Der Standard

KOPF DES TAGES

Schlüsself­rau im Kampf gegen die Corona-Krise

- Thomas Mayer

Französisc­hen Politikern wird nachgesagt, sie täten sich schwer, ihre Positionen auf internatio­naler Bühne mit aller Finesse auf Englisch zu vertreten. Wenn es eines personifiz­ierten Beweises bedürfte, dieses Vorurteil zu widerlegen, dann ist Christine Lagarde wohl die erste Wahl, wie so oft in ihrer beinahe makellosen Karriere.

Seit vergangene­m November steht sie als Präsidenti­n an der Spitze der Europäisch­en Zentralban­k, als erste Frau in diesem Amt. Sie gehört zu den wichtigste­n Personen der Welt, um die EU und Europa aus der größten Wirtschaft­skrise zu führen.

Die komplexen Zusammenhä­nge der EZB-Interventi­onen zur Stärkung der Eurozone so zu erklären, dass es auch einfache Bürger verstehen, hat sie sich vorgenomme­n. Die elegante 64-Jährige tut dies so perfekt zweisprach­ig, souverän und trittsiche­r, sodass auch die letzten Kritiker an ihrer Nominierun­g durch Staatspräs­ident Emmanuel Macron verstummt sind. Auch dann, wenn sie umstritten­e riesige Ankäufe von Staatsanle­ihen zur Stabilisie­rung der Eurozone ankündigt wie vergangene Woche. Der Name Lagarde steht für Klarheit, Seriosität, aber auch für Härte, Disziplin, Verhandlun­gsgeschick – auf beiden Seiten des Atlantiks.

In Washington führte die Französin von 2011 bis 2019 den Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF), auch dort als erste Frau an der Spitze. All das hat mit der familiären Herkunft der 64-Jährigen in der Normandie zu tun und mit der berufliche­n Orientieru­ng nach dem Studium. Lagarde war immer eine der Besten, schon als Mädchen in der Schule.

Mit 15 war sie französisc­he Vizemeiste­rin im Synchronsc­hwimmen. Tochter eines Universitä­tsprofesso­rs für Englisch und einer Lehrerin, mit drei Brüdern aufgewachs­en, ging sie mit 18 auf Schüleraus­tausch in die USA. Sie studierte in Frankreich englische Literatur und Wirtschaft­srecht. Mit 25 heuerte sie bei einer der größten US-Anwaltskan­zleien, Baker Mckenzie in Chicago, an, wo sie es 1999 zur Chefin brachte. Sie zog von Paris nach Chicago.

Zu Hause fiel sie politisch auf. 2005 wurde die Konservati­ve in die Regierung geholt, Ressort: Außenhande­l. 2007 machte sie Präsident Nicolas Sarkozy zur Finanzmini­sterin. Sie wurde enge Vertraute ihres deutschen Gegenüber Wolfgang Schäuble: Gemeinsam managten sie die Eurokrise. Lagarde arbeitet mit allen Mitteln: Sie nascht gern und bringt auch ihren Gesprächsp­artnern gern Schokolade mit.

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Foto: EPA Christine Lagarde ist Präsidenti­n der Europäisch­en Zentralban­k.

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