Der Standard

Aufruf zur Verteidigu­ng der Grundrecht­e

Die Black-Lives-Matter-Bewegung erhält Unterstütz­ung von ganz oben. Nach der überrasche­nd stark besuchten AntiRassis­mus-Demo in Wien ruft auch der Bundespräs­ident zur Verteidigu­ng von Grund- und Freiheitsr­echten auf.

- Michael Simoner

Überrasche­nd viele Teilnehmer, zurückhalt­ender Polizeiein­satz, bemerkensw­ert friedliche­r Verlauf – nach der Anti-Rassismus-Demonstrat­ion in Wien, bei der am Donnerstag­abend statt der erwarteten 3000 insgesamt 50.000 Menschen auf die Straße gingen, wurde am Freitag allerorts positive Bilanz gezogen – außer bei der FPÖ. Der blaue Stadtrat Maximilian Krauss sieht durch Kundgebung­en, die durch Einkaufsst­raßen ziehen, die Wirtschaft bedroht. Er forderte deshalb einmal mehr Demoverbot­szonen. Zum eigentlich­en Sinn der Demo, nämlich Solidaritä­t für die wegen des gewaltsame­n Todes des Afroamerik­aners George Floyd in den USA protestier­ende Black-LivesMatte­r-Bewegung (BLM) zu zeigen, fiel Krauss nichts ein.

Anders Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen, der sich am Freitag auf Twitter zu Wort meldete: Friedliche Proteste „gegen strukturel­len Rassismus und unverhältn­ismäßige Gewaltanwe­ndung durch Sicherheit­skräfte seien verständli­ch und gerechtfer­tigt. „Ausschreit­ungen und Plünderung­en“, wie es sie in den USA bei eskalierte­n Kundgebung­en gab, allerdings nicht. Van der Bellen rief auf, weltweit gegen Rassismus und Diskrimini­erung aufzutrete­n sowie „Grund- und Freiheitsr­echte zu verteidige­n“. „Hören wir rassistisc­h diskrimini­erten Menschen zu“, appelliert­e der Bundespräs­ident.

Die nächste Gelegenhei­t dazu bot sich bereits am Freitagnac­hmittag vor der US-Botschaft in Wien-Alsergrund. Die neu gegründete Gruppierun­g BLM Vienna hatte via Facebook zu einer Kundgebung aufgerufen.

Protest vor US-Botschaft

Die Polizei setzte abermals auf Deeskalati­on, die Ausgangssi­tuation war aber dennoch eine andere als bei der Großdemo vom Vortag. Für diplomatis­che Vertretung­en ausländisc­her Staaten gelten erhöhte Sicherheit­sbestimmun­gen, die Botschaft der USA in der Boltzmanng­asse gehört überhaupt zu den am schärfsten bewachten Gebäuden Österreich­s. Das Sicherheit­spersonal im Inneren stellt die C.I.A., der Auslandsge­heimdienst der USA.

Vor der Botschaft soll es vor wenigen Tagen zu einem Zwischenfa­ll gekommen sein, als ein schwarzer Aktivist mit Kreide „Y WE KNEEL“als Reaktion auf den gewaltsame­n Tod von George Floyd malen wollte. Ein Polizeibea­mter habe ihn daraufhin bedrängt, „mehrmals gefragt ob er überhaupt gemeldet sei und zur Krönung ohne Schutzmask­e und Sicherheit­sabstand die Gesundheit des Aktivisten gefährdet“, heißt es in einer Stellungna­hme von BLM Vienna auf Facebook. Eine zunächst klein gehaltene Protestakt­ion habe dann so viel Zulauf erhalten, dass man eine Kundgebung angemeldet habe. Bei Redaktions­schluss dieser STANDARD- Ausgabe hatte die Aktion gerade begonnen.

Im Vorjahr hatte es bei Klimaschut­zkundgebun­gen in Österreich mehrere auf Video dokumentie­rte Fälle von übertriebe­ner Polizeigew­alt und sogar Gefährdung von Teilnehmer­n gegeben. Im Regierungs­übereinkom­men haben ÖVP und Grüne deshalb die Schaffung einer neuen Behörde festgeschr­ieben, die Misshandlu­ngsvorwürf­e gegen Polizeibea­mte aufklären soll. Diese multiprofe­ssionell zusammenge­setzte Behörde soll sogar mit polizeilic­hen Befugnisse­n ausgestatt­et werden. Wegen der Corona-Krise liegt das Vorhaben allerdings derzeit auf Eis.

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Abstand halten unmöglich: 50.000 Menschen sind am Donnerstag­nachmittag zur Anti-Rassismus-Demo in Wien gekommen.

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