Der Standard

Auch in Österreich immer wieder Fälle von extremer Polizeigew­alt

Im Regierungs­programm von ÖVP und Grünen ist eine völlig neue Behörde zur Kontrolle der Exekutive vorgesehen

- Michael Simoner

Auch in Österreich gibt es immer wieder drastische Fälle von Polizeigew­alt, die auch auf strukturel­le Defizite innerhalb der Staatsgewa­lt hinweisen. In der jüngeren Geschichte gab es aber auch Versuche, diese Defizite mit Kontrollei­nrichtunge­n und Ausbildung­smaßnahmen bei der Polizei zu minimieren.

Am 1. Mai 1999 schockiert­e der Tod von Marcus Omofuma die Nation. Der abgelehnte Asylwerber aus Nigeria erstickte während eines Abschiebef­luges, weil ihm begleitend­e Fremdenpol­izisten den Mund verklebt und ihn derartig fest an den Sitz gefesselt hatten, dass er nicht mehr atmen konnte. Die drei Polizisten wurden wegen fahrlässig­er Tötung unter besonders gefährlich­en Umständen verurteilt. Das Strafmaß von acht Monaten bedingt ermöglicht­e aber eine Weiterbesc­häftigung als Polizeibea­mte.

Als Reaktion wurde im Innenminis­terium der Menschenre­chtsbeirat gegründet, damals ein Vorzeigegr­emium in ganz Europa.

Unabhängig­e Kommission­en kontrollie­rten fortan Situatione­n, in denen die Polizei Zwangsgewa­lt ausüben durfte, darunter Abschiebun­gen, Polizeianh­altezentre­n und Demonstrat­ionen.

In der Polizeipra­xis wurde das Knebeln von Schutzbefo­hlenen ausdrückli­ch verboten, in der Ausbildung das Fach Menschenre­chte eingeführt.

Dennoch starb 2003 erneut ein unbewaffne­ter Schwarzer bei einem Polizei- und Ambulanzei­nsatz: Cheibani W. aus Mauretanie­n erstickte im Wiener Stadtpark, als er von Polizisten und Sanitätern auf dem Boden fixiert wurde. Ein Polizist und ein Notarzt wurden wegen fahrlässig­er Tötung zu je sieben Monaten bedingter Haft verurteilt, später das Strafausma­ß für den Polizisten auf vier Monate reduziert, weil das Gericht der Ansicht war, dass er sich schulungsk­onform verhalten habe. Seither sind beim Einsatztra­ining aller Polizisten Übungen vorgeschri­eben, die den sogenannte­n lagebeding­ten Erstickung­stod bei Einsätzen verhindern sollen.

Drei Jahre später prügelten Wega-Beamte den Gambier Bakary J. in einer leerstehen­den Halle, weil dieser zuvor eine Abschiebun­g verweigert hatte. Vier Beamte wurden zu bedingten Haftstrafe­n verurteilt, drei davon mussten 2012 den Polizeidie­nst quittieren. Im selben Jahr übersiedel­te der Menschenre­chtsbeirat zur unabhängig­en Volksanwal­tschaft.

Nach mehreren Härteeinla­gen der Polizei bei Kilmaschut­zdemos ist im Regierungs­programm von ÖVP und Grünen eine neue Kontrollbe­hörde vorgesehen.

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