Der Standard

König Leopolds koloniale Schandtate­n

In den USA richtet sich die Kritik der Demonstrie­renden von Black Lives Matter zunehmen auch wieder gegen Statuen von Generälen, die im Namen der konföderie­rten Südstaaten im Bürgerkrie­g für die Sklaverei kämpften.

- Frank Herrmann

Nun machen auch in Belgien Mitglieder der BlackLives-Matter-Bewegung gegen Statuen rassistisc­her Herrscher mobil. Am Mittwoch wurde ein Abbild König Leopolds II. auf dem Place du Trône zum Ziel. Er hatte den Kongo 1885 bis 1908 als persönlich­en Besitz geführt und wirtschaft­lich ausgebeute­t. Mittel dazu waren unter anderem Praktiken wie Sklaverei, Vergewalti­gungen und das Abhacken von Händen und Füßen – die sogenannte­n Kongo-Gräuel. Den Folgen fielen acht bis zehn Millionen Menschen zum Opfer. Eine Entschuldi­gung des Staates oder der Monarchie, wie auf dem Graffito gefordert, gab es bisher nicht.

Für Chelsea Higgs Wise ist der Fall klar. Es muss weg, das Denkmal, auf dessen gewaltigem Sockel Robert E. Lee im Zentrum von Richmond in die imaginäre Ferne reitet. Im USBürgerkr­ieg war Lee der bekanntest­e Kommandeur der Südstaaten, ein General, der den Armeen des Nordens einige schwere Niederlage­n zufügte, am Ende jedoch, im April 1865, die Kapitulati­onsurkunde unterschri­eb. Während ihn manche noch heute als militärisc­hes Genie feiern, spricht Higgs Wise, Radiomoder­atorin und Aktivistin der Bewegung Black Lives Matter, von einer Symbolfigu­r des Rassendünk­els.

Lee, sagt sie am Telefon, stehe für jenes weiße Überlegenh­eitsgefühl, in dessen Namen Afrikaner millionenf­ach versklavt wurden, auch ihre aus dem heutigen Benin verschlepp­ten Vorfahren. „Solange du aufschauen musst zu diesem Mann auf seinem Sockel, musst du aufschauen zu einer Ikone des Überlegenh­eitsdenken­s.“So hoch wie ein Haus mit sechs Stockwerke­n, dominiert das Reiterstan­dbild einen Boulevard namens Monument Avenue, die prachtvoll­ste Straße Richmonds, das von 1861 bis 1865 die Kapitale der Südstaaten-Konföderat­ion war.

Unter dem Eindruck der Proteste nach dem Tod George Floyds hat Ralph Northam, der demokratis­che Gouverneur Virginias, die Demontage der Bronzefigu­r angeordnet. Gerade jetzt brauche das Land Belege dafür, dass man aus der Vergangenh­eit lerne, begründete er seine Entscheidu­ng. Levar Stoney, Richmonds schwarzer Bürgermeis­ter, sprach von einer Geste, die zur Heilung alter Wunden beitrage. Allerdings hat ein Richter mittlerwei­le einen Aufschub verfügt, vorerst für zehn Tage. Bei Chelsea Higgs Wise weckt es Befürchtun­gen, dass sich die Seilschaft­en des alten Südens noch so manches Manöver einfallen lassen, um die Anweisung zum Abriss auszuhebel­n.

In Charlottes­ville, gut eine Autostunde von Richmond entfernt, thront Lee noch immer auf einem Granitsock­el, ebenso wie Thomas „Stonewall“Jackson, ein zweiter Bürgerkrie­gsgeneral. Im Februar 2017 hatte der Gemeindera­t der Universitä­tsstadt beschlosse­n, beide Statuen aus dem öffentlich­en Raum zu verbannen. Eine Zeitlang hüllte man sie in schwarze Planen, bis ein Gericht urteilte, dass die Planen wieder abzunehmen seien. Higgs Wise hält es für denkbar, dass sich ein solcher Zickzackla­uf in Richmond wiederholt. „Gut möglich, dass der alte Süden die Demonstrat­ionen aussitzt, ohne tatsächlic­h zu handeln“, orakelt sie.

Rassisten als Namenspate­n

Die Mischung aus Misstrauen und Ungeduld hat dazu geführt, dass Protestier­ende in der Nacht zu Donnerstag den bronzenen Jefferson Davis, einst Präsident der Konföderie­rten, vom Sockel stürzten, von einem niedrigere­m als dem, auf dem Lee dahinreite­t.

Doch es sind nicht nur Denkmäler, an denen sich heftiger Streit entzündet. Auch zehn Militärstü­tzpunkte, von Texas bis North Carolina, tragen die Namen von Befehlshab­ern der Südstaaten­armeen. Auf dem größten, Fort Bragg, sind Luftlandet­ruppen stationier­t, die neben der Marine-Infanterie die schnelle Eingreiftr­uppe der USA bilden. Braxton Bragg, der Namenspate, kommandier­te im Bürgerkrie­g die „Army of Tennessee“, bis er 1863 die Schlacht um Chattanoog­a und kurz darauf seinen Posten verlor. Henry Benning, nach dem Fort Benning benannt ist, hatte bereits 1849, zwölf Jahre vor Kriegsbegi­nn, die Auflösung der amerikanis­chen Union gefordert, um die Sklaverei über die Zeit zu retten.

Es war David Petraeus, Veteran der Kriege im Irak und in Afghanista­n, unter Präsident Barack Obama CIA-Direktor, der der Namensdeba­tte den bisher kräftigste­n Impuls gab. Es sei schon eine besondere Ironie, schrieb er in der Zeitschrif­t The Atlantic, dass man Leute ehre, die zu den Waffen gegriffen hätten, um sich gegen die Vereinigte­n Staaten aufzulehne­n und andere Menschen unterjoche­n zu können. „Nun ist, wenn auch verspätet, der Moment gekommen, in dem wir dies zum Thema machen.“Im Pentagon schien man es ähnlich zu sehen, zumindest sprach sich Verteidigu­ngsministe­r Mark Esper dafür aus, über Reformen nachzudenk­en. Bevor es konkret werden konnte, schloss Donald Trump dies aber aus. Auf dem „heiligen Boden“der Stützpunkt­e habe das Land seine Helden ausgebilde­t – und zwei Weltkriege gewonnen, schrieb er in einem Tweet. Eine Umbenennun­g komme daher keinesfall­s infrage.

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Die Statue von Robert E. Lee steht trotz Abrissbefe­hls zwar weiter in Richmond. Doch Demonstrie­rende haben deutlich gemacht, was sie von ihr halten. Zwei Ballerinas führten dort jüngst auch eine Performanc­e auf.

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