Fatma Akay-Türker reicht es jetzt
Die Frauensprecherin des Obersten Rats der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich ist zurückgetreten. Fatma Akay-Türker kritisiert die traditionelle Geschlechterpolitik und männerdominierte Theologie der IGGÖ.
Fatma Akay-Türker war die einzige Frau im Obersten Rat der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ). Neben 14 Männern. Bis zum vergangenen Wochenende. Da trat sie von ihrer Funktion als Frauensprecherin im obersten Verwaltungsorgan der IGGÖ zurück. Aber nicht nur das, die promovierte Philosophin wird auch nicht mehr länger als Islamlehrerin für die IGGÖ tätig sein.
Was ist passiert? Warum dieser totale Rückzug? „Es reicht! Ich möchte nicht mehr, dass die Frauen eingeschüchtert werden“, übt die Islamexpertin im STANDArdGespräch scharfe Kritik an der IGGÖ und deren Positionen: „In der IGGÖ wurde die Abwertung der Frau institutionalisiert.“Sie habe seit ihrem Antritt im Jänner 2019 nie öffentlich auftreten dürfen: „Bis jetzt durfte ich nicht als Frauensprecherin über die Frauen in der Öffentlichkeit sprechen. Im
März bat ich den Obersten Rat, endlich die Aufgaben der Frauenbeauftragten deutlich zu definieren, damit ich weiß, was ich zu tun habe. Auf diese Aufforderung wurde nicht einmal reagiert.“– Mit ein Grund für ihren Rücktritt.
Würde sie islamische Religionslehrerin bleiben, „darf ich nicht in Freiheit reden, die Verhältnisse nicht hinterfragen“, erklärt sie. „Ich wollte nicht Teil dieser schweigenden Mehrheit bleiben.“
Gegen Zwangstheologie
Das Angebot, Frauensprecherin zu werden, habe sie angenommen, „um die Interessen der muslimischen Frauen zu vertreten und interne Verhältnisse reformieren zu können, weil muslimische Frauen unter sehr schweren Verhältnissen und einer Zwangstheologie in ihrer Entfaltung gehindert werden“, erzählt die 45-Jährige, die in der Türkei geboren wurde und 1989 nach Wien kam. „Nach kurzer Zeit“habe sie festgestellt, „dass die Interessen der muslimischen Frauen kaum wahrgenommen werden. Ich konnte mit diesem abwertenden Verhalten nicht umgehen, dass die muslimischen Frauen in verschiedenen Moscheen nur im Hintergrund einen Platz haben und keine ausreichende Anerkennung finden. Ich wollte gerade dieses Bild verändern, aber leider hat man bei der Glaubensgemeinschaft dieses traditionelle Bild nicht infrage gestellt, sondern institutionalisiert.“
Das „eigentliche Problem“sei, dass die IGGÖ so tue, als hätten die muslimischen Frauen „nur das
Fatma Akay-Türker setzt sich für eine Reform des Islam und ein modernes Frauenbild ein.
Kopftuchproblem, sonst nichts“, sagt Akay-Türker. Sie wollte „die Vertretung der Frauen institutionalisieren und eine bundesweite Partizipation muslimischer Frauen ermöglichen“sowie „den Anteil der Frauen in den Leitungen stärken, sodass die Frauen nicht nur Küchenarbeit der Moscheen erledigen“. Als „Einzelkämpferin“war sie chancenlos. Auch ihr Wunsch, „mit Theologinnen, Pädagoginnen, Islamlehrerinnen, Juristinnen, Soziologinnen, Studentinnen und Frauen aus dem Gesundheitswesen den Koran von der Männerherrschaft zu befreien und diese Ideen zu veröffentlichen“, ließ sich nicht realisieren.
Die studierte Turkologin kritisiert die „männerdominierte Theologie, die weder dem Koran noch dem gesunden Menschenverstand entspricht“, die die IGGÖ vertrete: „Das Koranbild der klassischen Lehre kann die Probleme der Frauen nicht lösen.“Nur fehle der
IGGÖ „leider die Fähigkeit zur kritischen Reflexion der islamischen Theologie“. Akay-Türker fordert „Akzente in Richtung islamischer Reformtheologie“.
Gefragt, ob es inhaltliche Kollisionen zwischen ihr und IGGÖPräsident Ümit Vural und den Männern im Obersten Rat gegeben habe, sagt sie: „Ja, ich war der Meinung, dass wir den Koran von von Männern bestimmten Interpretationen befreien müssen. Jedes Mal wurde ich gewarnt, dass das in der Zuständigkeit des Beratungsrates liegt.“Aber auch da seien nur zwei Frauen unter 20 Männern.
Ist sie liberaler als die IGGÖ-Offiziellen? Fatma Akay-Türker will sich nicht politisch einordnen lassen: „Es geht mir um die Frauenrechte und Geschlechtergerechtigkeit.“Aber wenn unter liberal „Offenheit“gemeint sei, „dann bin ich ein liberaler Mensch“.
➚ Interview mit Fatma Akay-Türker: derStandard.at/Inland