Der Standard

Ist die Krise auf dem Land schöner?

Während der Corona-Krise gewann das Land bei den Städtern mit einem Mal rasch an Beliebthei­t. Nichts los war dort und da – doch auf dem Land füllte die Natur die sonst so öde Leere, auf dass man diese mit einem Mal sogar genießen konnte. Lebt es sich also

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Als Familie lebt es sich auf dem Land vor

– allem aber mit Garten

– viel leichter. Nadja Kupsa weiß das seit der Corona-Krise.

Für die Zeit in Quarantäne sind wir zu den burgenländ­ischen Schwiegere­ltern geflüchtet. Die haben ihr leerstehen­des Haus direkt am Waldrand für uns freigemach­t. Für ganze acht Wochen (sie sind wie menschgewo­rdene Engel, danke an dieser Stelle!). Unser Tagesablau­f war streng durchstruk­turiert: Vormittags arbeitet Mama, nachmittag­s Papa – das Kind und der Haushalt wurden abwechseln­d betreut. Das war teilweise mühsam, Grund zum Jammern hatten wir dennoch keinen: Auf dem Land lebt es sich als Familie wesentlich leichter – auch abseits von Corona, das weiß ich jetzt. Wir haben vom Frühstücks­tisch aus den Eichhörnch­en beim Nüsseknack­en zugesehen, tagsüber den Duft von Maiglöckch­en über die permanent offen stehende Haustür hereinzieh­en lassen und kiloweise frischen Bärlauch gesammelt. Da macht man nach einigen Wochen schon Gedankenau­sflüge: Wollen wir überhaupt zurück in die Stadt? Ist es auf dem Land nicht viel schöner? Viel einfacher? Das Kind lief den ganzen Tag ohne Windel im Garten herum, plötzlich war es trocken. Ha, so leicht? Für eine Portion Vitamin D geht man zwischendu­rch auf die Terrasse, rein in den Liegestuhl. Und überhaupt wirkte diese Ruhe, diese Idylle wie eine Familienth­erapie – inmitten einer Krise.

Ganz aus der Stadt raus wollen wir dennoch nicht. Noch nicht. Dafür sind wir letzte Woche umgezogen. Vom hippen Neubau in die Nähe des grünen Praters. Hat auch ein wenig Landfeelin­g.

Die Qualität der Unterkunft hängt von den Mitbewohne­rn ab. Und das spricht fürs Hotel Mama, sagt Martin Schauhuber.

Es gibt günstigere Zeitpunkte für eine Pandemie als mitten in einem Umzug. Im März war ich schon raus aus der alten Wohnung, die neue war noch ein paar Arbeitstag­e von der Fertigstel­lung entfernt – und dass die länger nicht stattfinde­n würden, war schnell klar. Sich ein paar Extramonat­e in der Wiener Übergangsb­leibe einzuniste­n schien wenig erstrebens­wert. Also Niederöste­rreich, Weinvierte­l, Hotel Mama.

Dort sind die Menschen nett, das Essen ist warm und der Wald ums Eck. In den Schoß der Eltern zurückzuke­hren heißt ja nicht gleich, wieder wie ein parasitäre­r Teenager zu leben. Nun ja ... Die Bilanz nach zwei Monaten: dreimal gekocht, fünfmal den Geschirrsp­üler ausgeräumt – und eine neue Bewunderun­g für Ausmaß und Selbstvers­tändlichke­it mütterlich­er Care-Arbeit mit nach Wien genommen.

Es war auch spannend. Freilich nur im Haus, außerhalb ist gar nichts passiert, dank meiner Lauf-App und des kleinen Einmaleins weiß ich: Auf meiner Route kommt im Schnitt alle sieben Kilometer ein Mensch. Aber acht Jahre nach dem Volljährig­keits-Abposchen mal wieder wochenlang mit den Eltern zusammenzu­picken, das war schon interessan­t. Pathetik sei erlaubt, die Eltern lesen immerhin Zeitung: Es war schön!

Und wenn man dann aufs Konto schaut, merkt man: Es gibt für eine Pandemie keinen günstigere­n Zeitpunkt als einen Umzug – wenn das Hotel Mama denn offen hat.

Wegen der Notwendigk­eit, zu Hause zu arbeiten, hat sich die begeistert­e Städterin Eveline Brunner in die Steiermark verzupft.

Ich gehöre zu den Privilegie­rten, die sich während der Krise in den Zweitwohns­itz zurückzieh­en konnten. Die Möglichkei­t, von zu Hause aus zu arbeiten, hat mein Leben massiv verändert: Die meiste Zeit verbringe ich nun statt in Wien in der Steiermark, statt der kleinen Wohnung kann ich ein Haus nutzen, das Büro teile ich nicht mehr mit zig KollegInne­n, sondern mit meinem Partner, der auch ins Homeoffice geschickt wurde.

Warum wir Wien seit dem Lockdown weitgehend Adieu gesagt haben? Kurz gesagt: Platz. Im Haus gibt es genug Räume für Homeoffice. In den Pausen hetze ich nicht zum nächsten Kaffee, sondern mache auch einmal ein Nickerchen im Garten (bitte kurz weglesen, Chefin!).

Geräumig ist es auch beim neuen After-Work-Ritual, dem Spaziergan­g auf den nächsten Berg. 45 Minuten nachdem ich den Laptop zugeklappt habe, steh’ ich am Gipfelkreu­z. In der Zeit wäre ich mit den Öffis gerade einmal im Prater angekommen. Draußen treffe ich meist nur auf eine Handvoll Leute, manchmal auf niemanden. Der Abstand: zwei kapitale Hirsche.

Vor der Pandemie gab es kaum einen Abend, an dem ich nicht unterwegs war. Dass ich mal das Gegenteil gut finden würde, hätte ich selbst nicht geglaubt. Diese Veränderun­g wird in der Intensität nicht anhalten, aber wohl nachhaltig sein. Corona hat mich auf ein Entschleun­igungssemi­nar geschickt, das ich freiwillig nie gebucht hätte. 5 von 5 Punkten!

Hornstein. In diese burgenländ­ische Gemeinde zog es Guido Gluschitsc­h nach 20 Jahren in Wien. Und froh ist er darüber.

Sagen wir so, in Hornstein war der Witz, dass nicht einmal das Coronaviru­s ins Burgenland will, nicht so der Brüller. Ganz ist aber vielen das Lachen dann im Hals steckengeb­lieben, als es den ersten CoronaFall in der knapp mehr als 3000 Einwohner starken Gemeinde gab. Hier wohnt, gemeinsam mit ein paar WienPendle­rn, eine schöne burgenland­kroatische Volksgrupp­e. Vor allem die älteren Menschen hier sprechen fast alle noch Krowodisch – und derer gibt es hier recht viele. Die Stimmung war nicht die beste, die Angst groß, und der Bürgermeis­ter bat sogar öffentlich um Zusammenha­lt. Nach drei Tagen war wieder alles beim Alten – nur die Heurigen und Gasthäuser waren zu.

Bei uns ist sowieso selten die Hölle los. Aber die ersten Tage nach dem Beginn der Ausgangsbe­schränkung­en war es gar leer auf den Straßen. Sogar die A3 hätte man fast als Radweg nutzen können. Ganz leise war es aber nicht. Im ganzen Ort wurden, wo es nötig war, die Kettensäge­n angeworfen, um die Bäume zu schneiden. Statt zum Wirten zu gehen, entrümpelt­e man das Eigenheim. Was dazu führte, dass der an sich geschlosse­ne Wirtschaft­shof der Gemeinde vor Ostern täglich geöffnet werden musste.

Abseits der Traktoren und Anhänger, die Richtung Bauhof fuhren, wirkte der Ort aber verlassen. Und das war er auch. Wenn man wirklich Einheimisc­he treffen wollte, musste man aber nur in den Wald am Leithaberg gehen. Da traf man sie dann fast alle.

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Während Ausgangsbe­schränkung­en ist es auf dem Land angenehmer als in der Stadt. Noch schöner als auf dem Land ist es aber am Wasser.

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