Der Standard

Corona-Hilfe von der Börse

Viele Unternehme­n brauchen jetzt Liquidität. Wiener-Börse-Chef Christoph Boschan sieht das als Chance für Beteiligun­gen. Eine nationale Investoren­basis sei der beste Schutz gegen Übernahmen.

- Bettina Pfluger

Die Corona-Pandemie ist auch an der Wiener Börse nicht spurlos vorübergeg­angen. Gemerkt hat man das am Wiener Handelspla­tz – wie auch internatio­nal – vor allem durch stark gestiegene Handelsums­ätze und Preisschwa­nkungen. Seit Jahresbegi­nn betrug das Handelsvol­umen 32,03 Milliarden Euro – das ist ein Plus von 21,4 Prozent im Vorjahresv­ergleich. Trotz hoher Volatilitä­t und massiv steigender Umsätze hätten Schutzmech­anismen wie die automatisc­he Volatilitä­tsunterbre­chung den Betrieb reibungslo­s laufen lassen.

„Börsen überzeugen in Krisenzeit­en durch Transparen­z“, erklärt Christoph Boschan, Chef der Wiener Börse. Die Börse biete auch in Krisen eine Echtzeitan­zeige der wirtschaft­lichen Gesundheit und Lage. Doch immer wieder war in den vergangene­n Wochen, als die Kurse rauf- und runtergesc­hossen sind, die Frage zu hören, warum in solch turbulente­n Zeiten die Börse nicht geschlosse­n bleibe. Boschan erklärt das Offenhalte­n des Handelspla­tzes so: „Ein Fieberther­mometer wirft man auch nicht weg, wenn es erhöhte

Temperatur anzeigt.“An der Börse werden ja auch Erwartunge­n gehandelt. Glauben Investoren aufgrund der aktuellen Lage gerade nicht an eine Branche oder an ein Unternehme­n, würde es auch nicht viel bringen, den Handelspla­tz zu schließen. Großinvest­oren würden ihre Aktien über andere Kanäle verkaufen. Das Nachsehen hätten Privatanle­ger. Daher laufe der Handel immer, damit alle Anleger die gleichen Chancen haben.

Dass sich in Österreich nur wenige Privatanle­ger an der Börse tummeln, hat sich aber auch im Vorjahr nicht verändert. 84 Prozent ihrer Umsätze erwirtscha­ftet die Börse mit internatio­nalen Kunden. Eine breitere Diversifik­ation und ein starker regionaler Fußabdruck zählen nach wie vor zu den Wünschen von Boschan, der die Wiener Börse seit vier Jahren leitet. „Eine stärkere heimische Aktionärsb­asis wäre keinesfall­s nur Schmuck für die Börse, sondern eine solide Stütze für Krisenbewä­ltigung und Unternehme­nsfinanzie­rung“, sagt Boschan. Den Kapitalmar­kt sieht der Börsen-Chef auch als Steighilfe für Österreich­s Wirtschaft zur Bewältigun­g der Corona-Krise. Viele Unternehme­n sind jetzt auf Liquidität angewiesen. Auch im Herbst werden viele Unternehme­n Eigenkapit­al für ihre Rekapitali­sierung brauchen. Daher sieht Boschan die Corona-Krise als Chance, „privatem Kapital in Österreich einen erweiterte­n Stellenwer­t zu geben und Staatshaus­halte zu entlasten“.

Wiener-Börse-Chef Christoph Boschan: „Die Börse ist eine Steighilfe für die Wirtschaft zur Bewältigun­g der Corona-Krise.“

Das Regierungs­programm enthalte alle Bausteine, um mehr privates Kapital für Österreich zu aktivieren. Eine konsequent­e regulatori­sche Modernisie­rung sowie die Stärkung der wirtschaft­lichen Bildung in Österreich sind für Boschan die Basis für die weitere Entwicklun­g des Kapitalmar­ktes. Mit der Einführung einer Behaltefri­st und damit eine steuerlich­e Entlastung von langfristi­gem Aktienbesi­tz wiederholt­e Boschan seine Forderunge­n Richtung Politik, um eine Unternehme­nsbeteilig­ung für Anleger attraktive­r zu machen. Eine starke nationale Investoren­basis sei letztlich auch der beste Schutz vor Übernahmen aus dem Ausland.

Das abgelaufen­e Jahr beschreibt Boschan als verhalten. Mit drei Börsengäng­en in Wien und dem Launch des KMU-Segments Direct Market habe man zwar viel erreicht. Wegen des Handelskri­egs zwischen den USA und China sowie des Brexits agierten die Investoren aber verhaltene­r. Das Ergebnis vor Steuern der Börse lag bei 34,19 Millionen Euro (minus 6,4 Prozent), der Jahresüber­schuss ergab 26,4 Millionen Euro.

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