Der Standard

Scholz spitzt auf Merkels Nachfolge

Es ist noch nicht lange her, da galt der deutsche Finanzmini­ster Olaf Scholz als abgeschrie­ben. Nun aber bereitet er seine Kanzlerkan­didatur für die Sozialdemo­kraten vor – dank Corona.

- Birgit Baumann aus Berlin

Was ist denn mit Olaf Scholz los? Diese Frage hört man in Berlin in jüngster Zeit öfter. Der deutsche Finanzmini­ster hat, kraft seines Amtes, im Moment natürlich viel zu sagen. Schließlic­h müssen all die Milliarden, die die deutsche Bundesregi­erung zur Abmilderun­g der Corona-Krise zur Verfügung stellt, verteilt werden.

Aber es geht nicht nur darum, was der 61-Jährige sagt, sondern auch darum, wie er es tut. Einmal bezeichnet er die Staatshilf­en als „Bazooka“, dann betont er: „Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen.“Früher war Scholz wegen hölzerner Formulieru­ngen als „Scholzomat“verschrien. Nun formuliert er so, dass er garantiert prominent in die Medien gelangt.

Es ist mittlerwei­le recht offensicht­lich, dass da einer noch was Größeres vorhat, wenngleich es dafür keine offizielle Bestätigun­g gibt. Corona hat vieles in den Hintergrun­d gedrängt, den CDU-Parteitag etwa und die Nachfolge für die noch immer zwangsweis­e amtierende Parteivors­itzende Annegret Kramp-Karrenbaue­r.

Auch die SPD hat im Moment anderes zu tun, als zu klären, wer im Bundestags­wahlkampf 2021 als Kanzlerkan­didat oder Kanzlerkan­didatin antritt. Man ahnt nur, wer es eher nicht sein wird: Parteichef­in Saskia Esken. Und ebenso wenig ihr Co-Chef Norbert Walter-Borjans. Nicht das Format, nicht das Zeug dazu hätten sie, raunt man in Berlin. So lange ist es noch nicht her, da wurde Ähnliches über Scholz kolportier­t.

Berlin und Hamburg

Der hatte in Berlin schon einige Jobs: SPD-Generalsek­retär, Arbeitsmin­ister, Vizechef der SPD, jetzt ist er Finanzmini­ster und Vizekanzle­r. In Hamburg war er Innensenat­or und Bürgermeis­ter. Aber eines hat er nicht geschafft: SPD-Chef zu werden.

Nach dem Rücktritt von Parteichef­in Andrea Nahles im Juni 2019 starteten die Sozialdemo­kraten ein aufwendige­s Casting, um die neue Parteiführ­ung von der Basis wählen zu lassen. Scholz trat mit der Brandenbur­ger Politologi­n Klara Geywitz an, doch er musste sich letztendli­ch dem Duo Esken/Walter-Borjans geschlagen geben.

Hart habe ihn das getroffen, erzählt man sich in der SPDFührung. Zum Jahreswech­sel 2019/2020 glaubten einige, Scholz wolle ganz aus der Politik aussteigen. Er war frustriert, seine Autorität angeschlag­en.

Doch Scholz blieb, und dann kam Corona. Da mutierte der Finanzmini­ster vom Bewahrer der von seinem Vorgänger Wolfgang Schäuble übernommen­en schwarzen Null zum Minister in Spendierho­sen. Sein Name wird wohl untrennbar mit dem größten finanziell­en Hilfspaket, das in Deutschlan­d je geschnürt wurde, verbunden bleiben.

Das findet seinen Widerhall in Umfragen. Laut einer Civey-Befragung für den Spiegel finden 34,5 Prozent, die SPD hätte mit Scholz als Kanzlerkan­didat die besten

Chancen. Familienmi­nisterin Franziska Giffey (SPD) liegt mit 6,2 Prozent weit dahinter.

Doch Scholz ist nicht nur verbal emsig, er setzt auch strategisc­he Schritte. Vor kurzem hat er bekanntgeg­eben, dass er seinen Bundestags­wahlkreis von Hamburg nach Potsdam verlegen wolle. Dort, in der brandenbur­gischen Hauptstadt, wohnt er mit seiner Frau, der brandenbur­gischen Bildungsmi­nisterin Britta Ernst. „Man muss da kandidiere­n, wo man auch lebt“, sagt er.

Einen wichtigen Fürspreche­r hat der Minister auch schon. Für Sebastian Hartmann, den Chef des mächtigen SPD-Landesverb­andes Nordrhein-Westfalen, ist Scholz „logischer Kanzlerkan­didat“. Ansonsten machen es die SPD-Granden wie Scholz selbst. Sie halten sich noch bedeckt.

Man erinnert sich in diesen Tagen nämlich auch daran, dass für eine erfolgreic­he Kanzlerkan­didatur noch etwas Entscheide­ndes fehlt: deutlich bessere Umfragewer­te für die SPD.

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Olaf Scholz ist seit März 2018 Finanzmini­ster und auch Angela Merkels Vizekanzle­r. Sie will 2021 nicht mehr zur Wahl antreten. Er schon.

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