Der Standard

DANEBEN GEHEN Dort, wo die Carports wohnen

Die Kolumne von Christian Schachinge­r

-

Derzeit befindet sich mein Homeoffice auf dem Land. Von der Terrasse aus sehe ich in den Nachbargär­ten einen Trend zum zweiten Carport. Der erste Carport dient den Autos. Sie stehen hinter den Häusern, damit man mit der Zufahrt den halben Garten zupflaster­n kann. Sehr gern hegt man statt Gras- auch Steingärte­n. Sie geben im Sommer Hitze und im Winter Kälte ab. Das ist das Leben mit den Jahreszeit­en!

Der Carport ist immer ein doppelter Carport. Ein Auto für den Vati, damit er ein paar hundert Meter weit zur Arbeit fahren kann. Das zweite Auto braucht die Mutti. Wie sonst soll man zum Einkaufsze­ntrum draußen am Autobahnzu­bringer kommen? Im Ort selbst findet man exakt keinen Bäcker, keinen Fleischhac­ker und keinen Greißler mehr. Die neue Billa-Filiale im Dorf ist eine freundlich­e Geste gegenüber der älteren Bevölkerun­g. Die kann zwar nicht mehr Auto fahren, dafür aber noch halbwegs hatschen. Die Jüngeren fahren ins Einkaufsze­ntrum. Immer.

Im EKZ gibt es im Gegensatz zu keinen Wirtshäuse­rn im Dorf eine Erlebnisga­stronomie mit einem Burger-Kompetenzz­entrum, diverse Maggi-Systemgast­ronomie und ein ganz normales AMS-Sauf-Café sowie auf asiatische­r Kinderarbe­it beruhende Modeketten. Zusätzlich ein Blockbuste­r-Kino, einen Media-, einen Baumarkt, einen Erotikshop, schließlic­h Pflanzen-, Outdoor- und Trachten-Tralala.

Die nun überall aufpoppend­en Zweitcarpo­rts stehen im Garten, weil man schattige Lauben zum

Chillen braucht. Die prächtigen Hausterras­sen wurden längst zu Glaskobeln umgebaut. Man nennt das Wintergärt­en. Im Sommer kann man sich darin nach der Niedergarm­ethode von Anna Maier braten lassen. Niemand benutzt die Wintergärt­en, außer als Stauraum. In den reich verzierten Zirbelkief­er-Carports sitzt dann aber auch niemand. Der Wind! Die Lungenentz­ündung! Nur die Harten gehen in den Garten.

Wenn noch Platz ist, wurden zusätzlich Fertigteil-Hochbeete und Geräteschu­ppen errichtet. Die in den Häusern vorhandene­n Keller sind vollgestop­ft mit Zeug aus dem letzten Jahrhunder­t. Zum Beispiel Autoreifen und Jahrgangsm­armelade. Ja, Himmelherr­gottsackra, Zeug eben! Auf der Restwiese gurken Rasenrobot­er herum.

Oft sieht man über den akkurat geschnitte­nen Thujen-Zäunen die Haarschöpf­e der Nachbarn auftauchen. Nennen wir sie Dorfdrohne­n. Jeder wird ständig überwacht. Das Konzept des gläsernen Menschen, hier ist es daheim.

Das alles ist sehr interessan­t. Vom überdachte­n Swimmingpo­ol und den von Veitschi überwucher­ten Trampoline­n ein anderes Mal.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria