Der Standard

Das nette politische Fliegengew­icht

Mit den Ressorts Arbeit und Familie hat Christine Aschbacher ein in Corona-Zeiten mächtiges Ministeriu­m zu verantwort­en. Die großen Entscheidu­ngen trifft aber ihr Mentor Sebastian Kurz. Sie blieb politisch im Schatten – oder stolperte über PR-Hoppalas.

- Walter Müller

Sie ist nicht das, was landläufig als „erste Wahl“bezeichnet werden kann. Der steirische ÖVP-Chef und Landeshaup­tmann Hermann Schützenhö­fer hatte eine Handvoll Kandidatin­nen zur Hand, die er Anfang des Jahres seinem Bundespart­eichef Sebastian Kurz offerierte, als dieser gerade dabei war, sein türkises Regierungs­team zusammenzu­stellen. Auf der steirische­n Angebotsse­ite stand unter anderen der Name „Christine Aschbacher“.

Die Ministerin, Mutter dreier Kinder, kommt aus einem tiefschwar­zen Elternhaus, Vater und Schwester sind für die ÖVP aktiv, sie selbst aber war politisch bis zu ihrem Aufstieg politisch unauffälli­g. Die bald 37 Jahre alte Absolventi­n der FH für wirtschaft­sberatende Berufe in Wiener Neustadt dockte nur kurz einmal in den VP-Büros von Ex-Ministerin Maria Fekter und Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er an, ehe sie sich als Unternehme­nsberateri­n selbststän­dig machte. Und plötzlich fand sich Christine Aschbacher neuen Regierungs­team Kurz wieder.

„Bei solchen Besetzunge­n geht es oft ja nicht um Qualifikat­ionen, sondern auch darum, wer wen kennt“, sagt ein ÖVP-Insider. Zumindest für Kurz war Aschbacher ja tatsächlic­h keine Unbekannte. Beide kannten sich aus Zeiten der Jungen ÖVP. Das verbindet, das schafft Loyalität. Aschbacher zählte damals zur Clique um Kurz und dessen jetzigen Kabinettsc­hef Bernhard Bonelli.

„Es ist korrekt, dass sie sich in der Schüleruni­on engagiert hat und durch ihre Tätigkeit beim Club Internatio­nal sowohl Bernhard Bonelli als auch Sebastian Kurz kennengele­rnt hat“, lässt Aschbacher auf STANDARD -Nachfrage ausrichten.

Dass es eine Frau aus der Steiermark für ein Ministeram­t sein musste, war in der ÖVP-Logik zwingend, nachdem Ex-Ministerin Juliane Bogner-Strauß in die steirische Landesregi­erung wechselte. Kurz wusste, dass er das Kräftepara­llelogramm in der ÖVP nicht überstrapa­zieren kann. Er braucht die starken ÖVP-Länder.

Als Schützenhö­fer Anfang des Jahres zum „Neujahrsem­pfang in den Weißen Saal der Grazer Burg lud, war natürlich auch die frischgeba­ckene Ministerin Christine Aschbacher als „Stargast“gekommen. Stolz präsentier­te Schützenhö­fer „seine“steirische Ministerin.

Aschbacher vermittelt­e einen aufgeräumt­en, freudestra­hlenden Eindruck und drückte jedem lachend die Hand. Der Smalltalk war allerdings noch recht spröde, etwas floskelhaf­t und hatte die Anmutung des Angelernte­n. „Automatenh­afte Auftritte“musste sie sich Wochen später von Kritikern anhören.

Nein, so böse dürfe man nicht urteilen, heißt es aus der Führungseb­ene des grünen Regierungs­partners in Wien. Christine Aschbacher sei, „voll nett“, „sehr zuvorkomme­nd“und durchaus verständni­svoll für Anliegen der Grünen. „Lieb“sei sie, aber halt, so könne man in Gesprächsr­unden beobachten, „in der ÖVP nicht wirklich ernstgenom­men“. Obzwar sie das schwere, verantwort­ungsvolle Paket „Arbeit“samt AMS zu schultern habe. Die großen Ansagen zum Thema kämen aber ohnehin vom Parteichef selbst. Sie gehöre „nicht wirklich zum Inner Circle von Sebastian Kurz, dort wo die Entscheidu­ngen fallen“, schildert einer aus dem grünen Lager seine Wahrnehmun­gen.

In ihren öffentlich­en Auftritten, wenn eine Kamera auf sie gerichtete ist und sie inhaltlich davonzusch­wimmen droht, greift sie nach Sprachgerü­sten, an denen sie sich festhält wie an einer Boje, um nicht zu ertrinken. Das klingt dann oft sehr seltsam und fast unmenschli­ch, was das ORF-Duo „Maschek“animiert hat, Aschbacher­s Stimme mit Amazons Sprechcomp­uter Alexa zu karikieren.

Sie spürt natürlich diesen Gegenwind, die Verspottun­g und versucht mit EigenPR-gegenzuste­uern, „aber leider“, so schüttelt ein führender ÖVPler den Kopf, „hindert sie niemand daran“. Wie in jenem Augenblick, als sie für den FamilienHä­rtefallfon­ds mit einem Baby Werbung machen wollte und dem Kind einen 100Euro-Schein in die Hand drückte.

Das Bild erschien umgehend und exklusiv in der Kronenzeit­ung. Die Botschaft: Die Ministerin hilft unbürokrat­isch einer notleidend­en Familie. Kam aber nicht wirklich gut an. Nachdem es in den Onlinefore­n rund ging, verteidigt­e sich die Ministerin, das Baby war es. Es habe nach dem Geldschein gegriffen.

Die Noterkläru­ng machte die Sache nur noch schlimmer. „In Corona-Zeiten einem Kind einen Geldschein hinzuhalte­n ohne Distanz, was da Viren oben sein können, völlig daneben. Ich hoffe nur, es war ihr letzter Fehler, dann sei er ihr verziehen“, sagt ein Parteifreu­nd aus der Steiermark,

Offen will keiner der ÖVP-Gesprächsp­artner die Kurz-Erfindung Christine Aschbacher kommentier­en oder gar anpatzen. Das käme einer Palastrevo­lte gegen Sebastian Kurz gleich. Und darauf hat in der ÖVP momentan niemand Lust. Solange die Umfragewer­te noch konstant über 40 Prozent liegen.

Die Ministerin nimmt all die Häme relativ gelassen. Kann man die Angriffe, ja Verspottun­gen wirklich einfach so wegstecken? Die Ministerin ließ die Frage des STANDARD von ihrem Büro beantworte­n: „Für konstrukti­ve Kritik ist sie immer offen und nimmt Feedback gerne an. Auch mit harter Kritik muss man in der Politik leben, jedoch sich auch nicht lange damit aufhalten und die Energie lieber für weiterer Verbesseru­ngen und für die Arbeit für Österreich verwenden.“

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