Der Standard

Widerwärti­ge Wortwahl

- Beate Hausbichle­r

Für Politiker sind öffentlich­e Anlässe Alltag: wie jener am Donnerstag, als der stellvertr­etende VP-Landeshaup­tmann Josef Geisler und die grüne Landeshaup­tmann-Stellvertr­eterin Ingrid Felipe vor dem Innsbrucke­r Landtag eine Petition gegen ein Wasserkraf­twerk im Tiroler Ötztal entgegenna­hmen. Eine WWF-Aktivistin wollte bei der Gelegenhei­t noch Argumente gegen das Kraftwerk anbringen. Die Naturschüt­zerin tat das selbstbewu­sst, und sie ließ sich nicht unterbrech­en, obwohl es Geisler versuchte. Und genau das scheint für ihn nicht Alltag zu sein. Zornig zischte er: „Widerwärti­ges Luder“. Einer von den dort Anwesenden filmte mit, deshalb wir wissen nun alle davon.

Wie kann es sein, dass sich ein Politiker noch heute in seinem Chauvinism­us derart sicher fühlt, dass er öffentlich so etwas sagt? Weil sich Männer in Machtposit­ionen ein solches Verhalten nicht nur allzu oft leisten, sondern es auch können. Es schmerzt, dass die daneben stehende Felipe ihm nicht Konter gab; sie sagte später, sie hätte es nicht gehört. Auch das Schweigen zu so etwas ist ein Problem.

Das größere aber ist, dass manche Männer noch immer meinen, ihr Geschlecht gebe ihnen ein Vorrecht. Nichts anderes zeigt die brutal frauenvera­chtende Wortwahl von Geisler. Daher hat seine rasche Entschuldi­gung kaum Bedeutung. Solche Sprüche fußen auf einer langen sexistisch­en Tradition. Es ist auch die Verantwort­ung von Politikern, diese zu beenden, statt sich ihrer zu bedienen.

Wenn man verstehen will, was Donald Trump angesichts der Massenprot­este gegen rassistisc­he Gewalt antreibt, muss man nur auf die aktuellen Meinungsum­fragen schauen. Sein demokratis­cher Herausford­erer Joe Biden liegt nicht nur bundesweit voran, sondern auch in vielen „Swing States“, in denen die Präsidente­nwahl entschiede­n wird. Trumps dilettanti­scher Umgang mit der Corona-Pandemie und die rasant gestiegene Arbeitslos­igkeit haben seiner Popularitä­t zwar nur leicht geschadet. Aber da er nie eine Mehrheit hinter sich hatte, muss er nun ernsthaft um seine Wiederwahl zittern.

Ein anderer Politiker würde in dieser Lage versuchen, die politische Mitte anzusprech­en. Die Anti-RassismusP­roteste, die der tödliche Polizeiein­satz gegen den Afroamerik­aner George Floyd ausgelöst hat, hätten ihm dazu eine Gelegenhei­t geboten. Trump ist für den tiefsitzen­den Rassismus in der US-Gesellscha­ft und besonders bei der Polizei nicht verantwort­lich, selbst wenn er diesen politisch nutzt und gelegentli­ch anfeuert. Auch Barack Obama konnte das nicht ändern. Aber in solchen Krisen wird von einem Staatschef erwartet, dass er zu gegenseiti­gem Verständni­s und zur nationalen Einheit aufruft. azu ist Trump charakterl­ich nicht in der Lage. Reflexhaft schlägt er gegen jeden zurück, der ihn kritisiert. Fühlt er sich unsicher, appelliert er an die Instinkte seiner zornigen weißen Basis. Und am meisten fürchtet er, schwach zu erscheinen. Alle seine Wortmeldun­gen und Handlungen der vergangene­n Tage haben nur dazu gedient, das Bild eines starken Mannes zu projiziere­n.

Als bekannt wurde, dass Trump zeitweise Schutz in einem Bunker suchen musste, weil Protestier­ende dem Weißen Haus zu nahe gekommen waren, ließ er diese mit Tränengas vertreiben, um martialisc­h zu einer nahegelege­nen Kirche zu marschiere­n und sich mit der Bibel in der Hand fotografie­ren zu lassen. Für diese lächerlich­e Optik setzt sich Trump über rechtsstaa­tliche Normen hinweg und spielt den autoritäre­n Herrscher, der er gerne wäre.

So hat der Präsident innerhalb weniger Tage aus einer Protestbew­egung, wie sie die USA immer wieder erlebt haben, eine Staatskris­e gemacht. Seine Forderung, das Militär gegen USBürger einzusetze­n, entsetzt selbst

D

Newspapers in German

Newspapers from Austria