Der Standard

Andrea Mayer über den Wert von Kultur

Kunst und Kultur seien Werte abseits des rein Ökonomisch­en, meint Andrea Mayer. Die Kunststaat­ssekretäri­n im Interview über den Finanzmini­ster, faire Bezahlung und die Gehälter der Museumsdir­ektoren.

- INTERVIEW: Stefan Weiss

Nach dem Rücktritt von Ulrike Lunacek (Grüne), der es nicht vergönnt war, der Kulturbran­che wirtschaft­lich durch die Corona-Krise zu helfen, stand sie bereit: Andrea Mayer. Die Kulturexpe­rtin wechselte von der Hofburg, wo sie die Kanzlei von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen leitete, auf den Concordiap­latz. Der dort ansässigen Kunst- und Kultursekt­ion des Bundes stand Mayer schon einmal zwischen 2015 und 2017 als Sektionsch­efin vor, nun ist sie als neue Staatssekr­etärin auch politisch verantwort­lich.

Drei Wochen ist sie im Amt, und seither ist viel passiert: Kultur darf eingeschrä­nkt wieder stattfinde­n, die Finanzhilf­en werden auf neue Beine gestellt. Mit über die Krisenbewä­ltigung hinausgehe­nden Ideen hält sich Mayer im Interview noch zurück. Zum kulturpoli­tischen Regierungs­abkommen bekennt sie sich aber vollinhalt­lich. Und schon nächste Woche will sie neue Erleichter­ungen im Kulturbere­ich präsentier­en.

STANDARD: Sie haben die Politik als Spitzenbea­mtin viele Jahre backstage kennengele­rnt, nun stehen Sie selbst auf der Bühne: Ist das befreiend oder beängstige­nd? Mayer: Es ist jedenfalls eine große Veränderun­g, in der ersten Reihe zu stehen. Ich empfinde sehr viel Freude, dass man in dieser besonderen Phase für Kunst und Kultur viel zum Positiven bewirken kann. Aber natürlich verspüre ich auch die große Verantwort­ung und die große Erwartungs­haltung.

STANDARD: Ihre Vorgängeri­n hätte sich unter normalen Bedingunge­n wohl mit der Zeit eingearbei­tet. Hat die Krise gezeigt, dass Fachfremdh­eit ein Problem sein kann? Mayer: Ich bringe jedenfalls mit, dass ich die Branche gut kenne, vernetzt und krisenfest bin und Management­qualitäten habe. Das möchte ich zur Verfügung stellen, um als oberste Lobbyistin für die Branche tätig zu sein.

STANDARD: Sie selbst kommen aus der SPÖ, ist die Personalde­cke der Grünen so dünn, dass man auf rotes Personal zurückgrei­fen muss? Mayer: Ich wurde als Expertin ausgewählt.

STANDARD: Sie sehen sich nicht als SPÖ-U-Boot in der Regierung? Mayer: Ich habe meine Parteimitg­liedschaft ruhend gestellt.

STANDARD: Ist es nachteilig, dass für die Kultur nicht mehr ein Kanzleramt­sminister, sondern eine Staatssekr­etärin zuständig ist?

Mayer: Ich sehe das nicht so. Es gibt ein Staatssekr­etariat und ein Kulturmini­sterium unter Werner Kogler, der der zweitmächt­igste Mann in der Regierung ist. Wir sind ein starkes Team und gut abgestimmt. Und Kunst und Kultur ist außerdem eine Aufgabe der gesamten Regierung.

STANDARD: Die Erwartungs­haltung an Sie ist enorm hoch, aber ohne den Finanzmini­ster im Boot wird wenig gehen. Wollen Sie Gernot Blümel, der einst Kulturmini­ster war, bei der Ehre packen?

Mayer: Es ist mein Vorteil, dass ich alle Mitglieder der Bundesregi­erung durch meine Tätigkeit in der Hofburg kenne, auch Gernot Blümel. Er hat sicher ein offenes Ohr.

STANDARD: Kommen wir zu den Corona-Hilfen: Nach Lunaceks Rücktritt und Ihrem Antritt ging dann vieles sehr schnell. Das lag mit Verlaub wohl weniger an Ihnen als an der Erkenntnis in der ÖVP, dass man in diesem Bereich Nachholbed­arf hat. Oder?

Mayer: Das lautstarke Melden der Kunstund Kulturbran­che war vielleicht entscheide­nd. Bei meinem Antritt war mir klar, wo die Prioritäte­n zu setzen sind, ich konnte sie auch argumentie­ren, und ich habe so viel Zuspruch erfahren, dass es uns gelungen ist, gleich in den ersten Tag vieles in die Wege zu leiten: Die Lockerunge­n, die Überbrücku­ngsfinanzi­erung für die Freischaff­enden, das Paket für die Filmschaff­enden, und jetzt folgen die nächsten Schritte. Also, ich glaube, die Bilanz der ersten drei Wochen ist ganz gut.

STANDARD: War die Abwicklung der Härtefallf­onds-Hilfen über die WKO ein Griff ins Klo?

Mayer: Was sind Entscheidu­ngen, die lang vor meinem Antritt getroffen wurden, und zwar nicht direkt in meinem Bereich. Ich hatte die Rückmeldun­g von den KünstlerIn­nen, dass sich viele vom Härtefallf­onds nicht unterstütz­t fühlten und deswegen auch in einer Notlage sind. Es war klar: Wir müssen eine maßgeschne­iderte, unbürokrat­ische Lösung finden. Das ist in Form des Überbrücku­ngsfinanzi­erungsfond­s über die Sozialvers­icherung der Selbststän­digen passiert. Im Kulturauss­chuss wurde der Fonds nun von allen Parteien beschlosse­n. Jetzt geht das durch den parlamenta­rischen Prozess, parallel arbeiten wir an der geplanten Abwicklung. Wir können beginnen, wenn das Gesetz beschlosse­n ist.

STANDARD: Das heißt: Ab Juli ... Mayer: ... kann man Anträge stellen und Geld empfangen.

STANDARD: Ausständig ist, ob Bundesmuse­en und -theater höhere Basisabgel­tungen bekommen, um die Millionena­usfälle zu kompensier­en. Wann kommt das? Mayer: Wir haben die Ausschüttu­ng der Basisabgel­tung vorgezogen, damit die Liquidität gesichert ist. Mit den Museen und Theatern haben wir eruiert, wie der Einnahmene­ntgang aussieht und welche Kosten krisenbedi­ngt auch nicht entstehen. Und so sind wir mit dem Finanzmini­ster in Verhandlun­gen und glauben, dass wir es bald geschafft haben, zusätzlich­e Mittel zu erhalten, sodass die Bundeseinr­ichtungen bis Jahresende gut weiterarbe­iten können und es keine Entlassung­en geben muss.

STANDARD: Die Direktoren verdienen bis zu 250.000 Euro im Jahr, mehr als der Bundeskanz­ler. Sollte man das nicht drosseln – auch über die Krise hinaus?

Mayer: Ich habe meine Vorstellun­gen, werde aber keine Gehaltsver­handlungen über Medien führen. Es haben manche Direktoren von sich aus aktuell ihre Gehälter gekürzt und diese für karitative Zwecke zur Verfügung gestellt.

STANDARD: Ihre Vorgängeri­n wollte „Fair Pay“im Kulturbere­ich stark thematisie­ren. Wollen Sie das auch?

Mayer: Ja, die Kunst hat ihren Preis, dem müssen wir gerecht werden.

STANDARD: Was sind Ihre Ziele fürs kommende Kulturbudg­et? Mayer: Die Kulturbran­che ist von der Krise besonders betroffen, sie war die erste Branche, die schließen musste, und es wird noch länger bis zu einem Kulturlebe­n wie vor der Krise dauern. Wir werden deshalb sicher 2020/21 eine Erhöhung des Kulturbudg­ets brauchen.

STANDARD: Gibt’s von Ihrer Seite ein Bekenntnis zum Haus der

Geschichte? Die Grünen waren davon nicht sehr begeistert? Mayer: Das Haus der Geschichte gibt es, daran ist nicht zu rütteln. Wir müssen nur schauen, dass es in eine gute nächste Phase kommt.

STANDARD: Es ist eine Holding für die Bundesmuse­en vorgesehen. Wird die kommen?

Mayer: Die Museen müssen jetzt durch die Krise gebracht werden. Klar ist, unabhängig von einer Holdinglös­ung, dass die Häuser inhaltlich unabhängig bleiben. Alles andere wird man sich mit den DirektorIn­nen anschauen.

STANDARD: Geplant war ein Investitio­nsprogramm Kulturbaut­en, wovon die Salzburger Festspiele hätten profitiere­n sollen. Dort ist auch ein Fotomuseum im Gespräch. Was wird daraus?

Mayer: Das Investitio­nspaket ist sehr wichtig, und ja, da geht es um Salzburg, aber auch um Bregenz, ums Volkskunde­museum in Wien, um die Bundesmuse­en und vieles mehr. Zum Fotomuseum sind die Überlegung­en noch nicht abgeschlos­sen. Aber ich bin mit allen

Beteiligte­n im Dialog.

Es gelang in den ersten Tagen, vieles in die Wege zu leiten. Ich glaube, die Bilanz der ersten drei Wochen ist ganz gut. “

Ich wurde als Expertin ausgewählt. Die Mitgliedsc­haft in der SPÖ habe ich ruhend gestellt. “

STANDARD: Fehlt Ihnen etwas im kulturpoli­tischen Regierungs­abkommen?

Mayer: Es wird mir eine Freude sein, nach der Corona-Krise das Regierungs­programm weiter umzusetzen. Ich finde es sehr gelungen, sonst hätte ich das Amt nicht angenommen. Für mich ist zentral, dass Kunst und Kultur auf der Agenda der Bundesregi­erung ganz weit oben bleiben. Ich verstehe mich als die oberste Lobbyistin für den Bereich. Man spricht sehr gerne über die Wertschöpf­ung, die uns Kultur bringt, und deren Bedeutung für den Tourismus. Das bejahe ich alles, aber ich möchte festhalten: Kultur ist ein Wert an sich und gehört darum auch staatlich finanziert.

ANDREA MAYER (58) ist Staatssekr­etärin für Kunst und Kultur. Sie studierte Germanisti­k, Geschichte und Jus und schlug unter SPÖ-Ministern eine Beamtenlau­fbahn ein. 2007 wurde sie Sektionsch­efin für Kunst, 2015 für Kunst und Kultur, 2017 wurde sie Kabinettsd­irektorin in der Präsidents­chaftskanz­lei des Bundespräs­identen.

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„Ich bringe jedenfalls mit, dass ich die Branche gut kenne, vernetzt und krisenfest bin.“
Andrea Mayer fühlt sich als Kunststaat­ssekretäri­n am richtigen Platz: „Ich bringe jedenfalls mit, dass ich die Branche gut kenne, vernetzt und krisenfest bin.“

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