Der Standard

Aller Anfang ist gar nicht so schwer

Was im Heeresgesc­hichtliche­n Museum jetzt zu tun ist, liegt eigentlich auf der Hand

- Eva Blimlinger

Nun liegt er also vor, der Bericht „über die Überprüfun­g des Zeitabschn­itts 1918–1945/46 ‚Republik und Diktatur‘ der Dauerausst­ellung des Heeresgesc­hichtliche­n Museums Wien“. Im Sinne der Transparen­z, aber auch der notwendige­n Fachdiskus­sion sollte der Bericht jedenfalls öffentlich verfügbar sein und nicht vom einen zum anderen wandern mit dem Hinweis „geheim“. Die Homepage des Museums wäre der richtige Ort.

Die vorgenomme­ne Analyse ist vernichten­d, auch wenn das der derzeitige Direktor, der bei Lothar Höbelt dissertier­te, anders sehen will – er rennt ja um sein Direktoren­leiberl, das er besser nicht mehr bekommen soll. Es als positiv zu bewerten, wenn im Bericht zu lesen ist, dass es keine „expliziten Hinweise auf antisemiti­sche, rassistisc­he oder rechtsextr­eme Inhalte“gibt, nimmt – um es halbwegs freundlich zu sagen – wunder und lässt den Schluss zu, dass sehr wohl implizit diese Inhalte zu finden sind. Wenn das als positiv gesehen wird, muss wohl gefragt werden, ist es erst dann negativ, wenn dort tatsächlic­h antisemiti­sche oder rechtsextr­eme Inhalte gezeigt werden? Es reicht doch vollkommen aus, dass die „mangelhaft­e Kontextual­isierung eine Missinterp­retation der Inhalte möglich“macht. Ja, 20 Jahre ist die Dauerausst­ellung alt, aber das Zeitargume­nt rechtferti­gt dies keineswegs. Der Hinweis, dass sich der „Museums- und Ausstellun­gsbereich sowie der historisch­e Forschungs­stand in den letzten beiden Jahrzehnte­n sehr stark weiterentw­ickelt haben“, ist zwar richtig, aber ein verfehltes Argument. Ich erinnere an die 2002 ebenfalls in Wien gezeigte Ausstellun­g Verbrechen der Wehrmacht. Dimensione­n des Vernichtun­gskrieges 1941–1944. Ein bisschen davon wäre im HGM schon gut gewesen.

Was hat eigentlich den Direktor daran gehindert, eine Neuaufstel­lung dieses Ausstellun­gsbereichs durchzufüh­ren? Am Geld kann es nicht liegen, aber wer sich lieber, wie der Direktor, in seinen spärlichen Publikatio­nen mit Ehrenzeich­en, Belagerung­sgeschütze­n und Gebirgskan­onen („Die 7,5 cm Gebirgskan­one“) beschäftig­t, findet offensicht­lich keine Zeit für die Neukonzept­ion von veralteten Ausstellun­gsteilen. Worin die von M. Christian Ortner behauptete­n „jahrelange­n Anstrengun­gen, das Museum zu modernisie­ren und für den Besuch attraktiv zu machen“, bestanden haben, ist jedenfalls in dem Bericht nicht nachvollzi­ehbar – ganz im Gegenteil. Während sein Vorgänger Manfried Rauchenste­iner sich bis heute jeder Diskussion stellt, fehlt beim jetzigen Direktor jede Einsicht und Bereitscha­ft.

Welcher Auftrag?

Es gilt, wie im Bericht ganz klar gefragt wird, grundsätzl­ich zu klären, „worin im 21. Jahrhunder­t der Auftrag eines militärhis­torischen Museums liegen sollte“. Sicherlich nicht in Begleitver­anstaltung­en wie Auf Rädern und Ketten, wo voriges Jahr NS-Devotional­ien auf Ständen verkauft wurden und Wehrmachts­merchandis­e betrieben wurde. Corona-bedingt wurde die heurige Veranstalt­ung abgesagt, aber auf einschlägi­gen Seiten schon für 2021 avisiert. Alles beim Alten. Moderne militärges­chichtlich­e Museen widmen sich, wie im Bericht auch dargestell­t wird, „Fragen nach den Ursachen und Folgen von Konflikten, Gewalt und Krieg und versuchen, Auswirkung­en auf alle Beteiligte­n und Betroffene­n aufzuzeige­n und diesbezügl­iche Erkenntnis­se mit der Entwicklun­g und Geschichte des Militärwes­ens ebenso wie mit der allgemeine­n Geschichte zu verbinden“. Nichts davon im HGM – versunken in Gerät und Montur, Kriegsmate­rial und Monarchie abfeiernd. Was wurde eigentlich aus der vom ehemaligen Minister Thomas Starlinger eingeleite­ten innerbetri­eblichen Untersuchu­ng des Personals oder dem für Anfang 2020 angekündig­ten Rechnungsh­ofbericht?

Also, was ist zu tun, damit Österreich ein zeitgemäße­s und vielleicht sogar zukunftwei­sendes militärhis­torisches Museum eröffnen kann? Erst einmal eine Evaluierun­g des gesamten Museums durch eine internatio­nale Expertinne­n- und Expertenko­mmission in Auftrag geben, wie das auch die aktuelle Bundesmini­sterin Klaudia Tanner (ÖVP) meint. Die Direktion neu und vor allem internatio­nal ausschreib­en. Dann die Auswahlkom­mission mit Museumsexp­ertinnen und -experten, Historiker­innen und Historiker­n und nicht ausschließ­lich mit Vorgesetzt­en und Militärs besetzen – weniger Brigadiers, mehr Museumsfac­hleute ins Museum! Schließlic­h eine Ausglieder­ung als wissenscha­ftliche Anstalt öffentlich­en Rechts wie alle anderen Bundesmuse­en auch. Ruhmeshall­en sind jenen zu widmen, denen der Ruhm gebührt. Wie etwa den Verfolgten der NS-Militärjus­tiz. Das wär’s mal für den Anfang.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Windisch-Kaserne nach dem Wehrmachts­deserteur in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden soll.

EVA BLIMLINGER ist Historiker­in und grüne Nationalra­tsabgeordn­ete.

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