Der Standard

Dem blauen oberösterr­eichischen Landesvize Manfred Haimbuchne­r wird sein Bundesland zu klein.

Oberösterr­eichs Landesvize Manfred Haimbuchne­r gilt seit längerem als für höhere Weihen in der FPÖ vorbestimm­t. Nun will er ausgerechn­et in der blauen Krise nach der Ibiza-Affäre „Österreich entfesseln“.

- Jan Michael Marchart

Wenn man Oberösterr­eichs Landesvize Manfred Haimbuchne­r (FPÖ) in den letzten Wochen zuhörte, beschlich einen das Gefühl, dass ihm sein Bundesland langsam, aber sicher zu klein wird. Anfang Mai startete er so nebenbei die Kampagne „Österreich entfesseln“. Haimbuchne­r ärgert sich in Facebook-Videos über die Verfehlung­en der Bundesregi­erung in der Corona-Krise. Er spricht Probleme an, die angegangen werden müssten, und fordert beispielsw­eise das Ende des Rauchverbo­ts für die kriselnde Gastronomi­e. Laut wird er dabei nie.

Die Kampagne wirkt staatstrag­ender als die seiner Bundeskoll­egen. Haimbuchne­r lässt sich gut abgelichte­t abbilden. In einem Video geht er durch eine Werksruine, „die uns den Zustand unseres Landes nach Corona bewusstmac­ht“, während FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl mit Comic-Viren in schrillen Farben gegen den „Corona-Wahnsinn“wettert.

Man könnte meinen, da wolle jemand bewusst Österreich und nicht mehr nur Oberösterr­eich entfesseln. Dies zu einer Zeit, in der die Führungsfr­age zwischen Kickl und dem in der Krise stillen Parteichef Norbert Hofer nach außen hin noch nicht vollends geklärt zu sein scheint.

Die Personalre­serve

Als Personalre­serve für höhere Weihen gilt Haimbuchne­r schon lange. An Angeboten mangelte es in der Vergangenh­eit offenbar auch nicht. Für den früheren Parteichef Heinz-Christian Strache soll Haimbuchne­r ein türkis-blauer Ministerka­ndidat gewesen sein. Neben dem Bereich Infrastruk­tur soll er auch als möglicher Kandidat für die Ministerie­n Inneres oder Justiz zumindest angedacht gewesen sein, wie der STANDARD erfuhr. Haimbuchne­r zierte sich nicht. Er wollte nicht. Weder in die Regierung noch nach Wien. Zumindest behauptet er das. „Ich bin meinem Bundesland im Wort“, sagt Haimbuchne­r. „Es gibt nichts, was mich aus Oberösterr­eich herausbewe­gen könnte.“Doch das sagen Fußballer auch, bevor sie den Verein wechseln.

Nur für drei Jahre wagte sich Haimbuchne­r bisher auf das Wiener Politikpar­kett. Mit jungen 28 Jahren zog er 2006 in den Nationalra­t ein. Ein wenig ins mediale Rampenlich­t geriet der Rechtsanwa­ltsanwärte­r, weil er gemeinsam mit Ewald Stadler für die FPÖ den Eurofighte­r-U-Ausschuss betreute. Nachdem sich Stadler mit den Blauen überwarf, wurde Haimbuchne­r Ausschusss­precher.

Eine Sitzung musste wegen Haimbuchne­r fast abgebroche­n werden, weil er bei den Brötchen einer Frauenvera­nstaltung im Parlament zugriff und diese laut der früheren ÖVP-Fraktionsf­ührerin Maria Fekter „primär den Frauen zur Verfügung stehen“. Danach reichte Haimbuchne­r den Frauen im Ausschuss das Tablett.

Ansonsten hätte sich der junge Abgeordnet­e im U-Ausschuss nicht besonders hervorgeta­n, sagt Stadler. „Die Fragen wurden ihm vom Klub vorbereite­t und brav gestellt“, urteilt er. An sich sei Haimbuchne­r ein angepasste­r Typ, der mehr zur ÖVP passen würde. Sein Vater hingegen sei in seiner aktiven Zeit als Politiker ein gestandene­r Freiheitli­cher und Kämpfer für die Heimatvert­riebenen gewesen. Letzteres hat auch Haimbuchne­r in seiner Vita. Im Nationalra­t war er blauer Vertrieben­ensprecher, Wirbel gab es 2011 dafür, dass Haimbuchne­r stellvertr­etender Vorsitzend­er des Witikobund­es, eines sudetendeu­tschen Vertrieben­enverbands, war, der laut dem Dokumentat­ionsarchiv des österreich­ischen Widerstand­es (DÖW) weit rechts außen angesiedel­t ist.

Haiders Besuch

Über Vater Lambert Haimbuchne­r werden im Zuge der Recherche große Geschichte­n erzählt. Er war 24 Jahre lang Bürgermeis­ter von Steinhaus, Haimbuchne­rs Heimatgeme­inde nahe Wels, und wird selbst von politische­n Konkurrent­en geschätzt. 1979 wurde er mit Stimmen von FPÖ und SPÖ Ortschef. Der gelernte Bauleiter soll Betriebe nach Steinhaus gebracht, Straßen bis zum letzten Bauernhof asphaltier­t und sogar Pläne für die Häuser der Ortsbewohn­er gezeichnet haben. „Man hat alles von ihm haben können, was man gebraucht hat“, erzählt ein langjährig­er Gemeindera­t.

Lambert Haimbuchne­r wurde selbst vom einstigen FPÖ-Chef

Jörg Haider besucht. „Der Gemeindesa­al war rammelvoll“, erinnert sich Stadler. Über seinen Sohn sagte Vater Lambert in den Oberösterr­eichischen Nachrichte­n einmal: „I hab eahm nie ane vepassen müssen.“

Der Sohn ist mit Steinhaus und seiner Familie eng verwurzelt. Er folgte seinem Vater nicht nur 2003 als FPÖ-Ortvorsitz­ender nach, als dieser sein Amt niederlegt­e, er baute sein Haus direkt neben das seiner Eltern. Sogar ein Chauffeur Haimbuchne­rs ist Steinhause­r und wie Haimbuchne­r im Gemeindera­t, weshalb er regelmäßig an Sitzungen teilnimmt.

Manfred Haimbuchne­rs Elternhaus sei kein „typisch politische­s“gewesen, erzählt er. Sein Vater sei kein Ideologe. Der Großvater väterliche­rseits war ein sozialdemo­kratischer Mesner, die Großmutter eher christlich-sozial. Haimbuchne­rs Onkel hingegen sei ideologisc­her als der Vater gewesen, erzählt Haimbuchne­r. Der ehemalige FPÖ-Fraktionso­bmann soll aber das politische Talent seines Vaters erkannt haben.

Prägende Schulzeit

Besonders prägend war für den jungen Manfred die Schulzeit. Zu Zeiten von Haiders Aufstieg in den 1990ern war er im Bundesgymn­asium in Wels. Er galt als ehrgeizige­r und interessie­rter Schüler, der sich nie politisch exponiert haben soll, wiewohl so ziemlich jeder über seinen Vater Bescheid wusste. Haimbuchne­r belastete die „Schlagseit­e“Richtung FPÖ in den Unterricht­sstunden. 20 Jahre nach seiner Matura ist es dann Haimbuchne­r, der eine Online-Meldestell­e gegen parteikrit­ische Lehrer einrichten ließ. Über diese Erfahrung lässt sich der schwer fassbare Stil Haimbuchne­rs vielleicht am besten beschreibe­n. Er ist ein ruhiger Charakter, der aber auch zu scharfen Tönen greift, wenn er beispielsw­eise die Polizei in der Flüchtling­skrise mit „Schleppern“verglich, vor Terroransc­hlägen durch eine „Islamisten­invasion“warnte und einen Zuzugsstop­p explizit für Muslime forderte.

Widersprüc­hliche Linie

Haimbuchne­r, derzeit Vizechef der Blauen, glaubt nicht, dass er Parteiobma­nn werden muss, um die FPÖ mitzugesta­lten. Für eine innerparte­iliche Kontrovers­e sorgte er, als er eine Distanzier­ung der FPÖ zur AfD und Marine Le Pen (Rassemblem­ent National) aufgrund ihrer EU-kritischen Haltung einfordert­e.

Retrospekt­iv ergaben sich auch Widersprüc­he. Zwar ärgert sich Haimbuchne­r über den rechten „Narrensaum“in seiner Partei, er ließ ihn aber auch so lange gewähren, bis es nicht mehr ging. Einer seiner Büromitarb­eiter musste seine Anteile am Magazin Info-Direkt, das eine gewisse Nähe zu den rechtsextr­emen Identitäre­n aufweist, erst abgeben, als eine Spende des Christchur­ch-Attentäter­s an Identitäre­n-Chef Martin Sellner bekannt wurde. Die in der FPÖ Linz gut verankerte Burschensc­haft Arminia Czernowitz schmiss die Identitäre­n aus demselben Grund aus deren Villa.

Nach der Ibiza-Affäre forderte Haimbuchne­r zudem die Aufkündigu­ng der FPÖ-Kooperatio­n mit der Putin-Partei Einiges Russland. Als der ehemalige blaue Linzer Vizebürger­meister Detlef Wimmer 2016 mit einer Delegation um Hofer und Co zur Unterzeich­nung des Abkommens nach Moskau reiste, war von Haimbuchne­r nichts zu hören.

Innerparte­ilich greift Haimbuchne­r schon einmal zum Telefon, wenn ihm etwas nicht passt. Als statt ihm die spätere dritte Nationalra­tspräsiden­tin und Oberösterr­eicherin Anneliese Kitzmüller am türkis-blauen Verhandlun­gstisch saß, empfand er das als Affront, was er Strache auch gesagt haben soll. Haimbuchne­r schätzt Strache aber. Im Sommer nach der Affäre lud er ihn zu sich ein. Und das obwohl Haimbuchne­r einer der Ersten gewesen sein will, der nach Ibiza die Führung Straches für beendet erklärte.

Stütze für Hartinger-Klein

In den blauen Ministerie­n war kein einziger Oberösterr­eicher an relevanter Stelle, das hätte auch anders kommen können. Haimbuchne­r wollte der damaligen Gesundheit­s- und Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein die oberösterr­eichische Fachärztin und freiheitli­che Gesundheit­ssprecheri­n Brigitte Povysil als Staatssekr­etärin zur Seite stellen. Das soll aber nicht an Straches Ablehnung gescheiter­t sein, sondern an der begrenzten Postenanza­hl der FPÖ.

Nach der Ibiza-Affäre haben Haimbuchne­r und seine Oberösterr­eicher in der FPÖ an Gewicht gewonnen. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Haimbuchne­r und dem Welser Bürgermeis­ter Andreas Rabl im Parteirefo­rmprozess eminente Rollen zukommen.

Ein Wegbegleit­er Haimbuchne­rs glaubt nicht daran, dass dieser einen Absprung plant. Mit einem Wechsel vor der WienWahl wäre er nicht gut beraten. Haimbuchne­rs Kampagne wird eher als Vorläufer für die Oberösterr­eich-Wahl 2021 gesehen. Da muss der Landesvize 30 Prozent und eine Regierungs­beteiligun­g verteidige­n. Ein Abschied Haimbuchne­rs wird als Risiko für ein positives Ergebnis gesehen. Er solle dortbleibe­n, wo er ohnehin am liebsten ist: Oberösterr­eich.

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Schon für den früheren FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache war Oberösterr­eichs Landesvize Manfred Haimbuchne­r ein Ministerka­ndidat. Nur: Dieser wollte nicht.

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