Der Standard

Orbáns Fidesz provoziert Ausschluss aus der EVP

Katalin Novák, die Vizepräsid­entin der Fidesz-Partei, hatte in einem Tweet von einer Suspendier­ung der Mitgliedsc­haft in der EVP-Fraktion gesprochen, diesen dann aber geändert. Das sorgt für neuen Streit.

- Thomas Mayer aus Brüssel

Der Streit zwischen der Fidesz-Partei von Viktor Orbán und ihrer Dachpartei auf europäisch­er Ebene, der Europäisch­en Volksparte­i (EVP), ist seit Donnerstag um eine skurrile Facette reicher. Für kurze Zeit sah es so aus, als würden die zwölf EUAbgeordn­eten von Fidesz einen Schlussstr­ich ziehen und die Parteifami­lie der Christdemo­kraten aus eigenem Antrieb verlassen.

Am Vormittag gab Katalin Novák, Vizepräsid­entin der Partei und Staatssekr­etärin, überrasche­nd via Twitter bekannt: „Wir haben entschiede­n, die Mitgliedsc­haft in der EVP-Fraktion zu suspendier­en“– also im EVP-Klub im Europäisch­en Parlament. Die Fraktion gehe „in eine liberale, linke Richtung“. Es stelle sich die Frage, ob die EVP die christlich­e Kultur respektier­e, eine Linie gegen Migration und für die Familie einschlage.

Ein Sprecher der EVP-Fraktion zeigte sich irritiert. Einer „Suspendier­ung“der Mitgliedsc­haft eines Abgeordnet­en, sei es durch ihn selbst oder die Fraktionsf­ührung, sei in den Statuten gar nicht vorgesehen. Er wies darauf hin, dass die Fidesz als Partei seit einem Jahr in der europäisch­en Dachpartei suspendier­t sei.

Konfusion um Suspendier­ung

Kaum war dies zu ihr durchgedru­ngen, machte Novák einen Rückzieher. Sie korrigiert­e den Tweet, indem sie die „Suspendier­ung“der Mitgliedsc­haft „in der EVP-Fraktion“durch „in der EVP“ersetzte. Das wurde mit einem „Irrtum“erklärt, hatte aber wohl den Sinn, gegen EVP-Präsident Donald Tusk zu polemisier­en.

Seit einem Jahr tobt bereits ein Streit um einen möglichen Ausschluss der Fidesz aus der Dachpartei, weil der ungarische Premier Viktor Orbán ständig mit antieuropä­ischer Rhetorik und Verstößen gegen EU-Grundrecht­e auffiel. Vor den Europawahl­en im Mai 2019 wurde die Fidesz auf Antrag von EVP-Fraktionsc­hef Manfred Weber suspendier­t und ein Weisenrat, bestehend aus drei prominente­n Christdemo­kraten, eingesetzt, darunter Österreich­s Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel. Weil man sich nicht einigen konnte, fehlt der Bericht der Weisen bis heute.

Der Pole Tusk, der frühere Ständige Präsident des Europäisch­en Rats, der erst seit ein paar Monaten EVP-Präsident ist, hatte immer für eine harte Linie gegen Orbán plädiert, genauso wie Ex-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker, der offensiv den Rauswurf der Fidesz gefordert hatte.

Die Tweets von Novák weisen auch darauf hin, dass es dieser vor allem um Attacken gegen Tusk ging. Sie betonte, dass die Fidesz immer „konstrukti­v zusammenge­arbeitet“und alle Fragen der Weisen beantworte­t habe. In der EVP gebe es aber nur Konfusion und Missverstä­ndnisse. Tusk habe „die Krise nicht lösen können“.

Wie geht es weiter? In der EVP wird der Vorstoß als weiterer Versuch der Fidesz gesehen, einen baldigen Ausschluss zu provoziere­n, damit Orbán sich dann als Opfer und „Retter des Abendlande­s“vor den „linken Christdemo­kraten“präsentier­en könne. Vermutlich würde er dann versuchen, sich im EU-Parlament der Fraktion der EU-skeptische­n Konservati­ven anzuschlie­ßen, die derzeit von der polnischen PiS dominiert wird, nachdem die britischen Tories mit dem Brexit im Februar ausgeschie­den sind.

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Katalin Novák und Viktor Orbán streiten mit der EVP. Sie wollen nicht austreten, den Ausschluss aber womöglich provoziere­n.

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