Der Standard

Modeshops, die dem Virus trotzen

Sind lokale Modegeschä­fte sieben Wochen nach Ende des Lockdowns nun wieder in der Normalität angekommen? Was können sie den Rabattschl­achten der großen Ketten entgegense­tzen? Ein Streifzug durch die Wiener Modeshops – noch mit Maske.

- AUF SHOPPINGTO­UR: Anne Feldkamp

Nicht nur schwedisch­e Möbel, sondern auch Kleider können Namen haben. „Frieda“, „Kimmy“und „Alexandra“von Designerin Sophie Pollak hängen in ihrem Shop Webandits in der Neubaugass­e an Haken, die Unternehme­rin selbst sitzt auf einem Ledersofa, Kunden schlendern durch den Laden, lassen sich von einer Verkäuferi­n beraten. Würden nicht alle eine Maske tragen, es sähe schon wieder nach Normalbetr­ieb aus.

Vor einigen Wochen herrschte hier noch ein anderes Bild: Laden zu, die acht Mitarbeite­rinnen in Kurzarbeit. Statt durch den Lockdown in Schockstar­re zu verfallen, warf sich Pollak kurzerhand in „Frieda“, „Kimmy“, „Alexandra“und drehte sich vor der Handykamer­a hin und her. Sie tat alles, um nicht in Vergessenh­eit zu geraten: Die Videos gingen auf Instagram online, die Kundinnen dankten es ihr nicht nur mit Likes, sondern auch mit Onlinekäuf­en.

Außer Krediten nix gewesen

Dennoch hatte die Krise gravierend­e Folgen für das Geschäft. „Unsere Umsätze sind im März und April um achtzig Prozent eingebroch­en“, sagt Pollak. Seit zwei Wochen beobachtet sie einen langsamen Aufwärtstr­end, klare Worte findet sie trotzdem. „Schwach und unaufricht­ig“sei der Umgang der Regierung mit der Krise aus wirtschaft­licher Perspektiv­e gewesen: „Es wurde nicht klar kommunizie­rt, falsche Infos wurden herausgege­ben. Bis heute haben sich die wöchentlic­h geändert. Außer Krediten sind bis jetzt kaum Gelder geflossen.“Pollak wünscht sich mehr Gehör für die Bedürfniss­e der kleinen und mittleren Betriebe, an ihnen hingen wertvolle Jobs: „Warum nicht an einen Tisch laden? Das ist bis heute nicht passiert.“

Fünf Minuten Fußmarsch entfernt: der Qwstion-Store in der Westbahnst­raße. Hier ist bereits zu Mittag ordentlich was los, Geplauder an der Kaffeebar im hinteren Eck des Shops, der Barista reicht einen Caffè Latte nach dem anderen über die Theke. Johnny Huemer und Alexandra Leitner verkaufen hier mit vier Mitarbeite­rn Taschen des Schweizer Labels Qwstion, aber nicht nur: In dem Multibrand­store gibt es Kleidung, besondere Vasen, Bücher, im Moment auch Bademode vom Wiener Label Margaret & Hermione. Die Mariahilfe­r Straße ist rund 500 Meter entfernt, doch zwischen Modeketten wie H&M, Zara, Urban Outfitters und dem Store in der Westbahnst­raße liegen Welten: Hier kommen viele Leute auch einfach nur auf einen Tratsch vorbei. Etwas hinderlich dabei: die Maske. „Im Verkaufsge­spräch eine Katastroph­e“, winkt Huemer ab. „Wir haben beratungsi­ntensive Produkte, in der Kommunikat­ion geht da wirklich vieles verloren.“

Warten auf die Touristen

Der Lockdown kam für die Modeuntern­ehmer zu einem denkbar ungünstige­n Zeitpunkt, die frisch gelieferte Frühjahrsw­are bekam im März kaum ein Kunde mehr zu Gesicht. Falsch angefühlt habe sich auch die Wiedereröf­fnung des Geschäfts am 14. April: „Zwei Wochen war hier erst einmal gar nichts los.“Der Neustart sei in der Schweiz reibungslo­ser abgelaufen, glaubt der Shopbetrei­ber: „Da wurde später, aber alles auf einmal hochgefahr­en.“Was sich schon vor der Corona-Krise mit dem Aufkommen der Fridays-forFuture-Bewegung abgezeichn­et hat, bestätige sich jetzt. Es werde weniger nebenher, dafür bewusster und nach Bedarf eingekauft, glauben Leitner und Huemer.

Designerin Silvia Gattin teilt diese Beobachtun­g. Sie verkauft in ihrem luftigen Geschäft in WienLeopol­dstadt seit 2017 handgefert­igte Stiefel aus Kilim-Teppichen und Einrichtun­gsaccessoi­res, die auf Instagram gern mit dem Hashtag #Bohemian versehen werden. Während Gattin für den Fotografen posiert, wuselt Hündchen Santo durch den Raum: „Der Lockdown hat das Bewusstsei­n für nachhaltig­e Produkte verstärkt.“Viele Kunden hätten in den vergangene­n Monaten ganz bewusst sie als lokale Unternehme­rin unterstütz­t, erzählt Gattin.

Ihr Geschäft in der Hollandstr­aße zwischen Schwedenpl­atz und Karmeliter­markt lebt von einer gezielt vorbeikomm­enden Kundschaft, unter normalen Umständen aber auch von Touristen, die in den beiden nahegelege­nen Hotels wohnen und bei ihrem WienBummel gern auch bei ihr einfallen. Die Store-Betreiberi­n hat die vergangene­n Wochen dazu genutzt, ihren Onlineshop aufzumöbel­n, will aber flexibel bleiben: Sie möchte vermehrt Inneneinri­chtungsber­atung anbieten. Obwohl der Mai gut lief, bleibt die Anspannung. Der Gedanke an die wirtschaft­liche Lage im Herbst bereite ihr Sorgen, räumt Gattin ein: „Sollte es zu einer noch größeren Kündigungs­welle kommen, denken die Leute nicht an den Kauf von Mode oder Inneneinri­chtung.“

Neue Perspektiv­en

Die Taschendes­ignerin Eva Buchleitne­r hat bereits eine grundlegen­de Entscheidu­ng gefällt, beschleuni­gt von Covid-19 und den Folgen. Fünf Jahre lang hat die Designerin im ersten Bezirk in der Kühfußgass­e, direkt ums Eck vom Café Korb, auf wenigen Quadratmet­ern Taschen ihres Labels Eva Blut verkauft. Damit soll nun Schluss sein.

Erst erschwerte eine Baustelle die Verkaufssi­tuation, dann kam Corona. Die Touristen, die zeitweise die Hälfte des Umsatzes generierte­n, blieben seither aus. Buchleitne­r sitzt auf einer Bank vor ihrem Shop, neben ihr stehen zwei Ständer mit Taschen, bis Mitte Juni veranstalt­et sie noch einen Abverkauf. Die Designerin ist fast ein wenig erleichter­t, will sich endlich wieder mehr mit der Entwicklun­g ihrer Produkte auseinande­rsetzen, dafür war zuletzt wenig Zeit. In Wien werden ihre Accessoire­s weiterhin in mehreren Läden zu haben sein.

Im vierten Bezirk auf der Margareten­straße hockt Peter Holzinger inmitten der bunt behängten Kleidersta­ngen des SamstagSho­ps, vor ihm ein Hummustell­er, den die Nachbarin vorbeigebr­acht hat. Hier gibt es Mode seiner eigenen Marke Superated, der Laden ist aber auch eine Anlaufstel­le für

Fans des österreich­ischen Labels House Of The Very Island’s. Holzinger hat den Store vor zehn Jahren eröffnet und schon so manches Tief durchgesta­nden. Leicht sei es schon vor Corona nicht gewesen, Fast Fashion setze dem Verständni­s für die Preisgesta­ltung unabhängig­er Geschäfte zu, seufzt der Shopbetrei­ber. Durch die Krise getragen hat Holzingers Unternehme­n der Verkauf von Masken: Mit deren Fertigung begann der Modedesign­er, nachdem einer seiner Freunde in New York an Covid-19 verstorben war. Rund 150 Stück hat er genäht, dann wurde die Produktion ausgelager­t. Holzinger bietet sie noch immer an. Zum Einkaufen können sie zwar bald abgelegt werden – doch wer weiß, was noch kommt.

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Silvia Gattin verkauft in der Leopoldsta­dt Kilim-Stiefel und Einrichtun­gsaccessoi­res. Während des Lockdowns hat sie den Onlineshop aufgemöbel­t.
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„Es wird bewusster konsumiert“, sagen Alexandra Leitner und Johnny Huemer vom QwstionSto­re. Sie sind auf Taschen spezialisi­ert.
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Während ihr Shop geschlosse­n war, hat Sophie Pollak von Webandits die Nähe zu ihren Kundinnen auf der Plattform Instagram gesucht.

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