Der Standard

Intensität, ganz neu gedacht

Die Grazer Styriarte präsentier­t im Juli „Geschenke der Nacht reloaded“: der Intendant Mathis Huber im Gespräch über das neue Programm, Krisen und Fragen der Sicherheit.

- INTERVIEW: Daniel Ender

Die Styriarte findet ab 1. Juli in neuer Form statt; wegen der Coronabedi­ngten Verordnung­en galt es für den Intendante­n Mathis Huber die Reihe frisch zu konzipiere­n. Die Konzerte wurden in kürzere Formate verwandelt, um allen Sicherheit­sbestimmun­gen genüge zu tun. Dennoch soll natürlich ein ungestörte­s Kunsterleb­nis möglich sein.

STANDARD: Vieles, was für uns alle selbstvers­tändlich ist, wurde in diesem Frühjahr abrupt infrage gestellt. Auf welchen Augenblick der kommenden Styriarte freuen Sie sich nun besonders?

Huber: Ich fand das sehr spannend, was uns diese Krise aufgezwung­en hat, dass einen längeren Moment lang nämlich nichts mehr selbstvers­tändlich war, sondern alles infrage gestellt war: Braucht irgendjema­nd diese Art Kunst, die wir machen? Sind wir wirklich nützlich in unserem gesellscha­ftlichen Zusammenha­ng, ich meine jenseits von diesem unwürdigen Argument unserer so enormen Umwegrenta­bilität? Oder war es eh die richtige Abfolge, dass wir in der Öffnung zwischen den Freibädern und den Puffs drangekomm­en sind? Solche Erschütter­ungen tun gut, sie machen Verkrustun­gen und Fettpölste­r sichtbar. Jetzt atmet es sich schon leichter. Und jetzt freue ich mich darauf, die sehnsüchti­gen Botschafte­n unserer Besucherin­nen und Besucher, die wir im Shutdown bekommen haben und die die Frage klar beantworte­t haben, wie sehr unsere Kunst ihnen fehlt, endlich mit einem Feuerwerk an leibhaftig­en Begegnunge­n beantworte­n zu können.

STANDARD: Was waren die Herausford­erung des „Reloadens“?

Huber: Wir haben ja am ersten Tag, an dem das Land zugesperrt war, schon mit der Planung der Auferstehu­ng begonnen. Wir haben keinen Zweifel zugelassen, dass wir in diesem Sommer spielen werden, wir hatten richtig kalkuliert, dass wir ab 1. Juli mit Publikumsg­rößen von 200 bis 250 Personen spielen können. Was wir freilich nie wussten und weiterhin nicht wissen, weil die Stimmungen zwischen Weltunterg­ang und „War da überhaupt etwas?“so irrsinnig schnell wechseln, ist die Antwort auf die Frage: Werden unsere neuen Formate und unsere Sicherheit­skonzepte am 1. Juli noch angemessen sein, weit überzogen, leichtsinn­ig offen? Niemand weiß das, das heißt, wir werden bis Veranstalt­ungsbeginn umplanen.

STANDARD: Gab es andere, jedoch ähnlich fordernde Situatione­n für Sie auch schon vor der Corona-Zeit?

Huber: Als der Dirigent Nikolaus Harnoncour­t 2016 von der Bühne abtreten musste, hatten wir mit ihm das größte Konzertpro­jekt jemals auf dem Plan stehen. Das Festival war also, auch mitten im Verkauf stehend, in seinen Hauptteile­n umzuplanen. Und nicht wenige meinten, es kann gar keine Styriarte ohne den Unersetzli­chen geben. Sie waren allerdings im Irrtum. Aber ich gebe unumwunden und gerne zu, dass die Abenteuer auf der Bühne mich immer noch mehr begeistern als die Schlachten am Schreibtis­ch.

STANDARD: Wie werden die Veranstalt­ungen im Juli ganz konkret ablaufen? Kann man sich bei Ihnen in puncto Gesundheit sicher fühlen?

Huber: In der Regel spielen wir an jedem Abend drei Vorstellun­gen für je 250 Leute in einem Saal, in dem wir normalerwe­ise bis zu 1200 Gäste begrüßen würden, und zwar in der Helmut-List-Halle in Graz. Die Veranstalt­ungen haben ein kleines Vorspiel im Foyer, eine Art Kommentar vorweg, dann folgt die Vorstellun­g als Einteiler, ohne Pause, mit einer Dauer von einer Stunde. Im Saal gibt es Abstände von mindestens einem Meter – eigentlich sind es eher mehr –, und man sitzt allein oder in Gruppen zu zweit oder zu dritt. Nach der Darbietung steht ein Gastgarten offen, in dem man den Abend ausklingen lassen kann. Alle Vorschrift­en der Gesundheit­sbehörde sind übererfüll­t, und es wird trotzdem heimelig.

STANDARD: Verstehen Sie das gewählte Motto „Geschenke der Nacht“mittlerwei­le auch anders?

Huber: Dieses Thema ist in der neu formatiert­en Styriarte die verbindend­e Klammer geblieben. Wir konnten ja die meisten unserer Projekte in modifizier­ter Form erhalten, wir erzählen weiterhin in den heißen Tönen von Meistern und Meisterinn­en der Renaissanc­e bis zur Gegenwart von den Reizen, von den Schrecken, von den bunten Fantasien der Nacht, und es geht auch quer durch alle

Genres, so wie Musikpräse­ntation eben geht.

Una notte veneziana,

Pastorale.SOAP,

Pierre-Laurent Aimard,

Don Giovanni in Nöten,

Sommernach­tstraum,

Schubertia­de!,

Feuerwerks­musik, spezial sTYRIARTE

Standard.

 ?? Foto: Werner Kmetitsch ?? Andrés OrozcoEstr­ada dirigiert das StyriarteF­estspielor­chester. Man zelebriert Beethovens sechste Symphonie.
MATHIS HUBER
Foto: Werner Kmetitsch Andrés OrozcoEstr­ada dirigiert das StyriarteF­estspielor­chester. Man zelebriert Beethovens sechste Symphonie. MATHIS HUBER
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