Intensität, ganz neu gedacht
Die Grazer Styriarte präsentiert im Juli „Geschenke der Nacht reloaded“: der Intendant Mathis Huber im Gespräch über das neue Programm, Krisen und Fragen der Sicherheit.
Die Styriarte findet ab 1. Juli in neuer Form statt; wegen der Coronabedingten Verordnungen galt es für den Intendanten Mathis Huber die Reihe frisch zu konzipieren. Die Konzerte wurden in kürzere Formate verwandelt, um allen Sicherheitsbestimmungen genüge zu tun. Dennoch soll natürlich ein ungestörtes Kunsterlebnis möglich sein.
STANDARD: Vieles, was für uns alle selbstverständlich ist, wurde in diesem Frühjahr abrupt infrage gestellt. Auf welchen Augenblick der kommenden Styriarte freuen Sie sich nun besonders?
Huber: Ich fand das sehr spannend, was uns diese Krise aufgezwungen hat, dass einen längeren Moment lang nämlich nichts mehr selbstverständlich war, sondern alles infrage gestellt war: Braucht irgendjemand diese Art Kunst, die wir machen? Sind wir wirklich nützlich in unserem gesellschaftlichen Zusammenhang, ich meine jenseits von diesem unwürdigen Argument unserer so enormen Umwegrentabilität? Oder war es eh die richtige Abfolge, dass wir in der Öffnung zwischen den Freibädern und den Puffs drangekommen sind? Solche Erschütterungen tun gut, sie machen Verkrustungen und Fettpölster sichtbar. Jetzt atmet es sich schon leichter. Und jetzt freue ich mich darauf, die sehnsüchtigen Botschaften unserer Besucherinnen und Besucher, die wir im Shutdown bekommen haben und die die Frage klar beantwortet haben, wie sehr unsere Kunst ihnen fehlt, endlich mit einem Feuerwerk an leibhaftigen Begegnungen beantworten zu können.
STANDARD: Was waren die Herausforderung des „Reloadens“?
Huber: Wir haben ja am ersten Tag, an dem das Land zugesperrt war, schon mit der Planung der Auferstehung begonnen. Wir haben keinen Zweifel zugelassen, dass wir in diesem Sommer spielen werden, wir hatten richtig kalkuliert, dass wir ab 1. Juli mit Publikumsgrößen von 200 bis 250 Personen spielen können. Was wir freilich nie wussten und weiterhin nicht wissen, weil die Stimmungen zwischen Weltuntergang und „War da überhaupt etwas?“so irrsinnig schnell wechseln, ist die Antwort auf die Frage: Werden unsere neuen Formate und unsere Sicherheitskonzepte am 1. Juli noch angemessen sein, weit überzogen, leichtsinnig offen? Niemand weiß das, das heißt, wir werden bis Veranstaltungsbeginn umplanen.
STANDARD: Gab es andere, jedoch ähnlich fordernde Situationen für Sie auch schon vor der Corona-Zeit?
Huber: Als der Dirigent Nikolaus Harnoncourt 2016 von der Bühne abtreten musste, hatten wir mit ihm das größte Konzertprojekt jemals auf dem Plan stehen. Das Festival war also, auch mitten im Verkauf stehend, in seinen Hauptteilen umzuplanen. Und nicht wenige meinten, es kann gar keine Styriarte ohne den Unersetzlichen geben. Sie waren allerdings im Irrtum. Aber ich gebe unumwunden und gerne zu, dass die Abenteuer auf der Bühne mich immer noch mehr begeistern als die Schlachten am Schreibtisch.
STANDARD: Wie werden die Veranstaltungen im Juli ganz konkret ablaufen? Kann man sich bei Ihnen in puncto Gesundheit sicher fühlen?
Huber: In der Regel spielen wir an jedem Abend drei Vorstellungen für je 250 Leute in einem Saal, in dem wir normalerweise bis zu 1200 Gäste begrüßen würden, und zwar in der Helmut-List-Halle in Graz. Die Veranstaltungen haben ein kleines Vorspiel im Foyer, eine Art Kommentar vorweg, dann folgt die Vorstellung als Einteiler, ohne Pause, mit einer Dauer von einer Stunde. Im Saal gibt es Abstände von mindestens einem Meter – eigentlich sind es eher mehr –, und man sitzt allein oder in Gruppen zu zweit oder zu dritt. Nach der Darbietung steht ein Gastgarten offen, in dem man den Abend ausklingen lassen kann. Alle Vorschriften der Gesundheitsbehörde sind übererfüllt, und es wird trotzdem heimelig.
STANDARD: Verstehen Sie das gewählte Motto „Geschenke der Nacht“mittlerweile auch anders?
Huber: Dieses Thema ist in der neu formatierten Styriarte die verbindende Klammer geblieben. Wir konnten ja die meisten unserer Projekte in modifizierter Form erhalten, wir erzählen weiterhin in den heißen Tönen von Meistern und Meisterinnen der Renaissance bis zur Gegenwart von den Reizen, von den Schrecken, von den bunten Fantasien der Nacht, und es geht auch quer durch alle
Genres, so wie Musikpräsentation eben geht.
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Feuerwerksmusik, spezial sTYRIARTE
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