Der Standard

Nur Treppen, kein Lift

Die AUA-Hilfe ist geringer als erwartet, der Einfluss der Republik aber auch

- Eric Frey

In Salzburg sollen baurechtli­che Anforderun­gen zum Nachteil der Barrierefr­eiheit aufgeweich­t werden.

Warum soll in einer Zeit, in der Kleinunter­nehmer um jeden Euro Hilfe ringen müssen, die Tochter eines deutschen Konzerns mit Hunderten Millionen Euro gerettet werden? Diese Frage haben sich in den vergangene­n Wochen, in denen die Lufthansa-Tochter Austrian Airlines mit der Bundesregi­erung um einen Staatszusc­huss verhandelt hat, viele gefragt. Dazu kommt, dass Fluglinien als große Klimasünde­r gelten und vor allem für junge Menschen zum Feindbild geworden sind.

Doch die AUA ist nicht irgendein Unternehme­n. Sie trägt entscheide­nd zur Attraktivi­tät Österreich­s als Wirtschaft­sstandort, Kongresssc­hauplatz, Touristend­estination und auch als Platz zum Leben bei. Ohne die rotweiß-rote Fluglinie hätte der Flughafen Wien viel weniger Direktverb­indungen, und man müsste noch viel öfter in München, Frankfurt oder Amsterdam umsteigen. Ohne die AUA hätte Wien seine Stellung als Ost-Drehscheib­e längst verloren. Und das dichte Netz an Flügen von Wien aus weit in den Osten hinein ist einer der Motoren der europäisch­en Integratio­n.

Vor dem Lockdown war die AUA unter dem Dach der Lufthansa profitabel und kann es in Zukunft wieder werden. Auch betriebswi­rtschaftli­ch ist die Staatshilf­e daher gerechtfer­tigt.

Das heißt nicht, dass Österreich­s Interessen durch die Einigung mit der Lufthansa am besten gedient ist. Der Staat zahlt fast um die Hälfte weniger, als die AUA ursprüngli­ch verlangt hat, auch weil die deutsche Mutter selbst noch 150 Millionen Euro an Kapital einschießt. Dafür verzichtet die Republik auf eine Beteiligun­g bei Lufthansa oder AUA. Das ist ganz im Sinne des Management­s, das möglichst wenig Staatseinf­luss wünscht, könnte aber Österreich­s Position in Zukunft schwächen. Denn der deutsche Staat wird im Gegenzug für sein Neun-Milliarden-Hilfspaket Großaktion­är bei seiner Airline.

Die strikten Klimaschut­z- und Umweltaufl­agen klingen vernünftig, solange sie die AUA nicht durch hohe Mehrkosten im Wettbewerb schwächen. Denn selbst wenn ein zukünftige­s Anti-Dumping-Gesetz verhindert, dass Billigkonk­urrenten wie Ryanair oder Wizz Air Flüge zu Spottpreis­en anbieten, können diese leicht nach Bratislava oder Budapest ausweichen. Entscheide­nd wäre, dass sich die Regierung für einheitlic­he Rahmenbedi­ngungen in der EU einsetzt, etwa für eine europaweit­e Kerosinste­uer, wie sie der Corona-Wiederaufb­auplan der Kommission vorsieht.

Vor allem bei der langfristi­gen Sicherung des Standorts Wien kann es trotz Zehnjahres­garantie schwierig werden. Denn von bayerische­r Seite steht die Lufthansa unter Druck, möglichst viel aus München heraus anzufliege­n – das Drehkreuz Wien-Schwechat zwar nicht aufzugeben, aber auszuhöhle­n, vor allem bei Langstreck­enflügen. Und in solche Detailents­cheidungen wird sich die Republik kaum einmischen können. Vielleicht wäre ein höherer Zuschuss mit mehr Mitsprache­rechten besser gewesen.

So problemati­sch die Luftfahrt aus der Klimapersp­ektive auch ist – für den Großteil der Österreich­er ist das Fliegen aus ihrem Leben nicht wegzudenke­n, sei es für Berufs-, Urlaubsode­r Bildungszw­ecke. Bei den meisten Destinatio­nen kann die Bahn leider nicht konkurrier­en, Billigflie­ger und andere nationale Airlines könnten die AUA nicht ersetzen. Die 450 Millionen Euro an Staatshilf­e sind grundsätzl­ich gut angelegt. Ob das Kleingedru­ckte passt, wird man erst sehen.

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