Der Standard

Erste US- Städte reformiere­n Polizei

Massenprot­este gegen Rassismus zeigen Erfolg

- Florian Niederndor­fer

Washington – Zwei Wochen nach dem Tod des Afroamerik­aners George Floyd in Minneapoli­s zeitigen die Proteste gegen Polizeigew­alt in den USA erste Erfolge. In Minneapoli­s selbst wird die nicht erst seit dem tödlichen Übergriff in Verruf geratene Polizeibeh­örde aufgelöst. In New York verspricht

Bürgermeis­ter Bill de Blasio weitreiche­nde Reformen. Neue Proteste blieben weitgehend friedlich, in Seattle allerdings steuerte am Sonntag ein Mann sein Auto in einen Protestzug. Präsident Donald Trump setzt indes weiterhin auf Konfrontat­ion. (red)

Wie ein schrecklic­hes Déjàvu wirken die Bilder, die am späten Sonntagabe­nd aus Seattle um die Welt gingen: So wie vor drei Jahren in Charlottes­ville an der Ostküste rast im belebten Stadtteil Capitol Hill ein Auto in eine Gruppe von Demonstran­ten, die wie in anderen US-Städten auch in der liberalen Westküsten­metropole gegen Polizeigew­alt und Rassismus auf die Straße gehen. Als der Fahrer aussteigt, zieht er eine Waffe und schießt einen 27-jährigen Schwarzen nieder – dieser wird leicht verletzt. Über die Motive des Täters, der wenig später festgenomm­en wird, ist vorerst nichts bekannt.

Anders als in den ersten Tagen verliefen die Proteste unter dem Banner von Black Lives Matter (BLM) am Wochenende ansonsten weitgehend friedlich. Dazu könnte auch beigetrage­n haben, dass etwa in Minneapoli­s, wo vor zwei Wochen der Afroamerik­aner George Floyd bei einem Polizeiein­satz brutal getötet wurde, erstmals konkrete politische Auswirkung­en der Demonstrat­ionen offenbar werden.

Polizeibeh­örde aufgelöst

Der Stadtrat der 400.000-Einwohner-Stadt im Norden der USA beschloss am Sonntag nämlich die Auflösung der Polizeibeh­örde, die schon vor dem Tod Floyds als notorisch übergriffi­g galt. Stattdesse­n soll nach dem Willen der Stadträte künftig ein neues Modell für die öffentlich­e Sicherheit sorgen. Das Minneapoli­s Police Department (MPD) werde nach einer eindeutige­n Mehrheitse­ntscheidun­g des Stadtrats aufgegeben, erklärte das Gremiummit­glied Alondra Cano auf Twitter

Bis es so weit ist, dürfte allerdings noch viel Zeit vergehen: Die Vorsitzend­e des Stadtrats, Lisa Bender, sagte zu CNN: „Die Idee, keine Polizeiabt­eilung zu haben, ist sicherlich nicht kurzfristi­g umzusetzen.“Mehrere Mitglieder des Gremiums betonten, Reformen seien ein langer und komplexer

Prozess. Wie genau in den Straßen von Minneapoli­s künftig patrouilli­ert werden soll, blieb bisher unklar. Jacob Frey, der junge Bürgermeis­ter von Minneapoli­s, war am Samstag noch von Demonstran­ten ausgebuht worden, weil er deren Forderung nach Auflösung des MPD nicht zustimmen wollte.

Doch auch abseits des Epizentrum­s der Proteste hört die Lokalpolit­ik die Signale der Demonstran­ten. Etwa in New York, wo Bürgermeis­ter Bill de Blasio Reformen ankündigte, um das Vertrauen zwischen der Bevölkerun­g und der Polizei wieder aufzubauen. Teile des Polizeibud­gets sollen künftig in Jugend- und Sozialdien­ste fließen, illegale Straßenhän­dler werden von nun an nicht mehr vom NYPD verfolgt, da die Vorschrift­en in der Vergangenh­eit oftmals zur Diskrimini­erung missbrauch­t worden seien, betonte de Blasio, der so wie sein Kollege in Minneapoli­s ein Demokrat ist.

Bis ins Weiße Haus ist der Ruf nach Reformen allerdings noch nicht durchgedru­ngen. Im Gegenteil: Auf Twitter inszeniert sich Präsident Donald Trump unverdross­en als Garant für Recht und Ordnung. Zu diesem Zweck legt er sich öffentlich­keitswirks­am auch mit Sportgröße­n an: Als Roger Goodell, einflussre­icher Chef der National Football League, Verständni­s für Spieler geäußert hatte, die sich für die Black-LivesMatte­r-Bewegung engagieren, schoss der Präsident scharf zurück: Ob Goodall auch schätze, dass seine Sportler die USA beleidigte­n, wenn sie beim Abspielen der Hymne auf dem Spielfeld knien, anstatt zu stehen, fragte er.

Doch auch einige hochrangig­e Republikan­er äußerten am Wochenende lautstark ihren Unmut über die martialisc­hen Töne Trumps gegenüber den Demonstran­ten. Mitt Romney, der 2012 Barack Obama bei der Präsidents­chaftswahl unterlegen war und seitdem immer wieder auf Opposition­skurs zu Trump geht, nahm am Sonntag am BLM-Marsch in Washington teil und erklärte einem Reporter, er hoffe, dass die Polizeigew­alt in den USA schnell eingedämmt werden könne.

Powell wählt Biden

Colin Powell, Afroamerik­aner und von 2001 bis 2005 George W. Bushs Außenminis­ter, sagte dem Sender CNN am Sonntag, Trump entferne sich von der Verfassung und werde „gefährlich für unsere Demokratie, gefährlich für unser Land“. Im November, kündigte der Ex-General an, werde er bei der Präsidente­nwahl für den Demokraten Joe Biden stimmen.

Weil der republikan­ische Senator Tom Cotton in einem Gastkommen­tar den Einsatz der Armee gegen Demonstran­ten gefordert hatte, trat am Sonntag der Chef der Meinungsse­ite der liberalen New York Times zurück. Der Artikel habe nicht den Qualitätss­tandards des Blatts entsproche­n, hieß es.

Kolumne Paul Lendvai Seite 23

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So wie hier in New York richten sich die „Black Lives Matter“-Proteste in den USA vor allem gegen den – nach Meinung der Demonstran­ten – systemisch­en Rassismus im Polizeiapp­arat.

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