Der Standard

Über den Bildrand hinaus

Im Mittelpunk­t der Contempora­ry-Woche steht beim Dorotheum Zeichenhaf­tes von A. R. Penck bis Carla Accardi, aber auch Malerei von Hans Hartung und Reduzierte­s von François Morellet.

- Christa Benzer Online-Kataloge: www.dorotheum.com

Das Geheimnis war das, was den Osten verstörend machte“, davon war der 1939 in Dresden geborene Künstler A. R. Penck überzeugt: „Geheime Beziehunge­n, geheime Gedanken, geheime Vorgänge, Geheimdien­st, Geheimspra­chen.“Der Maler, Bildhauer und Jazzmusike­r hat daraus die Konsequenz gezogen und mit grafischen Zeichen eine Bildsprach­e entwickelt, die leicht verständli­ch sein sollte und an Höhlenmale­rei und Graffiti angelehnt war.

Kreislauf der Spiele, ein großformat­iges Bild von 2005, weist im Zentrum zwei Fische, ein gefräßiges Monster, aber auch die für Penck typischen Strichmänn­chen auf. Man könnte die dynamische Zirkulatio­n der Figuren als Sinnbild des Prinzips „Fressen und gefressen werden“interpreti­eren; auf dem zweiten Bild Where I Come From (1999) hält er seine Ausweisung aus der DDR in dramatisch­en Rottönen fest.

In der Malerei der italienisc­hen Künstlerin Carla Accardi und Antonio Sanfilippo­s hat das grafische Zeichen ebenfalls eine bedeutende Rolle gespielt. Die beiden lernten sich an der Accademia di Belle Arti in Palermo kennen, verliebten sich und heirateten 1946 in Rom.

Zeichnen ohne Grenzen

Nach Versuchen in der konkreten Malerei entdeckte Accardi in den 1950er-Jahren die Poesie des Zeichens für sich. Sie malte weiß auf schwarz, weil ihr das Umgekehrte zu geläufig war, und entwickelt­e mit Kringeln und Schlaufen eine an Schrift erinnernde Zeichenspr­ache. Fotos dokumentie­ren, dass Accardi Bilder wie Integrazio­ne n. 2 (1957) auf dem Boden gemalt hat. Sie wollte, dass sich das Zeichen unbegrenzt ausbreiten kann.

Dass ihre Beziehung zu ihrem Ehemann auch von Rivalität geprägt war, lässt die relative Nähe

Besichtigu­ng: ab Donnerstag, 18. Juni; Montag bis Samstag 10–17 Uhr, Sonntag, 21. Juni 13–17 Uhr

Termine 2. Auktionswo­che 2020: Klassische Moderne: Dienstag, 23. Juni (ab 16 Uhr); Zeitgenöss­ische Kunst, Teil 1: Mittwoch, 24. Juni (ab 16 Uhr); Zeitgenöss­ische Kunst, Teil 2: Donnerstag, 25. Juni (ab 16 Uhr); Armband- und Taschenuhr­en: Freitag, 26. Juni (ab 11 Uhr) ihrer Bildsprach­en erahnen: Anders als die grafisch dominierte­n Arbeiten von Accardi weist Sanfilippo­s angebotene­s Untitled (1960) mit gestischen Pinselstri­chen und expressive­ren Farben mehr Nähe zu malerische­n Ansätzen auf.

Dazu passt, dass sich Sanfilippo intensiv mit Malern wie Alberto Magnelli und Wassily Kandinsky oder auch den lyrisch-expressive­n Bildern von Hans Hartung befasste. In seinem Frühwerk hat der deutsch-französisc­he Künstler die malerische Geste bereits mit Farbfelder­n und kalligrafi­schen Motiven in Beziehung gesetzt. Nach einem Schlaganfa­ll 1986 hörte Hartung, der die Lust zu malen stets mit der Lust zu leben gleichsetz­te, aber nicht auf. Er experiment­ierte mit neuen Techniken und kompensier­te seine körperlich­e Unbeweglic­hkeit mit einer Art Spritzpist­ole: T1988-E40 und T1989-H5 entstanden in dieser Phase, in der trotz der Schnelligk­eit des Farbauftra­gs der Farbeinsat­z extrem präzise ist. Während Hartungs „Bildform der Formlosigk­eit“bis heute Künstler inspiriert, hat Günther Förg seit Mitte der 1970er-Jahre mit architekto­nischen Strukturen experiment­iert. Struktur (Structure), Förg 88 heißt seine vierteilig­e, minimalist­isch anmutende Serie, in der violette Quadrate vor braunem Hintergrun­d Fensterstr­ukturen auf Häusern andeuten.

Auf ein Minimum hat der französisc­he Künstler François Morellet sowohl die Farben und Formen als auch seine künstleris­che Handschrif­t und Entscheidu­ngskraft reduziert: Von ihm warten zwei Bilder in der Auktion, die mit 3 double frames 0°, 30°, 60° und 2 simple frames 0°, 10° sehr technisch betitelt sind. Es handelt sich dabei um die Winkel der übereinand­ergelegten Raster, durch die im Auge des Betrachter­s aber nicht unbedingt Klarheit, sondern ein wahrnehmun­gsbedingte­s Gewirr entsteht.

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Nach einem Schlaganfa­ll schuf Hans Hartung Werke wie „T1988-E40“(1988) mit einer Art Spritzpist­ole.

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