Orbáns Fidesz provoziert Ausschluss aus der EVP
Katalin Novák, die Vizepräsidentin der Fidesz-Partei, hatte in einem Tweet von einer Suspendierung der Mitgliedschaft in der EVP-Fraktion gesprochen, diesen dann aber geändert. Das sorgt für neuen Streit.
Der Streit zwischen der Fidesz-Partei von Viktor Orbán und ihrer Dachpartei auf europäischer Ebene, der Europäischen Volkspartei (EVP), ist seit Donnerstag um eine skurrile Facette reicher. Für kurze Zeit sah es so aus, als würden die zwölf EUAbgeordneten von Fidesz einen Schlussstrich ziehen und die Parteifamilie der Christdemokraten aus eigenem Antrieb verlassen.
Am Vormittag gab Katalin Novák, Vizepräsidentin der Partei und Staatssekretärin, überraschend via Twitter bekannt: „Wir haben entschieden, die Mitgliedschaft in der EVP-Fraktion zu suspendieren“– also im EVP-Klub im Europäischen Parlament. Die Fraktion gehe „in eine liberale, linke Richtung“. Es stelle sich die Frage, ob die EVP die christliche Kultur respektiere, eine Linie gegen Migration und für die Familie einschlage.
Ein Sprecher der EVP-Fraktion zeigte sich irritiert. Einer „Suspendierung“der Mitgliedschaft eines Abgeordneten, sei es durch ihn selbst oder die Fraktionsführung, sei in den Statuten gar nicht vorgesehen. Er wies darauf hin, dass die Fidesz als Partei seit einem Jahr in der europäischen Dachpartei suspendiert sei.
Konfusion um Suspendierung
Kaum war dies zu ihr durchgedrungen, machte Novák einen Rückzieher. Sie korrigierte den Tweet, indem sie die „Suspendierung“der Mitgliedschaft „in der EVP-Fraktion“durch „in der EVP“ersetzte. Das wurde mit einem „Irrtum“erklärt, hatte aber wohl den Sinn, gegen EVP-Präsident Donald Tusk zu polemisieren.
Seit einem Jahr tobt bereits ein Streit um einen möglichen Ausschluss der Fidesz aus der Dachpartei, weil der ungarische Premier Viktor Orbán ständig mit antieuropäischer Rhetorik und Verstößen gegen EU-Grundrechte auffiel. Vor den Europawahlen im Mai 2019 wurde die Fidesz auf Antrag von EVP-Fraktionschef Manfred Weber suspendiert und ein Weisenrat, bestehend aus drei prominenten Christdemokraten, eingesetzt, darunter Österreichs Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel. Weil man sich nicht einigen konnte, fehlt der Bericht der Weisen bis heute.
Der Pole Tusk, der frühere Ständige Präsident des Europäischen Rats, der erst seit ein paar Monaten EVP-Präsident ist, hatte immer für eine harte Linie gegen Orbán plädiert, genauso wie Ex-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der offensiv den Rauswurf der Fidesz gefordert hatte.
Die Tweets von Novák weisen auch darauf hin, dass es dieser vor allem um Attacken gegen Tusk ging. Sie betonte, dass die Fidesz immer „konstruktiv zusammengearbeitet“und alle Fragen der Weisen beantwortet habe. In der EVP gebe es aber nur Konfusion und Missverständnisse. Tusk habe „die Krise nicht lösen können“.
Wie geht es weiter? In der EVP wird der Vorstoß als weiterer Versuch der Fidesz gesehen, einen baldigen Ausschluss zu provozieren, damit Orbán sich dann als Opfer und „Retter des Abendlandes“vor den „linken Christdemokraten“präsentieren könne. Vermutlich würde er dann versuchen, sich im EU-Parlament der Fraktion der EU-skeptischen Konservativen anzuschließen, die derzeit von der polnischen PiS dominiert wird, nachdem die britischen Tories mit dem Brexit im Februar ausgeschieden sind.