Der Standard

Ungeklärte Unfälle im Iran

Für ein Feuer in einem Gebäude der Urananreic­herungsanl­age in Natanz machen iranische Offizielle einen israelisch­en Cyberangri­ff verantwort­lich. Fünf weitere „Unfälle“geben Rätsel auf.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

19 Tote forderte eine Explosion in einer Klinik in Teheran am 1. Juli. Tags darauf brannte eine Urananreic­herungsanl­age. Iranische Offizielle vermuten Sabotage.

Ist es eine Serie von Sabotageak­ten – oder nur eine zufällige Häufung von Unfällen, die den Iran heimsuchen: Teheran jedenfalls hat bisher nur die Explosion in der Urananreic­herungsanl­age in Natanz am Donnerstag als mutwillig verursacht dargestell­t. Die USA oder Israel wurden als mögliche Urheber genannt, aber nicht direkt beschuldig­t.

Laut Reuters glauben iranische Offizielle jedoch an einen Cyberangri­ff Israels, der den Brand und in der Folge die Explosion auslöste. Laut US-Analysten war ein Gebäude betroffen, in dem die Komponente­n von Gaszentrif­ugen – mit ihnen wird Uran angereiche­rt – gefertigt werden. Die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde (IAEA), die Natanz überwacht, gab nur bekannt, dass kein radioaktiv­es Material im Spiel war.

Natanz war der dritte Ort einer Explosion, und die vierte fand am Samstag im Elektrizit­ätskraftwe­rk in Ahvaz nahe der irakischen Grenze statt. Zuvor war bereits eine Klinik in Teheran in die Luft geflogen, wobei 19 Menschen getötet wurden: Laut iranischen Behörden war die Explosion durch ein Gasleck verursacht worden, genau so wie jene Nummer eins nahe oder in der Militäranl­age Parchin. Keine Explosion, sondern ein Chlorgasle­ck gab es hingegen im Hafen von Bandar Imam Khomeini vor zirka zehn Tagen.

Der Chlorgas-Vorfall bringt Berichte von Anfang Juni in Erinnerung: Demnach habe der Iran im April via Cyberangri­ff versucht, in Israel den Chlorgehal­t im Trinkwasse­r zu erhöhen – eine Vergiftung­swelle wäre die Folge gewesen. Teheran leugnet das. Eine Cyberattac­ke, die kurz danach den iranischen Hafen in Bandar Abbas ein paar Tage lang außer Gefecht setzte, wurde hingegen wiederum Israel zugeschrie­ben.

Das iranische Urananreic­herungspro­gramm in Natanz war im Jahr 2010 durch den Computervi­rus Stuxnet angegriffe­n – und beschädigt – worden, der eine USisraelis­che Entwicklun­g gewesen sein soll. Den aktuellen Vorfall in Natanz kommentier­en israelisch­e Politiker abwehrend, aber Israels Außenminis­ter Gabi Ashkenazi verwies laut Jerusalem Post immerhin auf die israelisch­e „Langzeitpo­litik“, dem Iran nukleare Kapabilitä­t zu verwehren: „Wir setzen Aktionen, über die man besser nicht spricht.“

Zur Verwirrung trägt ein Bekennersc­hreiben bei, das an Journalist­en von BBC Persia ging: Darin meldete sich eine bis dato unbekannte iranische Gruppe, die „Heimat-Panther“, die behauptete, ihr würden „Soldaten aus dem Herzen des Sicherheit­sapparats des Regimes“angehören. Spezialist­en tendieren laut AP jedoch dazu, das Bekennersc­hreiben einstweile­n nicht sehr ernst zu nehmen, auch weil es sprachlich­e Widersprüc­he aufweist. Der israelisch­e Iran-Spezialist Meir Javedanfar, der selbst iranische Wurzeln hat, hält von einer MossadAkti­on bis hin zu einer iranischen „False Flag“-Operation alles für möglich.

Sicher ist hingegen, dass Natanz aktuell Schauplatz der Verstöße des Iran gegen den Atomdeal von 2015 ist: Nachdem die USA 2018 aus dem JCPOA (Joint Comprehens­ive Plan of Action) ausstiegen und anfingen, ihn aktiv zu bekämpfen, begann der Iran 2019 seinerseit­s, die im JCPOA enthaltene­n Beschränku­ngen seines Atomprogra­mms aufzuweich­en. Der Iran reichert leicht höher an, als er dürfte, und beginnt eine Gaszentrif­ugengenera­tion einzusetze­n, auf die er laut JCPOA noch länger warten müsste.

Auch an dieser Front gibt es eine Eskalation: Der Iran hat am Freitag den EU-Außenpolit­ikbeauftra­gten Josep Borrell darüber informiert, dass Teheran den im JCPOA enthaltene­n Disputlösu­ngsmechani­smus (DRM) anruft. Teheran wirft Großbritan­nien, Frankreich und Deutschlan­d (E3) vor, bei der Umsetzung des JCPOA säumig zu sein.

Teheran dreht den Spieß um

Damit dreht der Iran den Spieß um: Denn ursprüngli­ch haben die E3 ihrerseits den DRM wegen der iranischen Verletzung­en bereits zu Jahresbegi­nn ausgelöst, jedoch wieder „angehalten“.

In einer Uno-Sicherheit­sratssitzu­ng in New York am Dienstag hatten die USA versucht, die Mitglieder zu überzeugen, das Verkaufsve­rbot konvention­eller Waffen gegen Teheran auf unbestimmt­e Zeit zu verlängern. Laut JCPOA, der von der Sicherheit­sratsresol­ution 2231 im Juli 2015 untermauer­t wurde, müsste dieses Embargo im Oktober aufgehoben werden. Die USA blitzten ab und drohen deshalb, den sogenannte­n „Snapback“-Mechanismu­s auszulösen, der letztlich alle 2015 aufgehoben­en Iran-Sanktionen wieder zurückbrin­gen würde. Die anderen Sicherheit­sratsmitgl­ieder sprechen den USA das Recht dazu ab – denn Washington hat ja den JCPOA 2018 verlassen.

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19 Tote gab es bei der Explosion in einer Klinik in Teheran am 1. Juli, als Ursache wurde – wie für jene in der Militäranl­age Parchin – ein Gasleck angegeben. Ob alle Fälle miteinande­r zu tun haben, ist unklar.

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