Der Standard

Schwierige­s Erinnern mit und ohne Bleiburg

In Kroatien wird darüber nachgedach­t, wie man der Verbrechen der Jugoslawis­chen Armee im Sommer 1945 gedenken kann, falls die umstritten­e Veranstalt­ung in Bleiburg künftig nicht mehr stattfinde­t.

- Adelheid Wölfl

Kaum ein anderes historisch­es Ereignis polarisier­t derart. Heuer fand das Treffen in Bleiburg wegen der CoronaKris­e nicht statt. Offen ist, wie in Zukunft dessen gedacht werden könnte, dass die Jugoslawis­che Armee 1945 etwa 60.000 Personen, darunter Slowenen, Kroaten, Bosnier, Montenegri­ner, Serben, Österreich­er und Kosaken erschoss – die meisten auf heute slowenisch­em Territoriu­m. Viele dieser Leute gehörten Heimwehren, Ustascha und Tschetniks an, manche waren aber Zivilisten.

Grüne, SPÖ, ÖVP und die Neos wollen das Treffen in Bleiburg künftig ganz verhindern. Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) hat nun eine interdiszi­plinäre Arbeitsgru­ppe eingesetzt. Geplant waren für Mai die „Bleiburger Dialogtage“, um Gespräche zwischen Gegnern und Befürworte­rn des Gedenkens zu ermögliche­n. Doch die Pandemie verhindert­e dies.

Der Historiker Vjeran Pavlakovic von der Universitä­t Rijeka verweist auf die Idee, das Gedenken an einem anderen Ort zu verlegen, etwa nach Tezno in der Nähe von

Maribor. Dort wurde 1999 beim Bau der Autobahn ein Massengrab entdeckt, in dem Skelette von 1179 Menschen gefunden wurden. Es handelte sich großteils um Armeeangeh­örige des faschistis­chen NDH-Staates.

Kroatiens Präsident Zoran Milanovic meint, an einem solchen Ort der Verbrechen der Kommuniste­n gedenken zu können. Bleiburg in Kärnten wurde von Ex-Offizieren der Ustascha ja nur deshalb gewählt, weil es im kommunisti­schen Jugoslawie­n verboten war, an Verbrechen der Partisanen zu erinnern. In Bleiburg selbst wurden geschätzt etwa 40 bis 50 Personen getötet, so Pavlakovic.

Von Rechtsextr­emen gekapert

Die Gemeinde ist nicht nur als Erinnerung­sort wenig geeignet, weil die Massenverb­rechen woanders stattfande­n, vor allem aber wurde das Gedenken in Bleiburg durch die extremen Rechten „vergiftet“und „gekapert“, wie Pavlakovic meint. Es sei nicht nachvollzi­ehbar, weshalb die kroatische Regierung das „monopolisi­erte Narrativ“eines privaten Vereins finanziere. Aber auch die politische Linke habe eine Mitverantw­ortung. Denn sie habe sich in der Vergangenh­eit nicht um eine andere Art des Gedenkens bemüht.

Pavlakovic schätzt, dass 40 Prozent der Besucher in Bleiburg ein „authentisc­hes Anliegen“hätten, weil etwa Angehörige von ihnen Opfer des Kommunismu­s waren. Für weitere circa 40 Prozent würde Bleiburg zum nationalis­tischen Narrativ der kroatische­n Nation passen. Zehn bis 20 Prozent der Besucher würden Anhänger von rechtsextr­emen Ideologien sein.

In den vergangene­n Jahren habe es der politische­n Rechten in Kroatien aber geholfen, dass das Gedenken nach Österreich ausgelager­t war, denn damit konnte auch das problemati­sche Verhalten einiger Teilnehmer exportiert werden, meint der Historiker. Er zeigt Verständni­s dafür, dass Österreich die Veranstalt­ung verbieten will. In Kroatien selbst hat das Institut für Geschichte zu dem Thema geforscht, doch die wissenscha­ftliche Arbeit sei noch nicht ausreichen­d in die Politik eingefloss­en.

Newspapers in German

Newspapers from Austria