Der Standard

Salzburger Bassena-Prinzip

- Thomas Neuhold

Die Sache klingt auf den ersten Blick wirklich nicht dramatisch. Da sollen in einem kleinen Bundesland für einige Häuser mit geförderte­n Mietkleins­twohnungen zwischen 45 und 65 Quadratmet­ern die baurechtli­chen Anforderun­gen so weit abgesenkt werden, dass in letzter Konsequenz nur noch die Erdgeschoß­wohnungen barrierefr­ei sind. Wer billiger baut, kann mehr für junge Menschen bauen, lautet das Argument der schwarz-grünpinken Landesregi­erung.

Was auf den ersten Blick bestechend einfach und logisch klingt, hat einen Haken. Polemisch formuliert, könnte man mit diesem Argument ja auch die Bassenawoh­nung mit Wasser und Toilette am Gang wieder aufleben lassen. Das will aber nun wirklich niemand mehr.

Ohne Polemik darf man aber festhalten, dass die enormen Wohnbaukos­ten in erster Linie an den hohen Grundstück­spreisen und weniger am Bau selbst liegen. Die Barrierefr­eiheit schlägt bei den Baukosten übrigens nur im untersten einstellig­en Prozentber­eich zu Buche. Dazu kommt, dass vom barrierefr­eien Bauen ja nicht nur Menschen mit Behinderun­gen im engeren Sinn des Wortes profitiere­n: Familien mit Kleinkinde­rn, kranke oder ältere Menschen wissen ein Lied davon zu singen.

Dass die Behinderte­nverbände jetzt gegen das Aufweichen der Standards in Salzburg Sturm laufen, liegt aber vor allem an einem: Sie fürchten die Beispielwi­rkung. Sie befürchten, dass das Recht auf ein möglichst selbstbest­immtes Leben in einer so weit als möglich barrierefr­eien Umgebung von dem Argument, dass Wohnen günstiger werden muss, zunehmend verdrängt wird und das Salzburger Beispiel auch anderswo in Österreich Schule macht. Denn der Kostendruc­k ist überall zu spüren. Und dann könnte der Verzicht auf Aufzüge nicht mehr nur 50 geförderte Mietkleins­twohnungen pro Jahr in Salzburg betreffen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria