Aufruf zur Verteidigung der Grundrechte
Die Black-Lives-Matter-Bewegung erhält Unterstützung von ganz oben. Nach der überraschend stark besuchten AntiRassismus-Demo in Wien ruft auch der Bundespräsident zur Verteidigung von Grund- und Freiheitsrechten auf.
Überraschend viele Teilnehmer, zurückhaltender Polizeieinsatz, bemerkenswert friedlicher Verlauf – nach der Anti-Rassismus-Demonstration in Wien, bei der am Donnerstagabend statt der erwarteten 3000 insgesamt 50.000 Menschen auf die Straße gingen, wurde am Freitag allerorts positive Bilanz gezogen – außer bei der FPÖ. Der blaue Stadtrat Maximilian Krauss sieht durch Kundgebungen, die durch Einkaufsstraßen ziehen, die Wirtschaft bedroht. Er forderte deshalb einmal mehr Demoverbotszonen. Zum eigentlichen Sinn der Demo, nämlich Solidarität für die wegen des gewaltsamen Todes des Afroamerikaners George Floyd in den USA protestierende Black-LivesMatter-Bewegung (BLM) zu zeigen, fiel Krauss nichts ein.
Anders Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der sich am Freitag auf Twitter zu Wort meldete: Friedliche Proteste „gegen strukturellen Rassismus und unverhältnismäßige Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte seien verständlich und gerechtfertigt. „Ausschreitungen und Plünderungen“, wie es sie in den USA bei eskalierten Kundgebungen gab, allerdings nicht. Van der Bellen rief auf, weltweit gegen Rassismus und Diskriminierung aufzutreten sowie „Grund- und Freiheitsrechte zu verteidigen“. „Hören wir rassistisch diskriminierten Menschen zu“, appellierte der Bundespräsident.
Die nächste Gelegenheit dazu bot sich bereits am Freitagnachmittag vor der US-Botschaft in Wien-Alsergrund. Die neu gegründete Gruppierung BLM Vienna hatte via Facebook zu einer Kundgebung aufgerufen.
Protest vor US-Botschaft
Die Polizei setzte abermals auf Deeskalation, die Ausgangssituation war aber dennoch eine andere als bei der Großdemo vom Vortag. Für diplomatische Vertretungen ausländischer Staaten gelten erhöhte Sicherheitsbestimmungen, die Botschaft der USA in der Boltzmanngasse gehört überhaupt zu den am schärfsten bewachten Gebäuden Österreichs. Das Sicherheitspersonal im Inneren stellt die C.I.A., der Auslandsgeheimdienst der USA.
Vor der Botschaft soll es vor wenigen Tagen zu einem Zwischenfall gekommen sein, als ein schwarzer Aktivist mit Kreide „Y WE KNEEL“als Reaktion auf den gewaltsamen Tod von George Floyd malen wollte. Ein Polizeibeamter habe ihn daraufhin bedrängt, „mehrmals gefragt ob er überhaupt gemeldet sei und zur Krönung ohne Schutzmaske und Sicherheitsabstand die Gesundheit des Aktivisten gefährdet“, heißt es in einer Stellungnahme von BLM Vienna auf Facebook. Eine zunächst klein gehaltene Protestaktion habe dann so viel Zulauf erhalten, dass man eine Kundgebung angemeldet habe. Bei Redaktionsschluss dieser STANDARD- Ausgabe hatte die Aktion gerade begonnen.
Im Vorjahr hatte es bei Klimaschutzkundgebungen in Österreich mehrere auf Video dokumentierte Fälle von übertriebener Polizeigewalt und sogar Gefährdung von Teilnehmern gegeben. Im Regierungsübereinkommen haben ÖVP und Grüne deshalb die Schaffung einer neuen Behörde festgeschrieben, die Misshandlungsvorwürfe gegen Polizeibeamte aufklären soll. Diese multiprofessionell zusammengesetzte Behörde soll sogar mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet werden. Wegen der Corona-Krise liegt das Vorhaben allerdings derzeit auf Eis.