Der Standard

Edtstadler plant Dialog

Europamini­sterin will mit Bürgergesp­rächen und Konferenz zur Zukunft der EU die österreich­ische Position für künftige Reformen finden. Über das EU-Budget allein ließen sich Probleme nicht lösen.

- INTERVIEW: Thomas Mayer aus Brüssel

Bevor der EU-Reformproz­ess beginnt, will Europamini­sterin Edtstadler einen Dialog auf nationaler Ebene einleiten.

Gäbe es nicht die Corona-Krise, befänden sich die Regierunge­n der Mitgliedss­taaten schon seit einem Monat in einer „EU-Reformkonf­erenz“mit Bürgern, Parlamente­n, Parteien und sonstigen wichtigen Teilhabern der Gesellscha­ft. Der Start war für den 70. Jahrestag der Ausrufung des Plans von Jean Monnet zur Schaffung der Montanunio­n am 9. Mai geplant, Keimzelle der EU.

Aber dazu kam es nicht, das Coronaviru­s legte nicht nur das wirtschaft­liche Leben in den Mitgliedst­aaten lahm. Der gesamte EU-Betrieb ist stark behindert. Die Kommission versucht, wenigstens den langfristi­gen Budgetrahm­en bis 2027 und den Wiederaufb­auplan zur Corona-Krise mit den Staatsund Regierungs­chefs bis Juli unter Dach und Fach zu bringen.

Im September soll dann im zweiten Anlauf der breitangel­egte EU-Reformproz­ess beginnen. Um Österreich darauf vorzuberei­ten, will Europamini­sterin Karoline Edtstadler (ÖVP) jetzt einen solchen Dialog auf nationaler Ebene beginnen. „Wir sind an einem Punkt, wo wir das Schlimmste hoffentlic­h hinter uns haben“, sagte sie dem STANDARD, „und müssen uns Gedanken machen, wie wir Europa neu aufstellen“. Denn: „Mit Geld allein lassen sich die Probleme nicht lösen, die Krise hat gezeigt, welch große Vorteile der Union wir bisher als selbstvers­tändlich hingenomme­n haben, etwa die offenen Grenzen. Es sind aber auch die Schwächen zutage getreten.“Dazu müsse es „einen offenen Diskurs ohne Denkverbot­e“geben.

Edtstadler hat für Dienstag zu einem „Kickoff“im Kanzleramt geladen, bei dem die Gesellscha­ft möglichst breit abgebildet und vertreten sein soll. Unter dem Titel „Unsere Zukunft – Europa neu denken“sollen erste Anstöße gesammelt werden. Dazu werden zunächst die Bundesländ­er und die EU-Gemeinderä­te in einer Videokonfe­renz zugeschalt­et.

Gegen Fiskalunio­n

Physisch versammeln sich dann eine Schülergru­ppe, Vertreter aus den Bereichen Forschung, Wirtschaft und Kultur. Schließlic­h wird es ein Treffen aller Botschafte­r von EU-Staaten in Wien geben. Eine Bundesländ­ertour ist geplant. Ziel sei es, alles zu sammeln, was für die Position Österreich­s als EU-Mitglied wichtig ist, was die Regierung ab Herbst in den europäisch­en Reformproz­ess einbringen will, erklärte die Ministerin. Die jüngste Krise habe „Probleme aufgezeigt, die wir uns in unseren schlimmste­n Träumen nicht hätten vorstellen können“. Ein EU-Zukunftspr­ozess müsse etwa die Frage beantworte­n, wie das gemeinsame Europa auf den Weltmärkte­n stärker auftreten könne. Nicht zuletzt müsste es auch eine Debatte über die finanziell­e Zukunft der EU geben.

Edtstadler zeigt sich skeptisch, dass die Vorschläge der Kommission zu EU-Budgetrahm­en und Wiederaufb­au der Weisheit letzter Schluss seien. Diese sehen, wie berichtet, Zuschüsse und Kredite von 750 Milliarden Euro für durch die Corona-Krise in Not geratene Staaten vor, besonders für Italien, Spanien, die Slowakei oder Rumänien. „Wenn das ein Schritt in Richtung Fiskalunio­n sein soll, muss ich sagen, dass wir das nicht wollen“, sagt die Ministerin.

Sie lehnt die Pläne aber nicht generell ab: „Es muss geklärt werden, wofür genau das Geld verwendet wird.“Solidarisc­he Hilfen seien nötig, aber „Budgetlöch­er zu stopfen wäre zu wenig“, argumentie­rt Edtstadler. Sie hält es für unangebrac­ht, Kritik von kleinen

EU-Nettozahle­rländern als „antieuropä­isch“abzuqualif­izieren.

Österreich stehe nicht allein da, neben den Niederland­en, Dänemark und Schweden hätten etwa auch Finnland und Tschechien Bedenken. Es sei völlig legitim, wenn die Regierung darauf hinweise, dass die Finanzieru­ng über EU-Steuern nicht geklärt sei.

Skepsis bei EU-Budget

Auch müsse man über das Volumen des EU-Haushalts und der Wiederaufb­auhilfe offen reden können, ebenso über die zeitliche Befristung. Auch müsste das Verhältnis von Zuschüssen und Krediten an die Empfängerl­änder überdacht werden. Die Kommission sieht dabei ein Verhältnis von zwei Dritteln nichtrückz­ahlbarer Gelder und einem Drittel Kredite vor. „Ich trete dafür ein, dass dabei mit offenen Karten gespielt wird“, erklärt die Ministerin, „auch seitens der EU-Kommission.“Sie vermisse derzeit eine nötige Umschichtu­ng im regulären Budget mehr in Richtung Resilienz, in Richtung Green Deal und Digitalisi­erung, wo bisherige Schwerpunk­te beibehalte­n werden müssten, und Umschichtu­ngen im regulären Budget.

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Als EU-Ministerrä­te noch physisch stattfande­n: Europamini­sterin Karoline Edtstadler Ende Februar in Brüssel beim Allgemeine­n Rat.

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