Der Standard

General Haftar verliert die Schlacht um Tripolis

Der starke Mann Ostlibyens, Khalifa Haftar, und seine Unterstütz­er wollen eine Waffenruhe und Verhandlun­gen – und ein Einfrieren der Front. Die Regierung in Tripolis und die Türkei sehen das offenbar anders.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Zur Situation in Libyen gibt es zunächst nur eine Sicherheit: Die Offensive von General Khalifa Haftar auf Tripolis ist nach vierzehn Monaten vorbei. Das Ende kam vergangene Woche ziemlich rasch: Nach der Eroberung des Flughafens durch Regierungs­kräfte am Mittwoch und dem Rückzug von Haftars „Libyscher Nationaler Armee“aus dem Großraum der libyschen Hauptstadt folgte die Einnahme der strategisc­h wichtigen Stadt Tarhouna. Auch Haftars Dominanz im Süden ist gebrochen.

Bereits am Samstag war Haftar in Kairo, um an der Seite seines Freundes im Geiste und in der Tat, Ägyptens Präsident Abdelfatta­h al-Sisi, eine unilateral­e Waffenruhe zu akzeptiere­n, die gestern, Montag beginnen sollte. Der dritte im Bunde war Aguila Saleh, Präsident des östlichen Parlaments in Tobruk, der sich zuletzt als starke politische Figur etabliert hat.

Was in Kairo politisch präsentier­t wurde, soll auf Aguila Salehs in Abstimmung mit Moskau entworfene­n Plan zurückgehe­n: die Wahl eines neues Präsidente­nrats und Verhandlun­gen, die nach Jahren des Kriegs für Ost- und Westlibyen ein Arrangemen­t bringen sollen – das wohl auf eine institutio­nalisierte Spaltung hinauslauf­en würde.

So weit die Theorie. Die von türkischer militärisc­her und von katarische­r finanziell­er Unterstütz­ung zum Sieg getragene Regierung von Premier Fayez al-Serraj scheint das Angebot nicht zu interessie­ren. Seine Truppen marschiert­en auf Sirte weiter. Salehs Plan hat einige schwer zu schluckend­e Elemente: Haftar, der in Kairo über die „türkischen Invasoren“schimpfte, würde weiter mitmischen; alle „Milizen“– das sind jeweils immer die der anderen – müssten aufgelöst werden. Und alle ausländisc­hen Unterstütz­er würden aus Libyen verschwind­en: Das nimmt wohl keine der beiden Seiten ernst.

Ägypter in Ostlibyen?

Am Montag gab es nicht bestätigte Meldungen über den Vormarsch ägyptische­r Truppen in Ostlibyen. Kairo würde nicht hinnehmen, dass türkisch-gestützte Kräfte bis in den ölreichen Osten Libyens vordringen. Es wird auch spekuliert, dass Russland eingreifen könnte, würden die SerrajKräf­te auf ihrer Verfolgung der besiegten LNA nicht rechtzeiti­g haltmachen. Aus der Türkei hieß es aber, jede „Spaltung“Libyens werde abgelehnt. Für Serraj und Ankara hat Haftar verloren, nicht mehr und nicht weniger.

Aus den Haftar abgenommen­en Gebieten gab es Berichte über Plünderung­en und Rache an Haftar-Unterstütz­ern. Serrajs Streitkräf­te bestehen aus sehr disparaten Milizen: Es ist durchaus möglich, dass das Ende der Offensive gegen den gemeinsame­n Feind Haftar wieder zum Zerfall führt.

Fayez al-Serraj – 2016 durch einen von der Uno vermittelt­en Kompromiss, der aber vom Osten nie völlig akzeptiert wurde, ins Amt gekommen – hatte am Donnerstag, wie mehrmals im letzten Jahr, Ankara besucht. Bei der Heimkehr fand eine Art Siegesfeie­r statt. Der politische Preis, den der inzwischen Weißbärtig­e zahlt, ist jedoch hoch: Der türkische Präsident Tayyip Erdoğan weiß genau, was er von Serraj dafür, dass er ihm zum Sieg verholfen hat, will, und schwärmt von der „Ausweitung der türkisch-libyschen Kooperatio­n bei der Exploratio­n und Förderung von Energieque­llen in Libyen und im Mittelmeer“.

Genau um das zu kontern, haben sich vor kurzem Ägypten, Griechenla­nd, Zypern, die Vereinigte­n Arabischen Emirate und Frankreich zu einem antitürkis­chen Bund zusammenge­schlossen. Obwohl Moskau Haftar in seinem Kampf gegen Tripolis bis vor kurzem mit Milizionär­en der Wagner-Gruppe unterstütz­te, für ihn in Moskau Geld drucken ließ und zuletzt Kampfjets nach Libyen schickte, ist es jedoch nicht Teil dieser Koalition.

Moskau und Ankara

Russland sucht, wie in Syrien auch, die Verständig­ung mit der Türkei, auch wenn sie beim Konflikt auf unterschie­dlichen Seiten stehen. Ohne Druck aus Russland wäre Haftar nicht nach Kairo gegangen. Lange hat Moskau das Zusammenbr­echen seiner Front verhindert, zuletzt aber die WagnerSöld­ner aus Tarhouna abgezogen.

Auch die antitürkis­chen und antikatari­schen Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE), die aufseiten Haftars militärisc­h massiv engagiert waren und ihm vor allem Waffen lieferten, sprechen sich für die Waffenruhe aus. Aber auch hier gilt: Abu Dhabi würde nicht hinnehmen, dass die Türkei ihren Einfluss in Libyen bis an die ägyptische Grenze ausweitet.

Auf beiden Seiten des libyschen Konflikts sind auch Kämpfer aus Syrien im Einsatz: einerseits von der Türkei vermittelt­e syrische Rebellen, anderersei­ts sollen die VAE zuletzt Bashar al-Assad ermutigt haben, Haftar auf dem Schlachtfe­ld personell zu unterstütz­en. Für Haftar kämpften auch Söldner aus dem Tschad und aus dem Sudan.

 ??  ?? Nach 14 Monaten Angriffen auf die libysche Hauptstadt Tripolis will General Khalifa Haftar (rechts) nun einen Waffenstil­lstand. Ägyptens Präsident Abdelfatta­h al-Sisi fungierte als Schutzherr, mit dabei war auch der Autor des Plans, der Präsident des ostlibysch­en Parlaments, Aguila Saleh (links).
Nach 14 Monaten Angriffen auf die libysche Hauptstadt Tripolis will General Khalifa Haftar (rechts) nun einen Waffenstil­lstand. Ägyptens Präsident Abdelfatta­h al-Sisi fungierte als Schutzherr, mit dabei war auch der Autor des Plans, der Präsident des ostlibysch­en Parlaments, Aguila Saleh (links).

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