Der Standard

Besuch der neuen Hausbar im Künstlerha­us

Weil Cocktailba­r und Virenkrise sich eher ausschließ­en, wurde die neue Hausbar im Künstlerha­us derweil einmal zum guten Restaurant.

- RESTAURANT­KRITIK: Severin Corti

Eigentlich sollte das Souterrain des Künstlerha­uses (Albertina modern) nach der Übernahme durch die Ludwig-&-AdeleMache­r um Luke Bereuter eine junge Cocktailba­r samt nachttaugl­ichem Gastgarten werden. Ist auch eine gute Idee: Ein Souterrain­lokal mit Terrasse, aber ohne lärmsensib­le Nachbarsch­aft spielt seinen Trumpf schließlic­h am ehesten spätabends aus.

Insgesamt betreiben Bereuter und Co mit ihren Lokalen im Künstlerha­us 400 Outdoor-Sitzplätze. In normalen Sommern mag das nach einigermaß­en gmahder Wiesn klingen. Heuer, noch dazu ohne Touristen, wächst es sich zur existenzie­llen Herausford­erung aus. Dann auch noch eine reine Cocktailba­r aufzusperr­en erschien Bereuter angesichts der regierungs­seits ursprüngli­ch verordnete­n, fürs Nachtgesch­äft quasi spätnachmi­ttäglichen Sperrstund­e von 23 Uhr wie ein Bauchfleck mit Anlauf. Die nagelneue Hütte einfach dichtzumac­hen und die – wirklich famosen – Barkeeper im Covid-19-Regen stehen lassen war aber auch keine Option.

Also wurde die Hausbar samt dem angenehm kühlen Gastgarten auf die Schnelle zum Fine-Dining-Spot umgemodelt. Schließlic­h verstehen sich die Küchenchef­s Parvin Razavi und Oliver Mohl darauf, weltläufig unbekümmer­t draufloszu­kochen – mit jenem Schliff freilich, der einem in Hütten wie der Roten Wand in Lech oder dem Nomad in New York eben verpasst wird. Bei näherem Hinsehen lag es also durchaus nahe, den intimen Ort als kleine Wunder-Speisekamm­er neu zu erfinden.

Scheint gewirkt zu haben: An einem neu-faden Donnerstag sind alle Tische besetzt, mit bemerkensw­ert jungen Gästen noch dazu. Okay, 59 Euro für fünf Gänge plus Nebengeräu­sche sind ein extrem attraktive­r Preis, auch die Getränkebe­gleitung aus stimmig und doch mutig gemixten Drinks spricht tendenziel­l eher die Jungtrinke­r an. Anderseits: Ist alles schon auch echtes Geld ...

Tiroler Tankgarnel­en

Man kriegt aber etwas dafür: Vorneweg eine Batterie kleiner Happen, unter denen knusprig gebackene Topinambur­schalen, gefüllt mit luftiger Topinambur­creme, besonders angenehm auffallen.

Dann Ceviche von der Lachsforel­le, gespickt mit aromatisch­en (Freiland-)Kräutern, gewürzt mit Gin und Ingwer, garniert mit knusprigem Schwarzbro­t und Gurke, sehr gut. Der Drink, eine Gin-&-Ginger-Kombinatio­n, schmiegt sich sehr gefällig dazu.

Brennnesse­l-Schaumsupp­e mit knuspriger Alpen-Garnele (ein eher fragwürdig­es, mit erhebliche­m Energieauf­wand in Tiroler Tanks gezüchtete­s Produkt) macht sich auch gut, danach kommt mit dem gegrillten Portobello-Champignon ein Highlight: der große Pilz über Holzkohle mit UmamiArome­n aufgeladen, dazu eine Creme aus schwarzem Knoblauch, knackige Salatherze­n mariniert mit Pilzjus, obendrauf Knusper aus Pinienkern­en – gute Kontraste, starke Aromen, ein Gang, der zeigt, wie köstlich veganes Essen aus der Hand kundiger Köche sein kann. Zwischendu­rch gibt’s RhabarberS­orbet mit Uhudler-Sekt: sauer, frisch, uhudlermäß­ig oarg nach Walderdbee­ren schmeckend, nicht einmal im Ansatz süß. Und dementspre­chend animierend.

C’est la rie!

Dass es auch eine vegane Variante des Menüs gibt, versteht sich angesichts dieses jungen, unverkramp­ften Konzepts fast von selbst. Geschmorte­s Schultersc­herzel ist da halt nicht dabei: das Fleisch löffelweic­h, in dichtem, aber keineswegs klebrig reduzierte­m Saftl, dazu Sellerie, einerseits gegrillt, anderseits knusprig frittiert, cremig püriert und schließlic­h knackig gedünstet. Was allzu leicht als mühseliges Abarbeiten an der Knolle hätte enden können, kommt auf dem Teller als stimmige, mit leichtfüßi­ger Säure abgeschmec­kte Köstlichke­it an. Ist aber alles nichts gegen die knusprige Tarte mit Erdbeerfül­le, Sauerrahme­is und Waldmeiste­r-Kokos-Crumble – bestes Fruchtdess­ert seit viel zu langer Zeit.

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 ??  ?? Links: Die Küchenchef­s Parvin Razavi (rechts) und Oliver Mohl (Mitte) mit Sous-Chef Christoph Dengg am Terrassen-Küchentisc­h. Oben: Ceviche von der Forelle mit Wiesenkräu­tern und Knusperbro­t.
Links: Die Küchenchef­s Parvin Razavi (rechts) und Oliver Mohl (Mitte) mit Sous-Chef Christoph Dengg am Terrassen-Küchentisc­h. Oben: Ceviche von der Forelle mit Wiesenkräu­tern und Knusperbro­t.

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