ZITAT DES TAGES
„Braunau von Wien aus zu enthitlern wird nicht funktionieren.“
Robert Eiter vom Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus über die Pläne zu Hitlers Geburtshaus
Im Schatten des gelben Hauses in der Salzburger Vorstadt in Braunau haben sich knapp 300 Menschen eingefunden. Die meisten tragen Masken. Der Mahnstein vor dem Geburtshaus von Adolf Hitler ist gesäumt von Schirmen und Sesseln, auf denen mehrere Mitglieder der Omas gegen rechts Platz genommen haben. Dort, wo der Gedenkstein steht, soll er auch bleiben – dafür setzen sich die Teilnehmer der Kundgebung ein.
„Wir wehren uns gegen das Neutralisieren der Geschichte und gegen das Vergessen“, sagt Stadtrat Wolfgang Grabner-Sittenthaler von der SPÖ Braunau, die die Kundgebung organisiert hat. Der Gemeinderat habe über den Verbleib des Steines zu entscheiden. „Wir benötigen keine Zurufe von außen“, zitiert GrabnerSittenthaler aus einem offenen Brief an das Innenministerium. Die SPÖ fordert alle Parteien im
Gemeinderat und Bürgermeister Johannes Waidbacher (ÖVP) auf, sich für den bedingungslosen Verbleib des Mahnsteines auf dem seit 31 Jahren bestehenden Standort einzusetzen.
Der Vorschlag aus dem Innenministerium, den Mahnstein im Haus der Geschichte in Wien unterzubringen, sorgte für einen Aufschrei. Worauf das Ministerium zurückruderte und nur von einer Variante sprach. Die Expertenkommission habe in ihrem Gutachten vorgeschlagen, den Stein vom Ort zu entfernen. Entscheiden müsse das aber die Stadt. Der Stein mit der Aufschrift „Für Frieden, Freiheit und Demokratie – Nie wieder Faschismus – Millionen Tote mahnen“ist 1989 auch von der Stadt aufgestellt worden.
Auch damals gab es „eine heftige und harte öffentliche Debatte“, erinnert Robert Eiter vom oberösterreichischen Netzwerk gegen
Rassismus und Rechtsextremismus in seiner Rede. Das Neutralisieren und „Braunau von Wien aus zu enthitlern“funktioniere aber nicht. „Rechtsextreme und Neonazitouristen werden die Adresse nicht vergessen“, betont Eiter. Er fordert Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) auf, den nationalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus in Angriff zu nehmen, statt einen antifaschistischen Mahnstein verschwinden zu lassen.
Geschichtsneutralisierung
„Dieser Ort kann und darf nicht geschichtsneutralisiert werden“, sagt Nationalratsabgeordnete Sabine Schatz (SPÖ). Das würde bedeuten, die Vergangenheit auszublenden oder zu vergessen. Die Geschichte sei auch nicht mit 1945 abgeschlossen, Braunau sei bis heute ein Treffpunkt für Rechtsradikale. „Wir müssen
Rechtsextremismus benennen und politische Maßnahmen umsetzen“, fordert Schatz.
Susanne Scholl kam mit Mitstreiterinnen der Omas gegen rechts zu der Kundgebung. „Wie kann es sein, dass wir 2020 darauf bestehen müssen, dass dieses Mahnmal bleibt?“, fragte sie in ihrer Rede. Für sie als Jüdin sei das ein persönliches Anliegen. „Es ist unerträglich, dass wir die Lüge des ersten Opfers und jene der Stunde Null so verinnerlicht haben.“Das Gedankengut sei auch nach 1945 nicht verschwunden und von den Menschen an Kinder und Enkel weitergegeben worden. Es gebe in Österreich zu wenig echte Geschichtsaufarbeitung.
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg, Hanna Feingold, meint, die Zeit sei noch nicht reif, eine Mahnung wie den Gedenkstein zu entfernen. „Es sollten viel mehr Steine für
Frieden und Demokratie aufgestellt werden.“Auch die Jüdischen österreichischen HochschülerInnen sprechen sich für den Erhalt des Steins vor dem Haus aus.
Experten für neuen Standort
Am Donnerstag trifft sich der Braunauer Gemeinderat zu einer Sitzung, bei der der Gedenkstein wohl Thema wird. Zuvor hat der Bürgermeister Post aus dem Innenministerium mit weiteren Empfehlungen bekommen, berichten die OÖ Nachrichten. Der Stein soll zwar in Braunau verbleiben, aber im Stadtgebiet woanders aufgestellt werden. Die Expertengruppe des Ministeriums empfiehlt den Braunauern zudem, die Aufschrift des Mahnsteins zu ergänzen. Es fehle ein Hinweis auf die politische Mitverantwortung der österreichischen Gesellschaft an den Verbrechen des Nationalsozialismus.