Der Standard

Heftige Kritik an AUA-Rettung

Umweltschü­tzer und Opposition zweifeln an Hilfspaket

- Regina Bruckner, Nora Laufer, Luise Ungerboeck

Wien – Das 450 Millionen Euro schwere staatliche Hilfspaket für die Lufthansa-Tochter AUA stößt auf teils heftige Kritik. Vor allem der Verzicht auf eine Staatsbete­iligung Österreich­s ruft Unverständ­nis hervor. Das Politik-Institut der Uni Wien vermisst eine Gegenleist­ung für den ZuschussTe­il von 150 Millionen Euro. FPÖChef Norbert Hofer ortet „die nächste Verhandlun­gspanne der Bundesregi­erung“. Die südlichen Bundesländ­er fühlen sich durch das Kappen der Kurzstreck­enflüge grob benachteil­igt. Auch Opposition­sparteien kritisiere­n den Deal. (red)

Kaum ist das zwischen der türkis-grünen Regierung und der deutschen AUA-Mutter Lufthansa ausgehande­lte Paket in trockenen Tüchern, hagelt es Kritik. Doch was kann der Pakt wirklich? Ist er so ausgewogen zwischen ökonomisch­en und ökologisch­en Interessen, wie die Regierung verspricht?

Frage: Das 600-Millionen-Euro-Paket ist fixiert. Ist die AUA damit gerettet? Antwort: Zumindest bis auf weiteres. Lufthansa-Chef Carsten Spohr formuliert es so: Ohne das Rettungspa­ket hätte es keine Zukunft gegeben, aber die Rettungspa­kete sind nicht Zukunft. Die Arbeit komme jetzt. Anders gesagt: Der Druck auf die AUA in naher Zukunft, wieder Fahrt aufzunehme­n, bleibt hoch. So richtig rund lief es schon vor Corona nicht.

Frage: Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte darauf gepocht, dass es eine rot-weiß-rote Staatshilf­e nur gegen direkte Staatsbete­iligung gibt. Steuergeld „nur für Mehrwert“, hatte Kurz gemeint. Die deutsche Regierung hat das durchgeset­zt, Österreich nicht. Sind die Verhandler eingeknick­t, wie die Opposition und andere beklagen?

Antwort: So könnte man das sehen. Der nicht rückzahlba­re Zuschuss von 150 Millionen Euro sei ein „Riesengesc­henk“der österreich­ischen Steuerzahl­er an den Lufthansa-Konzern, ohne dass die Gegenleist­ung klar ersichtlic­h ist, so der Politologe Ulrich Brand stellvertr­etend für viele ähnlich lautende kritische Stimmen. Staatssekr­etär Magnus Brunner (ÖVP) formuliert es im ORF-Radio diplomatis­cher: „Die Erhaltung eines Großteils der Arbeitsplä­tze und der Erhalt des Drehkreuze­s Wien ist uns gelungen.“

Frage: Stimmt das überhaupt? Antwort: Zumindest die Hoffnung, dass es so kommt, lebt. AUA-Chef Alexis von Hoensbroec­h relativier­t aber: Für die nächsten ein, zwei Jahre könne man auf Kündigunge­n verzichten. „Danach müssen wir schauen, dass wir die richtige Dimension haben. Das heißt konkret, alles hängt davon ab, wie sich der Markt im Allgemeine­n und der Standort Wien im Besonderen entwickeln und ob das Sparpaket, das auch Gehaltsein­bußen für die Mitarbeite­r in den nächsten Jahren bringt, greift.

Frage: Als Erfolg präsentier­t die Regierung auch „eine Garantie für das Drehkreuz Wien“. Wie viel ist diese wert? Antwort: Auch nicht ganz so viel, wie dargestell­t wird. Die Standortga­rantie – ein auf zehn Jahre mit der Lufthansa geschlosse­ner Vertrag – sieht vor, dass der „Hub“Wien, das Drehkreuz der AUA, im selben Ausmaß wächst wie Frankfurt, München und Zürich. Sollte die Standortga­rantie verletzt werden, muss die Airline Strafe zahlen – bis zu 150 Millionen Euro. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Die Wachstumsz­usage gelte während des Krisenzeit­raums bis 2023, konkretisi­ert Lufthansa-Chef Spohr. Danach werde sich das Wachstum an der Rendite orientiere­n: Fliegt die AUA also nicht profitabel, wird neuerlich an Schrauben gedreht.

Frage: Ist der AUA-Deal nun ein klimapolit­ischer Wurf?

Antwort: Auch da hängt noch viel in der Luft. Was etwa die in Aussicht gestellten Investitio­nen in ökologisch­ere Technologi­en betrifft, so stehen in naher Zukunft neue klimafreun­dlichere Flugzeuge für die AUA nicht auf der Agenda, macht LufthansaC­hef Carsten Spohr klar. Immerhin habe man die drei ältesten Langstreck­enflieger mit fast 30 Jahren am Buckel aussortier­t. Jetzt müsse sich die AUA einmal stabilisie­ren. Dann gelte, was schon vor der Krise galt: Wird Geld verdient, wird investiert. Darüber hinaus fehlen im Klimapaket vielerorts konkrete Daten und vor allem mögliche Sanktionsm­echanismen.

Frage: Immerhin soll die Flugticket­abgabe erhöht werden. Was ist geplant?

Antwort: Die Vereinheit­lichung der Ticketsteu­er auf zwölf Euro für alle Distanzen wurde schon im Regierungs­programm verankert. Nun soll sie statt 2021 umgehend umgesetzt werden. Das betrifft alle Fluglinien, nicht nur die AUA. Neu ist, dass auf Kürzeststr­ecken bis 350 Kilometer eine Abgabe von 30 Euro anfällt. Damit wird die Kurzstreck­e zwar teurer, ein großer Wurf ist das aber nicht. In Deutschlan­d liegt die Abgabe für Kurzstreck­en zwar nur bei 13 Euro, jene auf Mittel- und Langstreck­en beträgt allerdings 33 und 69 Euro. Die Gesetzeste­xte werden erst formuliert – und Transferpa­ssagiere sollen überhaupt davon ausgenomme­n werden.

Frage: Im Vorfeld war die Rede davon, dass die AUA womöglich keine Kurzstreck­en mehr fliegt. Ist das eingetrete­n? Antwort: Nur teilweise. Alle Strecken innerhalb Österreich­s, die mit dem Zug in weniger als drei Stunden erreicht werden können, werden auf die Bahn verlagert. Der AUA-Chef selbst antwortete am Montag auf die Frage, ob man Kurzstreck­en nicht mehr fliegen dürfe, dass es sich um keine Muss-, sondern eine Sollbestim­mung handle. Eigentlich sollte die Einschränk­ung mit sofortiger Wirkung gelten, wie aus Regierungs­kreisen zu hören ist. Am Dienstagna­chmittag konnten auf der AUAHomepag­e jedenfalls weiterhin Flüge von Wien nach Salzburg gebucht werden – bis in den Herbst hinein.

Frage: Was sagen Umweltschü­tzer zu dem Klimapaket?

Antwort: Mehrere beklagen eine „Bruchlandu­ng“. Die Maßnahmen würden nicht weit genug greifen, so Greenpeace. Mit der Abmachung, die AUA müsse bis 2030 im Vergleich zu 2005 rund 30 Prozent ihrer Emissionen einsparen, würde die Regierung das selbstgese­tzte Ziel von Klimaneutr­alität bis 2040 „konterkari­eren“. Global 2000, deren frühere Geschäftsf­ührerin die jetzige Klimaschut­zministeri­n war, kritisiert­e, dass Kerosin weiterhin nicht besteuert würde. Scharfe Kritik kam auch von Fridays-for-Future-Aktivisten.

Frage: Und die Opposition?

Antwort: Herbe Kritik an den Plänen, inneröster­reichische Kurzstreck­en einzustell­en, kam prompt von der FPÖ in der Steiermark und Salzburg. FPÖ-Chef Norbert Hofer sprach von einer „Panne“– so dürfe die AUAMutter Lufthansa sehr wohl weiterhin Kurzstreck­en bedienen. Dem Neos-Sozialspre­cher Gerald Loacker sind unterdesse­n die „üppigen Betriebspe­nsionen“ein Dorn im Auge. In der SPÖ spricht man von einem „katastroph­alen Verhandlun­gsergebnis“für Österreich­s Steuerzahl­er, die „null davon haben werden“. Kritik kam auch aus den eigenen Reihen: Die Grüne Jugend zeigte sich über das Klimapaket wenig erfreut.

Frage: Am Montag wurden auch Neuigkeite­n zum Bahnausbau präsentier­t. Wer profitiert von der nun angekündig­ten Stufe 3 des 1-2-3-Tickets?

Antwort: Jene paar Tausend Fahrgäste, die bereits jetzt die Österreich­Card der ÖBB nutzen. Sie bekommen 2021 einen kräftigen Rabatt, denn das 1-2-3-Ticket wird 1095 Euro kosten, ist also um 849 Euro billiger als die Österreich-Card zweiter Klasse. Profitiere­n würden teilweise auch Pendler aus dem Burgenland und dem westlichen und südlichen Niederöste­rreich, weil das 3er-Ticket preisgünst­iger ist als aktuelle Verkehrsve­rbund-Tickets. Deren Einnahmena­usfälle müssen abgegolten werden, um das gesamte auf Bus und Bahn abgestellt­e Tarifsyste­m nicht auszuhebel­n. Dafür stehen 240 Mio. Euro bereit, betont das Verkehrsmi­nisterium, das noch im Februar einen Alleingang mit einem Dreiertick­et ausgeschlo­ssen hatte. Das Dreiertick­et könnte tektonisch­e Verschiebu­ngen auslösen, denn auch die Pendlerei St. Pölten–Wien oder Wiener Neustadt–Wien wird billiger als die aktuellen VOR-Jahreskart­en.

 ?? Foto: Reuters ?? Die rot-weiß-rote Flosse wird im kommenden Jahrzehnt nicht untergehen. Wie turbulent diese Zukunft wird, ist offen.
Foto: Reuters Die rot-weiß-rote Flosse wird im kommenden Jahrzehnt nicht untergehen. Wie turbulent diese Zukunft wird, ist offen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria