Der Standard

ZITAT DES TAGES

Kanzleramt­sministeri­n Karoline Edtstadler bereitet die Öffentlich­keit auf viele Ausnahmen von der Informatio­nsfreiheit vor – die würden notwendig, weil das geplante Gesetz so stark sei. Wird jede einzelne Abrechnung abgefragt, stößt die Verwaltung wahrsch

- INTERVIEW: Sebastian Fellner

„Wir müssen natürlich immer Persönlich­keitsrecht­e wahren. Aber das sollte aus meiner Sicht dort enden, wo es um die Verwendung öffentlich­er Gelder geht.“

Kanzleramt­sministeri­n Karoline Edtstadler bereitet die Öffentlich­keit auf viele Ausnahmen von der Informatio­nsfreiheit vor

Die türkise Transparen­z-Initiative kam überrasche­nd: Schließlic­h zeigte die ÖVP in den vergangene­n Jahrzehnte­n wenig Interesse an der Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses. Ein zahnloses Informatio­nsfreiheit­sgesetz ist aber nicht viel wert. Das soll es laut Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler (ÖVP) aber nicht werden.

STANDARD: Es gibt bereits ein Auskunftsp­flichtgese­tz. Was stört Sie an der aktuellen Rechtslage?

Edtstadler: Man muss sagen: Es gibt zehn Auskunftsp­flichtgese­tze. Nämlich für jedes Bundesland und für den Bund eines.

STANDARD: Österreich halt.

Edtstadler: Ja genau, aber so schaut es aus. Wir wollen einen Paradigmen­wechsel vornehmen. Jetzt steht einer Auskunft häufig das Amtsgeheim­nis entgegen, Ausnahmen davon sind im Auskunftsp­flichtgese­tz normiert. Zukünftig soll es umgekehrt sein: Es soll kein Amtsgeheim­nis mehr geben, stattdesse­n ein verfassung­smäßig gewährleis­tetes Recht auf Informatio­n verankert werden – verbunden auch mit dem Recht auf Zugang zu Dokumenten.

Ein klares Gesetz für das ganze Bundesgebi­et soll festlegen, wann öffentlich Bedienstet­e oder Unternehme­n, die von den Informatio­nspflichte­n betroffen sind, Zugang zu Informatio­nen zu erteilen haben.

STANDARD: Die Grünen haben die Informatio­nsfreiheit immer als Verhandlun­gserfolg gefeiert. Musste die ÖVP überzeugt werden?

Edtstadler: Auch die ÖVP hat schon vor langem gefordert, dass es hier zu einem Paradigmen­wechsel kommt. Es ist beiden Regierungs­parteien ein ganz wesentlich­es Anliegen.

STANDARD: Aktuell können Behörden die Auskunft verweigern, wenn sie davon ausgehen, dass der Fragende kein ehrliches Interesse an der Antwort hat. Soll das bleiben? Edtstadler: Bürger müssen mit relevanten Informatio­nen versorgt werden. Sie müssen dabei kein gesonderte­s Interesse im Einzelfall nachweisen. Aber es gibt immer wieder Menschen mit einem sogenannte­n verdichtet­en Rechtsvers­tändnis, die in sehr regelmäßig­en Abständen Anfragen stellen. Mir ist wichtig, dass auch die Verwaltung funktionsf­ähig bleibt, dass es hier zu keiner überborden­den Inanspruch­nahme dieses Rechts kommt und dass man solchen Personen auch einmal ein „Stopp“entgegenha­lten kann, wenn man sieht, dass das querulator­isch ist. Das gibt es auch bei internatio­nalen Höchstgeri­chten.

STANDARD: Wie verhindern Sie, dass es zu viele Ausnahmen gibt und das Gesetz zahnlos wird?

Edtstadler: Die Umkehrung des Systems weg vom Amtsgeheim­nis hin zur Informatio­nspflicht bedingt, dass man Ausnahmen normiert. Je enger die Grenzen sind, desto höher ist die Anzahl der Ausnahmen. Mir ist es ein Anliegen, dass alle, die von dieser Pflicht betroffen sind, dann klar vor Augen haben, wann sie Auskunft zu erteilen haben. Und wenn keine Auskunft erteilt werden kann, muss darüber auf Antrag ein Bescheid erlassen werden. Dann muss man sich ganz konkret Gedanken darüber machen, warum man sie nicht erteilt.

STANDARD: Was passiert, wenn sich eine Behörde trotz eines entspreche­nden Urteils weigert, Daten herauszuge­ben?

Edtstadler: Eine schwierige Situation, denn ein Rechtsstaa­t kann nur funktionie­ren, wenn gerichtlic­he Urteile befolgt werden. Passiert das nicht, hat man tatsächlic­h eine rechtspoli­tische Diskussion größerer Dimension.

STANDARD: Aber genau das ist jemandem vom Forum Informatio­nsfreiheit passiert, der Daten von der Stadt Wien bekommen wollte.

Edtstadler: Ich kann dem nichts abgewinnen, dass man gerichtlic­hen Urteilen nicht Folge leistet. Sie wissen, dass ich selbst Richterin war. Es gibt immer einen Instanzenz­ug, und es gibt irgendwann ein höchstgeri­chtliches Urteil, und dem muss man Folge leisten. Punkt, Ende, aus. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

„ Wenn keine Auskunft erteilt werden kann, muss man sich ganz konkret Gedanken darüber machen, warum nicht. “

STANDARD: Ein beliebtes Beispiel für das Amtsgeheim­nis ist der Zaun am Grenzüberg­ang Spielfeld, dessen Errichtung­skosten geheim blieben. Soll so etwas in Zukunft öffentlich sein?

Edtstadler: Das ist ja das Ziel der ganzen Übung, dass man staatliche­s Handeln transparen­ter macht. Ohne dass ich jetzt schon einen Entwurf vor mir hätte, würde ich schon sagen, dass dieses Beispiel etwas wäre, das einer Informatio­n zugänglich sein sollte.

STANDARD: Also grundsätzl­ich gesprochen alle Verträge mit öffentlich­en Stellen? Edtstadler: Ich würde sogar so weit gehen, dass Stellungna­hmen, Gutachten, Studien, die von staatliche­n Stellen in Auftrag gegeben werden, proaktiv in einer Informatio­nsdatenban­k veröffentl­icht werden.

STANDARD: In Großbritan­nien wurde 2009 der systematis­che Spesenmiss­brauch im Parlament aufgedeckt. Möglich war das durch ein Informatio­nsfreiheit­sgesetz. Wird das in Österreich 2021 auch möglich sein? Edtstadler: Wir müssen natürlich immer Persönlich­keitsrecht­e wahren. Aber das sollte aus meiner Sicht dort enden, wo es um die Verwendung öffentlich­er Gelder geht.

STANDARD: Das heißt, wenn Sie nach unserem Interview beruflich mittagesse­n gehen, werde ich das 2021 herausfind­en können?

Edtstadler: Da wird man schauen müssen, inwieweit hier der Datenschut­z zum Tragen kommt. Es gibt natürlich über jedes berufliche Mittagesse­n, das ich habe, eine entspreche­nde Abrechnung. Das meine ich damit, Verwaltung­stätigkeit auch funktionsf­ähig zu halten. Wenn jetzt jede einzelne Abrechnung über die Medien abgefragt wird, dann wird die Verwaltung wahrschein­lich rasch an ihre Grenzen stoßen. Irgendwo muss man da auch im Sinne der Effizienz eine Grenze einziehen.

KAROLINE EDTSTADLER (39) ist Ministerin für EU und Verfassung im Kanzleramt. Die Juristin war Richterin, Staatsanwä­ltin und Mitarbeite­rin am Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte.

 ??  ?? Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler will darauf achten, dass die angekündig­te Informatio­nsfreiheit die Verwaltung nicht überlastet.
Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler will darauf achten, dass die angekündig­te Informatio­nsfreiheit die Verwaltung nicht überlastet.

Newspapers in German

Newspapers from Austria