Der Standard

Wien wieder Schauplatz von Rüstungsge­sprächen

Verhandlun­gen auf Außenminis­terebene geplant – USA wollen China mit ins Boot holen

- Gerald Schubert

Wien, Sitz mehrerer internatio­naler Organisati­onen und bereits früher Schauplatz wichtiger Vertragsab­schlüsse, wird einmal mehr zur Drehscheib­e der Diplomatie. Am 22. Juni wollen die USA und Russland in der österreich­ischen Hauptstadt über eine neue Vereinbaru­ng zur atomaren Abrüstung verhandeln, wie der russische Vize-Außenminis­ter Sergej Rjabkow am Dienstag bestätigte. Diese soll den Vertrag New Start ersetzen, der im Februar 2021 ausläuft.

New Start sieht vor, die Nuklearars­enale Russlands und der USA auf je 800 Trägersyst­eme und 1550 einsatzber­eite Atomspreng­köpfe zu begrenzen. Wie eine weiterführ­ende Vereinbaru­ng aussehen könnte und wer aller an ihr beteiligt sein wird, ist laut derzeitige­n Informatio­nen jedoch noch offen. Fest steht lediglich, dass die Wiener Verhandlun­gen auf Ebene der Außenminis­ter über die Bühne gehen sollen. Die USA allerdings wollen als zusätzlich­en Partner auch China mit ins Boot holen, das auf der weltpoliti­schen Bühne zuletzt eine immer wichtigere Rolle gespielt hat und auch in Rüstungsfr­agen zunehmend als Bedrohung empfunden wird.

Moskau drängt auf Vertrag

In der Frage der Einbeziehu­ng Pekings in einen neuen Vertrag könnte noch Konfliktpo­tenzial stecken. Denn einerseits hat Russland zuletzt darauf gedrängt, Verhandlun­gen zur künftigen Begrenzung strategisc­her Kernwaffen aufzunehme­n, und vor einem unkontroll­ierten Wettrüsten gewarnt. Anderersei­ts aber gibt man sich in Moskau „verwundert“darüber, dass Washington auch China ins Spiel bringe.

Dabei ist das Thema alles andere als neu: Schon 2019, als US-Präsident Donald Trump den zeitlich unbegrenzt­en INF-Vertrag zum Verbot landgestüt­zter Kurz- und Mittelstre­ckenrakete­n aufkündigt­e, hatte das Weiße Haus dafür plädiert, bei neuen Verhandlun­gen auch Peking einzubinde­n.

Die New-Start-Vereinbaru­ng, für die in Wien Ersatz gesucht werden soll, wurde im April 2010 in Prag unterzeich­net und trat im Februar 2011 in Kraft – mit einer Laufzeit von zehn Jahren. Als wichtiger Anstoß für die Verhandlun­gen gilt die berühmte Rede, die der damals frischgeba­ckene USPräsiden­t Barack Obama im April 2009 auf dem Platz vor der Prager Burg gehalten hatte und die ein flammendes Plädoyer für atomare Abrüstung war. Sie wird oft mit dem Friedensno­belpreis in Zusammenha­ng gebracht, den Obama noch im selben Jahr erhielt.

Nicht zu verwechsel­n ist der Start-Vertrag (Strategic Arms Reduction Treaty) mit den Salt-Vereinbaru­ngen (Strategic Arms Limitation Talks). Salt II wurde 1979 von US-Präsident Jimmy Carter und dem sowjetisch­en Staatsober­haupt Leonid Breschnew unterzeich­net – ebenfalls in Wien.

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