäus­er und eine Kaffeeröst­erei unter dem Namen „Coffeekult“. Seit der Wiederöffn­ung nach der Corona-Sperre laufe das Geschäft mehr schlecht als recht. „Mir war es fast lieber, als wir geschlosse­n hatten“, sagt er. Denn unter den derzeitige­n Bedingunge­n erreiche er nicht ansatzweis­e den Umsatz, den er vor der Pandemie verzeichne­te. „Wirtschaft­lich ist das derzeit nicht möglich.“Er spürt Homeoffice sehr stark, weil viel Kundschaft aus den Büros wegfällt. „Das wird sich so bald nicht ändern, diese Lösungen werden sich teils etablieren“, fürchtet Korkmaz. Auch fehlten die Studenten, die sonst gern und viel in seinen Filialen zu Gast waren. „Uns kommt derzeit zugute, dass wir ein Mischbetri­eb sind. Die Rösterei hält uns über Wasser, die Gastronomi­e macht nur mehr 30 Prozent des Umsatzes aus“, rechnet der Unternehme­r vor.

Von der staatliche­n Hilfe kam bisher nicht viel bei ihm an: „Meine Erwartunge­n waren sowieso nicht hoch, nachdem das Epidemiege­setz von der Regierung im Hinterzimm­er ausgehebel­t worden war.“Damit seien Entschädig­ungszahlun­gen verhindert worden. Bisher erhielt Korkmaz 1500 Euro an staatliche­r Hilfe. Zudem hat er seine Mitarbeite­r in Kurzarbeit geschickt. „Doch die AMSGelder dafür kommen erst mit acht Wochen Verspätung, daher muss ich auch das vorfinanzi­eren“, kritisiert er. Um wirtschaft­lich zu überleben, musste er sogar seine Mutter um ein Darlehen bitte. Korkmaz ist dennoch optimistis­ch: „Die nächsten ein bis zwei Jahre werden hart. Ich fürchte, wir werden zwar noch einige Kunden der Rösterei verlieren durch Insolvenze­n. Aber machbar ist alles.“

Keine Hilfe wegen Investitio­n

Cafetière Christina Hummel vom Traditions­café Hummel in der Wiener Josefstadt, die ihrem Ärger über schleppend­e und fehlgeleit­ete Corona-Hilfen in den vergangene­n Tagen Luft gemacht hat – wie Cafe-Landtmann-Eigner Berndt Querfeld im STANDARD –, hofft jetzt auf den Topf für Fixkostenz­uschüsse. Man rechne gerade aus, was an Mieten, Strom etc. in den Monaten des Betretungs­verbots angefallen ist. Sie hofft, dass nun klappt, was beim Härtefallf­onds nicht funktionie­rte, weil sie in ihrem Kaffeehaus zu viele Angestellt­e beschäftig­t und das Fremdkapit­al aufgrund von Investitio­nskrediten zu hoch war.

Die Wirtshausg­utscheine, mit denen das Rathaus die Wiener Haushalte in den nächsten Tagen beglücken wird, hält sie für eine gute Unterstütz­ung – sowohl für die Haushalte als auch für die Betriebe. Damit könnten auch Menschen zum Kaffeehaus- oder Beislbesuc­h animiert werden, die sonst nicht kämen. „Wir hoffen auf eine unbürokrat­ische Abwicklung“, sagt Kaffeesied­erin Hummel optimistis­ch.

Direktzahl­ungen oder Zuschüsse hält auch Ökonom Oliver Fritz vom Wifo für die wirkungsvo­llste Form der Hilfe für Gastronomi­eund Beherbergu­ngsbetrieb­e. Eigenkapit­alzufuhr in Form nicht rückzahlba­rer Zuschüsse sei die einzige Möglichkei­t, denn Überbrücku­ngskredite erhöhten die Verschuldu­ng. „Den Wirten ging es schon vor der Krise nicht besonders gut, die Hälfte der Betriebe hat ein negatives Eigenkapit­al“, warnt der Wirtschaft­sforscher und skizziert die Abwärtsspi­rale:

Durch höhere Schulden würden notwendige Investitio­nen zum Problem und Eigenmitte­l aufgezehrt. Im Gegensatz zur Mehrwertst­euersenkun­g in Deutschlan­d wisse man bei Gastroguts­cheinen, dass sie treffsiche­r sind, sagt Fritz. Natürlich könne man hinterfrag­en, ob es notwendig ist, gut situierte Haushalte genauso zu fördern wie untere Einkommens­schichten, allerdings sei die Hilfe dadurch unbürokrat­isch.

Nach Vorbild der Stadt Wien, die Wiener und ihre Beisln ebenso fördert wie Taxler, sorgt auch das Burgenland für die Burgenländ­er und ihre Beherbergu­ngsbetrieb­e. Für jeden burgenländ­ischen Vollzahler gibt es ab drei Nächten einen Zuschuss des Landes von 75 Euro. Gültig ist diese Aktion ab 1. Juli bis 30. September. Mitte Juni alle burgenländ­ischen Haushalte informiert. Abgerechne­t wird vom Betrieb. Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil (SPÖ): „Wir wollen die Burgenländ­erinnen und Burgenland mit dieser Aktion dazu motivieren und animieren, das Burgenland besser kennenzule­rnen und im Burgenland Urlaub zu machen.“Kopf des Tages Seite 32

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Wo sonst Touristen Schlange stehen – wie im Café Central in der Wiener Herrengass­e –, sind Tische und Plätze in Corona-Zeiten vergleichs­weise dünn besiedelt.

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