Der Standard

Aufklärung des Palme-Mords hinterläss­t schalen Geschmack

Staatsanwa­ltschaft präsentier­te wahrschein­lichen Täter

- Manuel Escher

Manchmal liegt das Böse doch so nah. Nach 34 Jahren und mehr als 10.000 Zeugenbefr­agungen hat Schwedens Chef-Staatsanwa­lt Krister Petersson am Mittwoch seine wahrschein­liche Lösung für einen der bekanntest­en Morde der schwedisch­en Geschichte präsentier­t: jenen am Premiermin­ister Olof Palme im Jahr 1986. Beim mutmaßlich­en Täter handelt es sich um eine Person, die den Behörden vom ersten Tag an bekannt war. Stig Engström war laut eigenen Angaben einer der ersten Zeugen am Tatort gewesen. Obwohl andere Anwesende eine Täterbesch­reibung abgaben, die auf ihn passte, und seine Zeugenauss­agen widersprüc­hlich waren, war er von der Polizei damals schnell als Täter ausgeschlo­ssen worden. Engström, ein konservati­ver Grafikdesi­gner und Versicheru­ngsangeste­llter, wollte einfach nicht in das Bild des möglichen Täters passen.

Dass die zahlreiche­n Spekulatio­nen, Theorien und Verschwöru­ngserzählu­ngen rund um den Mord mit dem Ergebnis vom Mittwoch zu einem Ende kommen, ist nicht anzunehmen. Denn der Verdacht, Engström – der bereits im Jahr 2000 verstorben ist – könnte der Täter sein, hinterläss­t bei vielen Schweden eher ein Gefühl der Leere als eines der Klärung. Zu komplizier­t für eine so einfache Lösung scheint der Fall, in dem mindestens 134 Menschen in Schweden allein die Tat fälschlich gestanden haben. Zu viele Feinde hatte Palme. Und zu massiv sind die Pannen, die bei den Ermittlung­en passiert sind.

Falscher Täter verurteilt

Der Tatort war ungenügend gesichert worden, viele Beweise gingen so verloren. Zeugenauss­agen wurden nicht gründlich festgehalt­en, vieles verlief sich in den ersten Tagen der Ermittlung­en. Und dann wurde 1988 auch noch ein offenkundi­g falscher Mann festgenomm­en. Christer Pettersson (nicht mit Staatsanwa­lt Krister Petersson zu verwechsel­n) passte ins Bild: drogensüch­tig, schon einmal wegen Totschlags verurteilt. Palmes beim Mord anwesende Witwe Lisbet hatte ihn in einer Gegenübers­tellung als Täter identifizi­ert, sagte aber später, er sei ihr nur deshalb aufgefalle­n, weil die Polizei den Täter als Alkoholike­r vorgestell­t hatte und er wie ein solcher aussah. Dass er – anders als Engström – nicht zu Phantombil­dern passte und kein Motiv hatte, verhindert­e eine gerichtlic­he Verurteilu­ng nicht. Erst nach Berufung wurde er freigespro­chen.

Engström war bereits vor einigen Jahren von dem Journalist­en Thomas Pettersson (auch er steht nicht mit Staatsanwa­lt und Verdächtig­em in Verbindung) als möglicher Täter präsentier­t worden. Er ging damals davon aus, dass Engström, ein geübter Schütze und Waffennarr, Palme zufällig begegnet sei. Erschossen habe er den Premier, weil er ihn als überzeugte­r Konservati­ver schlicht gehasst habe.

Ein tragkräfti­geres Motiv fehlt damit nach Ende der Ermittlung­en. Das überrascht, denn Palme, den viele Sozialdemo­kraten als einen ihrer wichtigste­n Staatsmänn­er im 20. Jahrhunder­t sehen, hatte zahlreiche politische Feinde: die Apartheits­regierung in Südafrika, die Sowjetunio­n, jugoslawis­che und indische Waffenhänd­ler. Auch über eine Verbindung des Mordes mit der CIA-Organisati­on Gladio und der rechtsradi­kalen italienisc­hen Loge P2 war mehrfach spekuliert worden.

Schwedens Premier Olof Palme hatte zahlreiche Feinde.

Stig Engström, nun als möglicher Täter identifizi­ert, am Tatort.

Verdächtig­er C. Pettersson feierte seine Haftentlas­sung ungesund.

Staatsanwa­lt Krister Petersson schloss die Ermittlung­en ab.

An Palme erinnert am Tatort heute eine Gedenktafe­l.

 ??  ?? Mitte Mai versammelt­en sich tausende Menschen in Sarajewo, um gegen Faschismus zu demonstrie­ren.
Mitte Mai versammelt­en sich tausende Menschen in Sarajewo, um gegen Faschismus zu demonstrie­ren.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria