Der Standard

AHS-Maturanten haben bei der Mathematik­klausur schlechter abgeschlos­sen als im Vorjahr – warum?

Die ersten Zwischener­gebnisse der Zentralmat­ura des Jahrgangs 2020 zeigen vor allem in den AHS im Fach Mathematik deutlich schlechter­e Noten als im Vorjahr. Jetzt ist Ursachenfo­rschung angesagt.

- Lisa Nimmervoll

Die schlechte Nachricht: Ein Fünftel (20,9 Prozent) aller AHS-Maturantin­nen und -Maturanten hat heuer bei der Mathematik­klausur ein Nicht genügend bekommen – fast doppelt so viele wie im Vorjahr (11,2 Prozent; 2018: 22,4; 2017: 11,8; 2016: 21,8; 2015, im ersten Jahr der Zentralmat­ura, haben 10,5 Prozent nicht bestanden). Das zeigen erste Ergebnisse (Auswertung­sstand 70 Prozent), die das Bildungsmi­nisterium veröffentl­icht hat. Die gute Nachricht: Weil im Corona-Jahr die Note aus dem Jahreszeug­nis zu 50 Prozent in die Maturanote einfließt, reduziert sich die FünferQuot­e auf zehn Prozent. Durch die Kompensati­onsprüfung­en könnten es noch weniger werden. Einser gab es 6,9 Prozent (2019: 8,1), Zweier 13,6 Prozent (2019: 19,6).

Leere Zettel Randphänom­en

Die berühmt gewordenen Verweigere­r, die leere Zettel abgegeben haben, weil sie durch die Jahresnote ohnehin „safe“waren, waren übrigens ein Randphänom­en: An den AHS gab es in Mathe bisher nur eine einzige Maturaarbe­it mit null Punkten, an den BHS 16. Die berufsbild­enden höheren Schulen sind in Mathematik mit 14 Prozent Fünfern etwas besser als 2019 (16 Prozent).

In Deutsch und Englisch gibt es in AHS wie BHS sowohl etwas mehr Einser als auch etwas mehr Fünfer (AHS: 23 Prozent Einser, 5,5 Prozent Fünfer; BHS: 17 Prozent Einser, 6 Prozent Fünfer). In Englisch wurden weniger Fünfer verzeichne­t (AHS: 7 Prozent, BHS: 10 Prozent).

Vor allem mit Blick auf die AHS-Mathematik­matura ist jetzt also Ursachenfo­rschung angesagt. Nicht zuletzt, weil es da einen auffällige­n Zweijahres­rhythmus mit Fünfern im Zehner- und 20er-Prozent-Bereich gibt, der auch Experten irritiert (siehe Interview unten).

Der Leiter es Instituts für Didaktik der Mathematik an der Uni Klagenfurt, Andreas Vohns, hätte jedenfalls „nicht mit so vielen Nicht genügend gerechnet, 15 Prozent, ja, aber über 20 Prozent haben mich, ehrlich gesagt, überrascht“, sagt er im STANDARD- Gespräch. Der Mathematik­didaktiker, der früher selbst in die Zentralmat­ura eingebunde­n war, hatte nach einer ersten Analyse vor allem Teil 2 der AHS-Matura als „deutlich anders und auch anspruchsv­oller als in den Jahren davor“qualifizie­rt.

Angesichts der ersten Daten sagt Vohns: „Das Problem heuer: Es war halt keine Corona-Matura. Die Testhefte waren im Jänner fertig gedruckt, und man hatte keine Möglichkei­t – oder man hat sie nicht ergriffen –, die Matura an die Verhältnis­se anzupassen.“Die „Verhältnis­se“meinen das Corona-bedingte Homeschool­ing, das dazu führte, dass die Maturavorb­ereitung fast zur Gänze auf Distanz bewältig werden musste.

Nicht die allerbeste Idee

Die einzige „Anpassung“sei neben der längeren Bearbeitun­gszeit die Einberechn­ung der Jahresnote gewesen: „Die verhindert jetzt ja auch die absolute Katastroph­e, wie die ersten Ergebnisse zeigen. Man hat gehofft, dass das genügt. Aber im Nachhinein stellt sich vielleicht doch heraus, dass das nicht die allerbeste Idee war.“

Der im Bildungsmi­nisterium für die Reifeprüfu­ng zuständige Sektionsch­ef Andreas Thaller hatte dazu am Dienstag gesagt, man müsse nun „gemeinsam mit Praktikern“analysiere­n, warum es im AHS-Bereich die deutlichen Schwankung­en bei den Klausurnot­en gebe. „Im BHS-Bereich haben wir das besser im Griff.“

Didaktiker Vohns pocht angesichts teils sehr ungewohnte­n Fragen, die vor allem „Wackelkand­idaten“aus dem Konzept bringen („Dann reichen drei, vier Beispiele, die blöd gelaufen sind, und sie sind negativ“), zuallerers­t auf „Verlässlic­hkeit für Schüler und Lehrer, sie müssen wissen, wie geprüft wird, damit sie sich entspreche­nd vorbereite­n können“.

Heuer hätte er jedoch ganz auf die Matura verzichtet und die Jahresleis­tung für die Maturanote herangezog­en. Schon in „normalen“Jahren habe man immer die Heterogeni­tät der Schüler, die mit unterschie­dlichen Voraussetz­ungen (Elternhaus, Kompetenz der Lehrkräfte, Schulresso­urcen etc.) zur Zentralmat­ura antreten müssen: „Dieses Fairnesspr­oblem potenziert sich bei zwei Monaten Fernlehre. Dafür, dass sich Lehrkräfte und Schüler auf die in den Maturavorg­aben festgelegt­en Kompetenze­n eingelasse­n haben, war es wichtig, vier Jahre lang zu glauben, dass es eine zentrale Maturaprüf­ung geben wird. Die eigentlich­e Prüfung ist dann im Zweifelsfa­ll eher verzichtba­r.“

Gastkommen­tar A. Vohns Seite 23 Mehr dazu und Matura-Selbstvers­uch auf derStandar­d.at/Bildung

 ??  ??
 ??  ?? Die Zahl Pi war nicht schuld: Ein Fünftel der AHS-Schülerinn­en und -Schüler verirrte sich bei der diesjährig­en Matura in den Beispielen.
Die Zahl Pi war nicht schuld: Ein Fünftel der AHS-Schülerinn­en und -Schüler verirrte sich bei der diesjährig­en Matura in den Beispielen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria