Andrea Mayer über den Wert von Kultur
Kunst und Kultur seien Werte abseits des rein Ökonomischen, meint Andrea Mayer. Die Kunststaatssekretärin im Interview über den Finanzminister, faire Bezahlung und die Gehälter der Museumsdirektoren.
Nach dem Rücktritt von Ulrike Lunacek (Grüne), der es nicht vergönnt war, der Kulturbranche wirtschaftlich durch die Corona-Krise zu helfen, stand sie bereit: Andrea Mayer. Die Kulturexpertin wechselte von der Hofburg, wo sie die Kanzlei von Bundespräsident Alexander Van der Bellen leitete, auf den Concordiaplatz. Der dort ansässigen Kunst- und Kultursektion des Bundes stand Mayer schon einmal zwischen 2015 und 2017 als Sektionschefin vor, nun ist sie als neue Staatssekretärin auch politisch verantwortlich.
Drei Wochen ist sie im Amt, und seither ist viel passiert: Kultur darf eingeschränkt wieder stattfinden, die Finanzhilfen werden auf neue Beine gestellt. Mit über die Krisenbewältigung hinausgehenden Ideen hält sich Mayer im Interview noch zurück. Zum kulturpolitischen Regierungsabkommen bekennt sie sich aber vollinhaltlich. Und schon nächste Woche will sie neue Erleichterungen im Kulturbereich präsentieren.
STANDARD: Sie haben die Politik als Spitzenbeamtin viele Jahre backstage kennengelernt, nun stehen Sie selbst auf der Bühne: Ist das befreiend oder beängstigend? Mayer: Es ist jedenfalls eine große Veränderung, in der ersten Reihe zu stehen. Ich empfinde sehr viel Freude, dass man in dieser besonderen Phase für Kunst und Kultur viel zum Positiven bewirken kann. Aber natürlich verspüre ich auch die große Verantwortung und die große Erwartungshaltung.
STANDARD: Ihre Vorgängerin hätte sich unter normalen Bedingungen wohl mit der Zeit eingearbeitet. Hat die Krise gezeigt, dass Fachfremdheit ein Problem sein kann? Mayer: Ich bringe jedenfalls mit, dass ich die Branche gut kenne, vernetzt und krisenfest bin und Managementqualitäten habe. Das möchte ich zur Verfügung stellen, um als oberste Lobbyistin für die Branche tätig zu sein.
STANDARD: Sie selbst kommen aus der SPÖ, ist die Personaldecke der Grünen so dünn, dass man auf rotes Personal zurückgreifen muss? Mayer: Ich wurde als Expertin ausgewählt.
STANDARD: Sie sehen sich nicht als SPÖ-U-Boot in der Regierung? Mayer: Ich habe meine Parteimitgliedschaft ruhend gestellt.
STANDARD: Ist es nachteilig, dass für die Kultur nicht mehr ein Kanzleramtsminister, sondern eine Staatssekretärin zuständig ist?
Mayer: Ich sehe das nicht so. Es gibt ein Staatssekretariat und ein Kulturministerium unter Werner Kogler, der der zweitmächtigste Mann in der Regierung ist. Wir sind ein starkes Team und gut abgestimmt. Und Kunst und Kultur ist außerdem eine Aufgabe der gesamten Regierung.
STANDARD: Die Erwartungshaltung an Sie ist enorm hoch, aber ohne den Finanzminister im Boot wird wenig gehen. Wollen Sie Gernot Blümel, der einst Kulturminister war, bei der Ehre packen?
Mayer: Es ist mein Vorteil, dass ich alle Mitglieder der Bundesregierung durch meine Tätigkeit in der Hofburg kenne, auch Gernot Blümel. Er hat sicher ein offenes Ohr.
STANDARD: Kommen wir zu den Corona-Hilfen: Nach Lunaceks Rücktritt und Ihrem Antritt ging dann vieles sehr schnell. Das lag mit Verlaub wohl weniger an Ihnen als an der Erkenntnis in der ÖVP, dass man in diesem Bereich Nachholbedarf hat. Oder?
Mayer: Das lautstarke Melden der Kunstund Kulturbranche war vielleicht entscheidend. Bei meinem Antritt war mir klar, wo die Prioritäten zu setzen sind, ich konnte sie auch argumentieren, und ich habe so viel Zuspruch erfahren, dass es uns gelungen ist, gleich in den ersten Tag vieles in die Wege zu leiten: Die Lockerungen, die Überbrückungsfinanzierung für die Freischaffenden, das Paket für die Filmschaffenden, und jetzt folgen die nächsten Schritte. Also, ich glaube, die Bilanz der ersten drei Wochen ist ganz gut.
STANDARD: War die Abwicklung der Härtefallfonds-Hilfen über die WKO ein Griff ins Klo?
Mayer: Was sind Entscheidungen, die lang vor meinem Antritt getroffen wurden, und zwar nicht direkt in meinem Bereich. Ich hatte die Rückmeldung von den KünstlerInnen, dass sich viele vom Härtefallfonds nicht unterstützt fühlten und deswegen auch in einer Notlage sind. Es war klar: Wir müssen eine maßgeschneiderte, unbürokratische Lösung finden. Das ist in Form des Überbrückungsfinanzierungsfonds über die Sozialversicherung der Selbstständigen passiert. Im Kulturausschuss wurde der Fonds nun von allen Parteien beschlossen. Jetzt geht das durch den parlamentarischen Prozess, parallel arbeiten wir an der geplanten Abwicklung. Wir können beginnen, wenn das Gesetz beschlossen ist.
STANDARD: Das heißt: Ab Juli ... Mayer: ... kann man Anträge stellen und Geld empfangen.
STANDARD: Ausständig ist, ob Bundesmuseen und -theater höhere Basisabgeltungen bekommen, um die Millionenausfälle zu kompensieren. Wann kommt das? Mayer: Wir haben die Ausschüttung der Basisabgeltung vorgezogen, damit die Liquidität gesichert ist. Mit den Museen und Theatern haben wir eruiert, wie der Einnahmenentgang aussieht und welche Kosten krisenbedingt auch nicht entstehen. Und so sind wir mit dem Finanzminister in Verhandlungen und glauben, dass wir es bald geschafft haben, zusätzliche Mittel zu erhalten, sodass die Bundeseinrichtungen bis Jahresende gut weiterarbeiten können und es keine Entlassungen geben muss.
STANDARD: Die Direktoren verdienen bis zu 250.000 Euro im Jahr, mehr als der Bundeskanzler. Sollte man das nicht drosseln – auch über die Krise hinaus?
Mayer: Ich habe meine Vorstellungen, werde aber keine Gehaltsverhandlungen über Medien führen. Es haben manche Direktoren von sich aus aktuell ihre Gehälter gekürzt und diese für karitative Zwecke zur Verfügung gestellt.
STANDARD: Ihre Vorgängerin wollte „Fair Pay“im Kulturbereich stark thematisieren. Wollen Sie das auch?
Mayer: Ja, die Kunst hat ihren Preis, dem müssen wir gerecht werden.
STANDARD: Was sind Ihre Ziele fürs kommende Kulturbudget? Mayer: Die Kulturbranche ist von der Krise besonders betroffen, sie war die erste Branche, die schließen musste, und es wird noch länger bis zu einem Kulturleben wie vor der Krise dauern. Wir werden deshalb sicher 2020/21 eine Erhöhung des Kulturbudgets brauchen.
STANDARD: Gibt’s von Ihrer Seite ein Bekenntnis zum Haus der
Geschichte? Die Grünen waren davon nicht sehr begeistert? Mayer: Das Haus der Geschichte gibt es, daran ist nicht zu rütteln. Wir müssen nur schauen, dass es in eine gute nächste Phase kommt.
STANDARD: Es ist eine Holding für die Bundesmuseen vorgesehen. Wird die kommen?
Mayer: Die Museen müssen jetzt durch die Krise gebracht werden. Klar ist, unabhängig von einer Holdinglösung, dass die Häuser inhaltlich unabhängig bleiben. Alles andere wird man sich mit den DirektorInnen anschauen.
STANDARD: Geplant war ein Investitionsprogramm Kulturbauten, wovon die Salzburger Festspiele hätten profitieren sollen. Dort ist auch ein Fotomuseum im Gespräch. Was wird daraus?
Mayer: Das Investitionspaket ist sehr wichtig, und ja, da geht es um Salzburg, aber auch um Bregenz, ums Volkskundemuseum in Wien, um die Bundesmuseen und vieles mehr. Zum Fotomuseum sind die Überlegungen noch nicht abgeschlossen. Aber ich bin mit allen
Beteiligten im Dialog.
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Es gelang in den ersten Tagen, vieles in die Wege zu leiten. Ich glaube, die Bilanz der ersten drei Wochen ist ganz gut. “
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Ich wurde als Expertin ausgewählt. Die Mitgliedschaft in der SPÖ habe ich ruhend gestellt. “
STANDARD: Fehlt Ihnen etwas im kulturpolitischen Regierungsabkommen?
Mayer: Es wird mir eine Freude sein, nach der Corona-Krise das Regierungsprogramm weiter umzusetzen. Ich finde es sehr gelungen, sonst hätte ich das Amt nicht angenommen. Für mich ist zentral, dass Kunst und Kultur auf der Agenda der Bundesregierung ganz weit oben bleiben. Ich verstehe mich als die oberste Lobbyistin für den Bereich. Man spricht sehr gerne über die Wertschöpfung, die uns Kultur bringt, und deren Bedeutung für den Tourismus. Das bejahe ich alles, aber ich möchte festhalten: Kultur ist ein Wert an sich und gehört darum auch staatlich finanziert.
ANDREA MAYER (58) ist Staatssekretärin für Kunst und Kultur. Sie studierte Germanistik, Geschichte und Jus und schlug unter SPÖ-Ministern eine Beamtenlaufbahn ein. 2007 wurde sie Sektionschefin für Kunst, 2015 für Kunst und Kultur, 2017 wurde sie Kabinettsdirektorin in der Präsidentschaftskanzlei des Bundespräsidenten.