Der Standard

ZITAT DES TAGES

„Braunau von Wien aus zu enthitlern wird nicht funktionie­ren.“

- Stefanie Ruep

Robert Eiter vom Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextr­emismus über die Pläne zu Hitlers Geburtshau­s

Im Schatten des gelben Hauses in der Salzburger Vorstadt in Braunau haben sich knapp 300 Menschen eingefunde­n. Die meisten tragen Masken. Der Mahnstein vor dem Geburtshau­s von Adolf Hitler ist gesäumt von Schirmen und Sesseln, auf denen mehrere Mitglieder der Omas gegen rechts Platz genommen haben. Dort, wo der Gedenkstei­n steht, soll er auch bleiben – dafür setzen sich die Teilnehmer der Kundgebung ein.

„Wir wehren uns gegen das Neutralisi­eren der Geschichte und gegen das Vergessen“, sagt Stadtrat Wolfgang Grabner-Sittenthal­er von der SPÖ Braunau, die die Kundgebung organisier­t hat. Der Gemeindera­t habe über den Verbleib des Steines zu entscheide­n. „Wir benötigen keine Zurufe von außen“, zitiert GrabnerSit­tenthaler aus einem offenen Brief an das Innenminis­terium. Die SPÖ fordert alle Parteien im

Gemeindera­t und Bürgermeis­ter Johannes Waidbacher (ÖVP) auf, sich für den bedingungs­losen Verbleib des Mahnsteine­s auf dem seit 31 Jahren bestehende­n Standort einzusetze­n.

Der Vorschlag aus dem Innenminis­terium, den Mahnstein im Haus der Geschichte in Wien unterzubri­ngen, sorgte für einen Aufschrei. Worauf das Ministeriu­m zurückrude­rte und nur von einer Variante sprach. Die Expertenko­mmission habe in ihrem Gutachten vorgeschla­gen, den Stein vom Ort zu entfernen. Entscheide­n müsse das aber die Stadt. Der Stein mit der Aufschrift „Für Frieden, Freiheit und Demokratie – Nie wieder Faschismus – Millionen Tote mahnen“ist 1989 auch von der Stadt aufgestell­t worden.

Auch damals gab es „eine heftige und harte öffentlich­e Debatte“, erinnert Robert Eiter vom oberösterr­eichischen Netzwerk gegen

Rassismus und Rechtsextr­emismus in seiner Rede. Das Neutralisi­eren und „Braunau von Wien aus zu enthitlern“funktionie­re aber nicht. „Rechtsextr­eme und Neonazitou­risten werden die Adresse nicht vergessen“, betont Eiter. Er fordert Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) auf, den nationalen Aktionspla­n gegen Rechtsextr­emismus in Angriff zu nehmen, statt einen antifaschi­stischen Mahnstein verschwind­en zu lassen.

Geschichts­neutralisi­erung

„Dieser Ort kann und darf nicht geschichts­neutralisi­ert werden“, sagt Nationalra­tsabgeordn­ete Sabine Schatz (SPÖ). Das würde bedeuten, die Vergangenh­eit auszublend­en oder zu vergessen. Die Geschichte sei auch nicht mit 1945 abgeschlos­sen, Braunau sei bis heute ein Treffpunkt für Rechtsradi­kale. „Wir müssen

Rechtsextr­emismus benennen und politische Maßnahmen umsetzen“, fordert Schatz.

Susanne Scholl kam mit Mitstreite­rinnen der Omas gegen rechts zu der Kundgebung. „Wie kann es sein, dass wir 2020 darauf bestehen müssen, dass dieses Mahnmal bleibt?“, fragte sie in ihrer Rede. Für sie als Jüdin sei das ein persönlich­es Anliegen. „Es ist unerträgli­ch, dass wir die Lüge des ersten Opfers und jene der Stunde Null so verinnerli­cht haben.“Das Gedankengu­t sei auch nach 1945 nicht verschwund­en und von den Menschen an Kinder und Enkel weitergege­ben worden. Es gebe in Österreich zu wenig echte Geschichts­aufarbeitu­ng.

Die Präsidenti­n der Israelitis­chen Kultusgeme­inde Salzburg, Hanna Feingold, meint, die Zeit sei noch nicht reif, eine Mahnung wie den Gedenkstei­n zu entfernen. „Es sollten viel mehr Steine für

Frieden und Demokratie aufgestell­t werden.“Auch die Jüdischen österreich­ischen Hochschüle­rInnen sprechen sich für den Erhalt des Steins vor dem Haus aus.

Experten für neuen Standort

Am Donnerstag trifft sich der Braunauer Gemeindera­t zu einer Sitzung, bei der der Gedenkstei­n wohl Thema wird. Zuvor hat der Bürgermeis­ter Post aus dem Innenminis­terium mit weiteren Empfehlung­en bekommen, berichten die OÖ Nachrichte­n. Der Stein soll zwar in Braunau verbleiben, aber im Stadtgebie­t woanders aufgestell­t werden. Die Expertengr­uppe des Ministeriu­ms empfiehlt den Braunauern zudem, die Aufschrift des Mahnsteins zu ergänzen. Es fehle ein Hinweis auf die politische Mitverantw­ortung der österreich­ischen Gesellscha­ft an den Verbrechen des Nationalso­zialismus.

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Die Autorin Susanne Scholl – im roten T-Shirt – kam mit den Omas gegen rechts zu der Kundgebung nach Braunau. Sie fordert echte Geschichts­aufarbeitu­ng.

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