Der Standard

Justiz und Ermittler bekämpfen sich offen im Ibiza-Ausschuss

Anwalt sagt, er hätte Video auf Anfrage jederzeit an Behörden übermittel­t

- Fabian Schmid

– Die dieswöchig­en Befragunge­n im U-Ausschuss haben für eine Eskalation des schwelende­n Konflikts zwischen Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) und Soko Tape gesorgt. Die beiden Behörden, die gemeinsam in der Causa Ibiza ermitteln, halten sich gegenseiti­g eine Vielzahl an Verfehlung­en vor. Darüber wurde im U-Ausschuss auch offen von WKStA-Staatsanwa­lt Matthias P. und Soko-Chef Andreas Holzer gesprochen.

Hauptsächl­ich ärgert die WKStA, dass Ermittlung­sunterlage­n in schlechter Qualität übermittel­t wurden. Dabei hätte es zu einem „Beweismitt­elverlust“kommen können. Im Gegenzug weist die Soko darauf hin, dass die WKStA einzelne Ermittlung­sschritte ohne Rücksprach­e durchgefüh­rt habe.

Der Streit gipfelte darin, dass die Soko der WKStA nicht über den Fund des Ibiza-Videos Bescheid gab. Knapp elf Monate hatten die Behörden nach dem Video gefahndet. Das wäre womöglich gar nicht nötig gewesen: Johannes Eisenberg, Anwalt des mutmaßlich­en Videoregis­seurs J. H., hätte den Clip laut STANDARD- Informatio­nen auf Anfrage den Behörden zur Verfügung gestellt. Das bot er nun dem U-Ausschussv­orsitzende­n Wolfgang Sobotka (ÖVP) an. Der will darüber beraten. (red)

Es kracht in der heimischen Strafverfo­lgung. Die Zusammenar­beit sei „klar verbesseru­ngswürdig“, schreibt Andreas Holzer, Chef der Soko Tape, in einem internen Bericht. Oberstaats­anwalt Matthias P. von der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) war vor dem U-Ausschuss weniger diplomatis­ch: Seine Behörde fühlte sich von der Soko „brüskiert“, in einem internen Bericht beklagt er noch dazu „massive Unsorgfält­igkeiten bei der Digitalisi­erung der Unterlagen“. Worum geht es?

Als das Ibiza-Video im Mai 2019 auftaucht, stellen die Behörden rasch auf zweigleisi­ge Strukturen zur Strafverfo­lgung um. Die Staatsanwa­ltschaft Wien (StA Wien) kümmert sich um die Hintermänn­er des Videos und die Spesen-Affäre rund um Ex-Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache, während die WKStA die „Inhalte“des Videos samt ihrer Umsetzung, also mutmaßlich­e Korruption, untersuche­n soll. Beiden Staatsanwa­ltschaften liefert eine polizeilic­he Sonderkomm­ission zu, die Soko Tape. Sie ist für Einvernahm­en und Beweismitt­elsicherun­g sowohl in der Causa Ibiza-Video als auch in der Casinos-Affäre zuständig.

Schon seit Beginn der Ermittlung­en herrscht Misstrauen zwischen Soko und WKStA. Bereits die Besetzung der Soko sorgt für Skepsis bei den Staatsanwä­lten, sie vermuten parteipoli­tische – sprich: türkise – Einflussna­hme. Als Indiz dafür sehen sie das Verhalten der Polizei in der sogenannte­n Schreddera­ffäre. Da stellte der Polizist N. R., der einst politisch für die ÖVP aktiv war, keine Beweismitt­el in der ÖVP-Zentrale sicher. „Wir hätten uns Rücksprach­e erwartet“, sagte Staatsanwa­lt P. am Dienstag im U-Ausschuss. Allerdings gab es diese Rücksprach­e laut Soko sehr wohl.

In einem internen Bericht heißt es dort, dass eine WKStA-Staatsanwä­ltin „keine Anordnung zur Sicherstel­lung von Mobiltelef­onen o. Ä. anordnete“. Später musste Polizist N. R. die Soko verlassen, weil er sehr freundlich­e SMS mit Strache ausgetausc­ht hatte. Die Soko warf der WKStA vor, womöglich rechtswidr­ige strukturie­rte „Nachforsch­ungen“zu ihren Mitarbeite­rn durchgefüh­rt zu haben. Die WKStA wies einen Kurier- Bericht von sich, dass man Polizisten habe „beschatten“lassen.

Schlechte Scans

Die Soko übergab der WKStA im August 2019 einige sichergest­ellte Unterlagen. Diese hatte sie zuvor selbst eingescann­t. Die WKStA bat um die Scans, um erneute Arbeit zu vermeiden. Doch die waren so schlecht, dass es „uns die Augen rausgehaut hat“, sagte P. im U-Ausschuss.

Ein Vergleich mit den Originalen ergab, dass wichtige Passagen unlesbar waren, etwa ein Kalenderei­ntrag, der ein Treffen von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit den Casinos-Aufsichtsr­äten Walter Rothenstei­ner und Josef Pröll zeigt. Rothenstei­ner und Pröll sind Beschuldig­te, es gilt die Unschuldsv­ermutung. Aus der Soko heißt es dazu, dass die WKStA jederzeit Zugriff auf die Originale gehabt hätte und man für schlechte Scanner nichts könne. Man habe nur Sicherungs­scans erstellt, erklärte Holzer.

Auch am Verhalten des jeweils anderen bei Hausdurchs­uchungen stoßen sich Soko Tape und WKStA. P. sagte im U-Ausschuss, die Soko habe das entsperrte Handy von Strache so lange liegen lassen, bis es sich wieder versperrte – nur durch Kooperatio­n des einstigen Vizekanzle­rs sei es wieder geöffnet worden. Holzer sagt dazu, der Auftrag sei gewesen, die Geräte im Flugmodus abzugeben, das hätten die Beamten auch erfüllt. Im Gegenzug ärgerte die Soko, dass der WKStA-Staatsanwa­lt A. bei der Hausdurchs­uchung gemeinsam mit Strache „private Chats“von dessen Smartphone löschte, ohne die Soko zu konsultier­en. Auch sei dessen Fahrtendie­nst „während der Vollziehun­g der Hausdurchs­uchung bei Strache anwesend“gewesen.

Auch bei der Auswertung der sichergest­ellten Handys gab es

Probleme. So soll die Soko Geräte zu früh zurückgege­ben haben, die WKStA spricht von einem „allfällige­n Beweismitt­elverlust“. Vor dem U-Ausschuss brüstete sich die WKStA mit ihren eigenen technische­n Fähigkeite­n. Im Gegenzug wirft die Soko der WKStA vor, trotz einer gerichtlic­hen Bewilligun­g mit Hausdurchs­uchungen gewartet zu haben.

„Die WKStA setzte ohne Rücksprach­e mit den zuständige­n Beamten der Soko Tape oder zumindest Informatio­nen darüber aus eigenem Antrieb Ermittlung­sschritte“, beschwert sich der Soko-Chef in einem Bericht.

Die Animosität­en kulminiert­en darin, dass die WKStA aus den Medien von dem Fund des IbizaVideo­s durch die Soko Tape erfuhr – der bereits am 20. April erfolgt war. Man habe sich „brüskiert“gefühlt, sagte Staatsanwa­lt P. dazu. Die Soko verweist darauf, dass die Staatsanwa­ltschaft (StA) Wien jene Hausdurchs­uchung angeordnet habe, bei der die Speicherka­rten mit dem Ibiza-Video sichergest­ellt wurden. Der StA Wien habe man sofort Bescheid gegeben – und diese hätte ja die WKStA und die Justizmini­sterin informiere­n können.

Soko-Leiter Holzer, soll nochmals zu den Ermittlung­sständen befragt werden.

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Oberstaats­anwalt P. (links) ist von der Arbeit der Soko Tape nicht besonders angetan. Das gilt umgekehrt genauso, zeigte die Befragung von Soko-Chef Holzer (rechts).
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