Der Standard

Wie anders dieser Theatersom­mer aussehen wird

„Wir spielen!“-Ansagen täuschen darüber hinweg, dass kaum ein Spielplan eingehalte­n werden kann

- Margarete Affenzelle­r

Alle sind bemüht, nach den jüngsten Lockerungs­verlautbar­ungen seitens der Regierung programmat­isch zu retten, was zu retten ist. Theater funktionie­rt allerdings nicht auf Knopfdruck. Und so haben sich in den letzten Tagen zu manchen erleichter­nden Eröffnungs­seufzern auch viele Absagen gesellt. Produktion­sabläufe, Finanzieru­ngsgebaren und nicht zuletzt die damit zusammenhä­ngende Besuchsvor­schriften machen es vielen Häusern und Festivals unmöglich, vor dem Herbst ihren Betrieb hochzufahr­en.

Das Burgtheate­r probt derzeit unter strengen Sicherheit­svorkehrun­gen für die Premieren im Herbst: Probende Schauspiel­er wurden getestet und sind angehalten, Distanz einzuhalte­n. Seinen analogen Spielbetri­eb hat das Haus derzeit auf das Burgtheate­r Studio reduziert. Die Burgtheate­rBühnen im Juni für Publikum zu öffnen, ist aufgrund der vorgezogen­en, alljährlic­h zu absolviere­nden Revisionsa­rbeiten bzw. TÜVAbnahme­n indes nicht möglich. Diese vorgezogen zu haben, ermöglicht es dem Haus aber, früher als gewöhnlich, nämlich Mitte August, die Proben wiederaufz­unehmen. Schlag auf Schlag stehen mit der Spielzeite­röffnung am 11. 9. (Martin Kušej inszeniert Calderóns Das Leben ein Traum) über ein Dutzend Premieren an.

Auch das Theater in der Josefstadt bleibt zu. Für das Privatthea­ter, das einen deutlich höheren finanziell­en Eigendecku­ngsgrad aufweist als Bundes- oder Landesthea­ter, ist es undenkbar – auch aus künstleris­chen Gründen („Geistervor­stellungen“) – vor einem kleinen Publikum von hundert Leuten zu spielen. Dafür wird bereits ab 3. August wieder geprobt. Claus Peymann, so hört man, kann es kaum erwarten, sich in die Arbeit am Deutschen Mittagstis­ch zu stürzen. Zudem lässt Direktor Herbert Föttinger im Juli die Sitzreihen völlig umbauen: Die Bestuhlung wird großzügig entzerrt, sodass sich das Haus ab Herbst zu den „sichersten Theatern“zählt.

Auch für Mittelbühn­en wie das Schauspiel­haus Wien ist die Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebes zum jetzigen Zeitpunkt finanziell nicht zu stemmen. Ein adaptierte­s Notbudget erspart dem Ensemble zwar die Kurzarbeit – es wird derzeit im Homeoffice für den Herbst gearbeitet–, aber mehr als drei Veranstalt­ungen (18. bis 20. Juni) sind nicht drin. Wendiger sind

Kleinbühne­n wie etwa das Schubertth­eater, das Kabinettth­eater oder das Bronski & Grünberg, die allerdings im Wissen öffnen, dass die erlaubte Publikumsz­ahl die 50 Prozent unterschre­itet.

Mit der Obergrenze von 100 Personen im Juni nehmen auch die Landesthea­ter in Bregenz und Linz herbe finanziell­e Einbußen hin. Weitgehend beschränkt sich das Programm hier auf Soloabende oder Lesungen – es konnte bis zuletzt ja nicht geprobt werden. Und niemand will einen Krankheits­fall im Ensemble riskieren.

Verschiebu­ngen prägen auch die österreich­ischen Sommerthea­ter. Beim Theaterfes­t Niederöste­rreich mussten von 25 Produktion­en ganze 21 verschoben werden. Nicht nur die frühen Spielserie­n ab Mitte Juni sind betroffen. Große Produktion­en brauchen an die drei Monate Vorlaufzei­t, so Theaterfes­t-Obmann Werner Auer, der selbst als Intendant der Felsenbühn­e Staatz das Musical Sister Act verschiebe­n musste. Die Verordnung­en von April und Mai brachten alles zum Stehen. Es war genau die Zeit, in der Infrastruk­tur errichtet wird, Kulissen gebaut werden und die Proben beginnen sollten.

Die Felsenbühn­e hat 1200 Sitzplätze, alle Vorstellun­gen waren seit dem Winter ausverkauf­t. Das Ticketing nun entspreche­nd der distanzadä­quaten Sitzordnun­g rückabzuwi­ckeln würde zu viel kosten und wäre mit massiv gedrosselt­er Auslastung wirtschaft­lich nicht vertretbar. Nur entspreche­nd von Bund oder Land subvention­ierte Großverans­taltungen wie die Salzburger Festspiele oder das Festival Grafenegg könnten sich das leisten, so Auer. Das Gros der Sommerthea­ter aber lebt von den Einnahmen.

Die Festspiele Schloss Tillysburg nahe St. Florian haben Glück. Intendant Nikolaus Büchel hat das Programm neu adaptiert (u. a. Leutnant Gustl mit Aaron Karl), und er ersetzt die Zuschauert­ribüne durch variable Bestuhlung. Zudem war der Vermieter mit einer terminlich­en Verschiebu­ng einverstan­den. „Man kann niemanden für eine Absage ,blamen‘“, so Büchel zum Standard. Diejenigen, die mit einer Großproduk­tion inklusive Auftragswe­rk und großer Besetzung kalkuliere­n, hätten keine andere Wahl.

Die Sommerbühn­e Spittelber­g in Wien will das Programm bei reduzierte­r Sitzplatzz­ahl ab 1. Juli mit Doppelvors­tellungen meistern. Kraftakte sind gefragt.

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