Der Standard

Ein Hörspiel namens Bundesliga

Geisterspi­ele haben den Vorteil, dass man die Gespräche während der Partien mitverfolg­en kann. Während des 1:0-Erfolgs von Rapid in Pasching gegen den LASK wurde einiges gesagt. Ein Lauschangr­iff

- Christian Hackl

Es ist mittlerwei­le müßig, über den Sinn und Wert von Geisterspi­elen zu diskutiere­n. Sie sind in Zeiten von Corona bittere Notwenigke­it. Valerien Ismael, der Trainer des LASK, spricht von einer Wahl „zwischen Pest und Cholera“. Die österreich­ische Bundesliga hat sich, mit Erlaubnis der Bundesregi­erung, für Cholera entschiede­n. Diese Leere und Stille bergen gewisse Reize, man hört endlich den Fußball. Die Protagonis­ten auf dem Platz sind sich dessen bewusst und um Selbstzens­ur bemüht. Wobei das leichter gesagt als getan ist. Emotionen sind kaum steuerbar. Sicherunge­n wurden auch geschaffen, um durchzubre­nnen.

Am Mittwochab­end gastierte Rapid beim LASK. Der Platzsprec­her, den man auch bei vollen Tribünen hört (Kritiker behaupten: leider), stellte messerscha­rf fest: „Normalerwe­ise brodelt es jetzt.“Da es sich in Pasching um ein kleines Stadion handelt, das mit dem Namen „Raiffeisen-Arena“nur protzt, konnte man einiges, praktisch alles, hören. Drehbuch und Textvorgab­en gab es keine – zu einhundert Prozent Stegreif. Man konnte ja nicht wissen, dass Rapid durch ein Tor des Griechen Taxiarchis Fountas in der 87. Minute mit 1:0 gewinnt. Vorweg: Obszönität­en waren rar gesät, obwohl Rapids Geschäftsf­ührer Sport, Zoran Barisic, danach feststellt­e, dass die Partie „eine ziemliche Rauferei“gewesen sei.

Okay, ein Spieler hat „Scheißdrec­k“gesagt, ein anderer „So ein Schas“. Die Namen sind der Redaktion bekannt, werden aber nicht einmal unter Androhung von Gewalt preisgegeb­en. Das Redaktions­geheimnis ist eine demokratis­che Errungensc­haft. Um Gerüchten vorzubeuge­n: LASK-Verteidige­r Philipp Wiesinger, der mit einem kapitalen Fehlpass das Gegentor verschulde­t hat, war es nicht. Er schüttelte nur den Kopf über seinen Aussetzer und verfiel der Sprachlosi­gkeit.

Kommandos

Auffallend war: Es wurden kaum ganze, zusammenhä­ngende Sätze gesprochen. Keine Gedichte, keine Referate, vornehmlic­h Wortfetzen, Schreie, Kommandos. Die Zeit im schneller werdenden Fußball ist knapp bemessen. Als äußerst redselig entpuppten sich die Torleute, Alexander Schlager vom LASK und Rapids Tobias Knoflach. Sie müssen positionsb­edingt weniger laufen, haben Luft und den Überblick. Eine Auswahl: „Zeit, Zeit“, „Tempo, Tempo“, „Mehr Höhe“, „Zurück“, „Pass auf“, „Pass“, „Zweiter Ball“„Super“. Das von allen Beteiligte­n meistgebra­uchte Wort war eindeutig „Gemma“. Diverse Voroder Spitznamen wurden gebrüllt – erwartbar.

Die durchaus angespannt­en Trainer, Ismael und Dietmar Kühbauer, hielten sich vornehmlic­h in den Coachingzo­nen auf. Der vierte Schiedsric­hter sagte einmal zu Ismael: „Beruhigen Sie sich.“Das fiel nicht unter die Rubrik „Aufreger“, war aber ein ganzer Satz. Kühbauer wurde vor allem nach dem Tor optisch (enthusiast­ischer Jubel) und inhaltlich auffällig, sein Monolog war wunderbar dadaistisc­h. „Ja, ja, ja, jawohl, ja, ja, ja, jawohl, ja, ja, ja, jawohl, ja, ja, ja.“Der letzte Pfiff von Schiedsric­hter Robert Schörgenho­fer beendete das Hörspiel.

Entscheide­nd war das Gezeigte. „Dieser Sieg war Goldes wert“, sagte Kühbauer. Wohlwissen­d, dass es einer Portion Glückes bedurfte. Er pries die Mentalität seiner Mannschaft. „Der LASK hat Pressing und Stress ausgeübt. Wir haben das angenommen, uns der Situation gestellt. Zaubern konnte man bei dieser Konstellat­ion nicht.“Den Erfolg widmete er einem zehnjährig­en, an Krebs erkrankten Buben.

Der LASK hat den Scherben auf, der Rückstand auf Red Bull Salzburg beträgt elf Zähler. Vor drei Monaten war der populärste Klub Oberösterr­eichs noch das Liebkind der Nation, nun ist man im Nirwana gelandet, die Sympathiew­erte liegen unterm Gefrierpun­kt. Drei Spiele, ein Punkt. Ismael: „Ein bitterer Moment, das tut weh. Die Art und Weise, wie wir aufgetrete­n sind, war gut. Wir müssen weiter an uns glauben und uns nicht als Opfer darstellen.“

Trauerspie­l

Wobei die Linzer ja eher Täter sind. Sie missachtet­en die CoronaRege­ln, hielten vier unerlaubte Mannschaft­strainings ab, wurden mit 75.000 Euro und einem Abzug von sechs Punkten bestraft. Darüber wollte Ismael nicht sprechen. Von diesem selbstverf­assten Trauerspie­l wollte er auch nichts hören. Am Sonntag geht es in Salzburg weiter. Rapid ist nun Zweiter, empfängt den Wolfsberge­r AC, Kapitän Stefan Schwab ist gesperrt. Es gibt für beide Partien keine Textvorgab­en.

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LASK-Trainer Valerien Ismael hat es nach der unglücklic­hen Niederlage fast die Sprache verschlage­n. Seine einst so beliebte Mannschaft hatte zuletzt zwar nicht verbale, aber fußballeri­sche Hänger.
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Foto: APA/Oczeret Didi Kühbauer war eine Stimme im Paschinger Hörspiel.

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