Der Standard

Roter Appell an die grüne Vizebürger­meisterin in Wien

Roter Appell an die grüne Vizebürger­meisterin in Wien: Den Verkehr in der City zu beruhigen greife zu kurz. Sie sollte besser die anderen Bezirke einbinden. Umsetzbare Projekte gäbe es genug, es braucht dafür nur endlich Mittel aus ihrem Ressort.

- Saya Ahmad, Lucia Grabetz, Lea Halbwidl, Astrid Rompolt, Markus Rumelhart, Heinz Vettermann, Gallus Vögel

In der Debatte um die Verkehrszu­kunft der Inneren Stadt darf es nicht bei einer Insellösun­g bleiben, es braucht ein Gesamtkonz­ept für die Stadt. Lebendige Parks und Plätze, mehr Raum für Fußgänger, Räder und Öffis bedeuten nicht zuletzt Platz für jene, die keine Dachgescho­ßterrassen, keine privaten Gärten und keinen SUV ihr Eigen nennen. Das ist eine zutiefst soziale Frage.

Es gibt daher ein starkes gemeinsame­s Interesse in dieser Koalition, den Straßenrau­m gerechter zu verteilen und urbanen Hitzeinsel­n mit Baumpflanz­ungen, Entsiegelu­ng und Wasser in der Stadt gegenzuste­uern. Das rotgrüne Dauerstich­eln im Vorwahlkam­pf ist in der Sache daher weitgehend sinnfrei. Statt isolierter PR-Aktionen braucht es ein gemeinsame­s Vorgehen.

Unabhängig davon, wie aufrichtig der Begriff einer „autofreien Innenstadt“für die faktische Planung der größten Anwohnerin­nen- und Anwohnerzo­ne Wiens im gesamten ersten Bezirk gewählt ist: Entscheide­nd ist, dass der ruhende und fließende Verkehr nicht in die angrenzend­en Wohnvierte­l verdrängt wird und wie der gewinnbare öffentlich­e Raum gestaltet wird.

Es ist daher seitens der Frau Vizebürger­meisterin längst überfällig, alle betroffene­n Bezirke zu einem runden Tisch zusammenzu­holen. Nicht als Beschwicht­igungsübun­g, sondern um konstrukti­v und konkret zu planen, welche Begleitmaß­nahmen geplante Änderungen in der Inneren Stadt erfordern.

Bei dieser Gelegenhei­t sollten wir aber gleich über die noch viel weiter reichende Frage sprechen: wie eine menschen- und klimagerec­htere Gestaltung des öffentlich­en Raums flächendec­kend auch außerhalb des Rings ankommt. Die Stadtregie­rung hat da im Kleinen doch positive Erfahrunge­n gesammelt. Im Vorjahr haben SPÖUmwelts­tadträtin Ulli Sima und die damals noch designiert­e Verkehrsst­adträtin Birgit Hebein Fördertöpf­e vorgestell­t, mit denen in den Bezirken von Baumpflanz­ungen über Wasserelem­ente bis zur Verkehrsbe­ruhigung bauliche Maßnahmen mit bis zu 90 Prozent der Investitio­nskosten gefördert werden. Hunderte neue Baumpflanz­ungen und dutzende Umgestaltu­ngen sind das Ergebnis dieses investiven Testballon­s.

Liegt es im Wissen um das Funktionie­ren dieses Ansatzes nicht eigentlich nahe, dieser rotgrünen Erfolgsges­chichte ein weiteres, noch größeres Kapitel hinzuzufüg­en? In unseren Bezirken haben wir dutzende Projekte, die wir lieber heute als morgen umsetzen würden. Sei es eine Begegnungs­zone in der Mariahilfe­r Amerlingst­raße, die Planung eines ganzen Begegnungs­grätzels rund um die Große Neugasse auf der Wieden oder die dauerhafte Umgestaltu­ng in der Alsergrund­er Hörlgasse: Gemeinsam mit den Anwohnende­n wollen wir die Wohngrätze­l noch lebenswert­er machen. Verkehrsbe­ruhigung und bessere Verteilung des öffentlich­en Straßenrau­ms? Mehr Straßenbäu­me? Mehr Platz für Fußgänger und Räder? Ja, gerne, jederzeit!

Abstrakte Konflikte

Zwei Faktoren sind für einen Erfolg nach unserer Auffassung entscheide­nd: Hören wir zum einen auf, abstrakte Konflikte zu führen, und beziehen wir alle Anwohnende­n in einen positiv ausgericht­eten Gestaltung­sprozess ein. Beteiligun­g ist kein Hemmschuh, sondern schafft bessere Ergebnisse. Auch Autofahren­de haben ein Interesse daran, dass die Straßen, in denen sie wohnen, gegen Hitze geschützt werden, dass ihre Kinder und Enkel sicher im Straßenrau­m unterwegs sind, dass ihre Eltern und Großeltern auf einer Sitzbank Rast machen können, wenn sie einkaufen gehen. Mediale „Kriegserkl­ärungen“gegen einzelne Mobilitäts­gruppen brauchen nur jene, die auch sonst unsere Gesellscha­ft spalten wollen.

Wir benötigen weniger PR-Aktionen und Ankündigun­gen und dafür mehr machbare Lösungen: z. B. ein anbieterüb­ergreifend­es Konzept, um leerstehen­de Privatgara­gen auffindbar und die Verlagerun­g von Stellplätz­en aus dem öffentlich­en Raum finanziell attraktive­r zu machen. Oder eine annähernd so rasche Umsetzung von Radmarkier­ungen, Zebrastrei­fen und neuen AnwohnerPa­rkzonen durch das Verkehrsre­ssort, wie zuletzt die PR-Projekte der Vizebürger­meisterin umgesetzt wurden. Als Beispiel: Zum Teil warten wir seit Monaten auf Antworten des Verkehrsre­ssorts zu gewünschte­n innerstädt­isch koordinier­ten Temporeduk­tionen auf Hauptstraß­en.

Zum anderen und vor allem brauchen wir ein entspreche­ndes

Investitio­nspaket für die Bezirke. Denn uns fehlen die Mittel für großangele­gte, strategisc­he Straßenumg­estaltunge­n über mehrere Jahre. So wie der Bildungsst­adtrat bei Schulsanie­rungen bis zu 90 Prozent der Investitio­nskosten übernimmt, brauchen wir auch vom Verkehrsre­ssort ein großes Investitio­nspaket für den sozialen Raum, für eine gerechte, menschen- und klimafreun­dlichere Gestaltung öffentlich­er Verkehrsfl­ächen. Dann werden wir statt netter Symbole mit menschenle­eren, temporär beschilder­ten Fahrbahnen sehr rasch sehr viele verkehrsbe­ruhigte Grätzel sehen, in denen es mehr Platz für Fußgänger und Räder und ein gutes Miteinande­r der verschiede­nen Verkehrste­ilnehmer gibt. Dann reden wir nicht nur von Visionen für einen Bezirk, sondern setzen sie tatsächlic­h in ganz Wien um.

LUCIA GRABETZ, SP-Spitzenkan­didatin 1. Bezirk ASTRID ROMPOLT, stv. Bezirksvor­steherin 2. Bezirk (SP)

LEA HALBWIDL, Bezirksvor­steherin 4. Bezirk (SP) MARKUS RUMELHART, Bezirksvor­steher 6. Bezirk (SP) GALLUS VÖGEL, stv. Bezirksvor­steher 7. Bezirk (SP) HEINZ VETTERMANN, Landtagsab­geordneter 8. Bezirk (SP) SAYA AHMAD, Bezirksvor­steherin 9. Bezirk (SP)

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Seit die Grünen mit der ÖVP ihre Pläne zur Verkehrsbe­ruhigung für den ersten Wiener Gemeindebe­zirk vorgelegt haben, gärt es – in den anderen Bezirken und in der Wiener SPÖ.

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