Justiz und Ermittler bekämpfen sich offen im Ibiza-Ausschuss
Anwalt sagt, er hätte Video auf Anfrage jederzeit an Behörden übermittelt
– Die dieswöchigen Befragungen im U-Ausschuss haben für eine Eskalation des schwelenden Konflikts zwischen Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und Soko Tape gesorgt. Die beiden Behörden, die gemeinsam in der Causa Ibiza ermitteln, halten sich gegenseitig eine Vielzahl an Verfehlungen vor. Darüber wurde im U-Ausschuss auch offen von WKStA-Staatsanwalt Matthias P. und Soko-Chef Andreas Holzer gesprochen.
Hauptsächlich ärgert die WKStA, dass Ermittlungsunterlagen in schlechter Qualität übermittelt wurden. Dabei hätte es zu einem „Beweismittelverlust“kommen können. Im Gegenzug weist die Soko darauf hin, dass die WKStA einzelne Ermittlungsschritte ohne Rücksprache durchgeführt habe.
Der Streit gipfelte darin, dass die Soko der WKStA nicht über den Fund des Ibiza-Videos Bescheid gab. Knapp elf Monate hatten die Behörden nach dem Video gefahndet. Das wäre womöglich gar nicht nötig gewesen: Johannes Eisenberg, Anwalt des mutmaßlichen Videoregisseurs J. H., hätte den Clip laut STANDARD- Informationen auf Anfrage den Behörden zur Verfügung gestellt. Das bot er nun dem U-Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP) an. Der will darüber beraten. (red)
Es kracht in der heimischen Strafverfolgung. Die Zusammenarbeit sei „klar verbesserungswürdig“, schreibt Andreas Holzer, Chef der Soko Tape, in einem internen Bericht. Oberstaatsanwalt Matthias P. von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) war vor dem U-Ausschuss weniger diplomatisch: Seine Behörde fühlte sich von der Soko „brüskiert“, in einem internen Bericht beklagt er noch dazu „massive Unsorgfältigkeiten bei der Digitalisierung der Unterlagen“. Worum geht es?
Als das Ibiza-Video im Mai 2019 auftaucht, stellen die Behörden rasch auf zweigleisige Strukturen zur Strafverfolgung um. Die Staatsanwaltschaft Wien (StA Wien) kümmert sich um die Hintermänner des Videos und die Spesen-Affäre rund um Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, während die WKStA die „Inhalte“des Videos samt ihrer Umsetzung, also mutmaßliche Korruption, untersuchen soll. Beiden Staatsanwaltschaften liefert eine polizeiliche Sonderkommission zu, die Soko Tape. Sie ist für Einvernahmen und Beweismittelsicherung sowohl in der Causa Ibiza-Video als auch in der Casinos-Affäre zuständig.
Schon seit Beginn der Ermittlungen herrscht Misstrauen zwischen Soko und WKStA. Bereits die Besetzung der Soko sorgt für Skepsis bei den Staatsanwälten, sie vermuten parteipolitische – sprich: türkise – Einflussnahme. Als Indiz dafür sehen sie das Verhalten der Polizei in der sogenannten Schredderaffäre. Da stellte der Polizist N. R., der einst politisch für die ÖVP aktiv war, keine Beweismittel in der ÖVP-Zentrale sicher. „Wir hätten uns Rücksprache erwartet“, sagte Staatsanwalt P. am Dienstag im U-Ausschuss. Allerdings gab es diese Rücksprache laut Soko sehr wohl.
In einem internen Bericht heißt es dort, dass eine WKStA-Staatsanwältin „keine Anordnung zur Sicherstellung von Mobiltelefonen o. Ä. anordnete“. Später musste Polizist N. R. die Soko verlassen, weil er sehr freundliche SMS mit Strache ausgetauscht hatte. Die Soko warf der WKStA vor, womöglich rechtswidrige strukturierte „Nachforschungen“zu ihren Mitarbeitern durchgeführt zu haben. Die WKStA wies einen Kurier- Bericht von sich, dass man Polizisten habe „beschatten“lassen.
Schlechte Scans
Die Soko übergab der WKStA im August 2019 einige sichergestellte Unterlagen. Diese hatte sie zuvor selbst eingescannt. Die WKStA bat um die Scans, um erneute Arbeit zu vermeiden. Doch die waren so schlecht, dass es „uns die Augen rausgehaut hat“, sagte P. im U-Ausschuss.
Ein Vergleich mit den Originalen ergab, dass wichtige Passagen unlesbar waren, etwa ein Kalendereintrag, der ein Treffen von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit den Casinos-Aufsichtsräten Walter Rothensteiner und Josef Pröll zeigt. Rothensteiner und Pröll sind Beschuldigte, es gilt die Unschuldsvermutung. Aus der Soko heißt es dazu, dass die WKStA jederzeit Zugriff auf die Originale gehabt hätte und man für schlechte Scanner nichts könne. Man habe nur Sicherungsscans erstellt, erklärte Holzer.
Auch am Verhalten des jeweils anderen bei Hausdurchsuchungen stoßen sich Soko Tape und WKStA. P. sagte im U-Ausschuss, die Soko habe das entsperrte Handy von Strache so lange liegen lassen, bis es sich wieder versperrte – nur durch Kooperation des einstigen Vizekanzlers sei es wieder geöffnet worden. Holzer sagt dazu, der Auftrag sei gewesen, die Geräte im Flugmodus abzugeben, das hätten die Beamten auch erfüllt. Im Gegenzug ärgerte die Soko, dass der WKStA-Staatsanwalt A. bei der Hausdurchsuchung gemeinsam mit Strache „private Chats“von dessen Smartphone löschte, ohne die Soko zu konsultieren. Auch sei dessen Fahrtendienst „während der Vollziehung der Hausdurchsuchung bei Strache anwesend“gewesen.
Auch bei der Auswertung der sichergestellten Handys gab es
Probleme. So soll die Soko Geräte zu früh zurückgegeben haben, die WKStA spricht von einem „allfälligen Beweismittelverlust“. Vor dem U-Ausschuss brüstete sich die WKStA mit ihren eigenen technischen Fähigkeiten. Im Gegenzug wirft die Soko der WKStA vor, trotz einer gerichtlichen Bewilligung mit Hausdurchsuchungen gewartet zu haben.
„Die WKStA setzte ohne Rücksprache mit den zuständigen Beamten der Soko Tape oder zumindest Informationen darüber aus eigenem Antrieb Ermittlungsschritte“, beschwert sich der Soko-Chef in einem Bericht.
Die Animositäten kulminierten darin, dass die WKStA aus den Medien von dem Fund des IbizaVideos durch die Soko Tape erfuhr – der bereits am 20. April erfolgt war. Man habe sich „brüskiert“gefühlt, sagte Staatsanwalt P. dazu. Die Soko verweist darauf, dass die Staatsanwaltschaft (StA) Wien jene Hausdurchsuchung angeordnet habe, bei der die Speicherkarten mit dem Ibiza-Video sichergestellt wurden. Der StA Wien habe man sofort Bescheid gegeben – und diese hätte ja die WKStA und die Justizministerin informieren können.
Soko-Leiter Holzer, soll nochmals zu den Ermittlungsständen befragt werden.