KOPF DES TAGES
Schlüsselfrau im Kampf gegen die Corona-Krise
Französischen Politikern wird nachgesagt, sie täten sich schwer, ihre Positionen auf internationaler Bühne mit aller Finesse auf Englisch zu vertreten. Wenn es eines personifizierten Beweises bedürfte, dieses Vorurteil zu widerlegen, dann ist Christine Lagarde wohl die erste Wahl, wie so oft in ihrer beinahe makellosen Karriere.
Seit vergangenem November steht sie als Präsidentin an der Spitze der Europäischen Zentralbank, als erste Frau in diesem Amt. Sie gehört zu den wichtigsten Personen der Welt, um die EU und Europa aus der größten Wirtschaftskrise zu führen.
Die komplexen Zusammenhänge der EZB-Interventionen zur Stärkung der Eurozone so zu erklären, dass es auch einfache Bürger verstehen, hat sie sich vorgenommen. Die elegante 64-Jährige tut dies so perfekt zweisprachig, souverän und trittsicher, sodass auch die letzten Kritiker an ihrer Nominierung durch Staatspräsident Emmanuel Macron verstummt sind. Auch dann, wenn sie umstrittene riesige Ankäufe von Staatsanleihen zur Stabilisierung der Eurozone ankündigt wie vergangene Woche. Der Name Lagarde steht für Klarheit, Seriosität, aber auch für Härte, Disziplin, Verhandlungsgeschick – auf beiden Seiten des Atlantiks.
In Washington führte die Französin von 2011 bis 2019 den Internationalen Währungsfonds (IWF), auch dort als erste Frau an der Spitze. All das hat mit der familiären Herkunft der 64-Jährigen in der Normandie zu tun und mit der beruflichen Orientierung nach dem Studium. Lagarde war immer eine der Besten, schon als Mädchen in der Schule.
Mit 15 war sie französische Vizemeisterin im Synchronschwimmen. Tochter eines Universitätsprofessors für Englisch und einer Lehrerin, mit drei Brüdern aufgewachsen, ging sie mit 18 auf Schüleraustausch in die USA. Sie studierte in Frankreich englische Literatur und Wirtschaftsrecht. Mit 25 heuerte sie bei einer der größten US-Anwaltskanzleien, Baker Mckenzie in Chicago, an, wo sie es 1999 zur Chefin brachte. Sie zog von Paris nach Chicago.
Zu Hause fiel sie politisch auf. 2005 wurde die Konservative in die Regierung geholt, Ressort: Außenhandel. 2007 machte sie Präsident Nicolas Sarkozy zur Finanzministerin. Sie wurde enge Vertraute ihres deutschen Gegenüber Wolfgang Schäuble: Gemeinsam managten sie die Eurokrise. Lagarde arbeitet mit allen Mitteln: Sie nascht gern und bringt auch ihren Gesprächspartnern gern Schokolade mit.