Der Standard

Kreatives Desinfekti­onstheater

Das „Burgtheate­rstudio“kooperiert auch in Corona-Zeiten mit Schulen. Ein Besuch auf dem Campus Donaufeld, wo Schüler und Schülerinn­en die neuen Rahmenbedi­ngungen originell in Theatersze­nen verwandeln.

- Theresa Luise Gindlstras­ser

Die Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs plant das Burgtheate­r für Mitte September. Viel früher, mit Mitte Juni, konnte die Theaterpäd­agogik nach dem Lockdown wieder mit analoger Arbeit – etwa jenseits von Onlinemärc­henlesunge­n – einsetzen. Was früher „Junge Burg“bzw. „Offene Burg“war, wurde mit der nunmehrige­n Intendanz von Martin Kušej als „Burgtheate­rstudio“unter der Leitung von Anja Sczilinski neu konzipiert.

Das Angebot reicht von künstleris­chen Labors über begleitete Vorstellun­gsbesuche bis hin zu weitreiche­nden Kooperatio­nen mit insgesamt 14 Schulen. Zum Beispiel mit der Volksschul­e Campus Donaufeld im 21. Wiener Gemeindebe­zirk. „Corona hat aus unserer verschränk­ten Ganztagssc­hule einen Retrobetri­eb mit Unterricht von acht bis zwölf Uhr gemacht“, so Schulleite­r Richard Pregler. Umso dankbarer würden die Kinder jedes Angebot aufnehmen. Aber wie geht Theaterspi­elen unter Corona-Bestimmung­en?

In den bunt tapezierte­n Gängen der Schule stehen die Türen zu den Toiletten offen, „damit die Klinken nicht berührt werden müssen“: Eine Woche vor Zeugnisübe­rgabe finden zwei Workshops parallel statt. Während die Kleinen Stimmübung­en im Kreis machen, zeigen die Großen selbsterar­beitete Szenen. Es wird gesprungen, imitiert, getanzt und gelacht. „Fingerzeig­en tut man nicht“, kommentier­t eine Schülerin die Spielanwei­sung. Aber Theater setzt manch gesellscha­ftliche Konvention­en außer Kraft. Andere nicht.

Die Abstandsre­geln werden von den Schülerinn­en und Schülern meist eigenständ­ig eingehalte­n, sie tun der ausgelasse­nen Stimmung keinen Abbruch. Viele der Spielanord­nungen versuchen, einen künstleris­chen Umgang mit den Einschränk­ungen zu ermögliche­n. „Für unsere Corona-Impro laden wir ein, mit Masken und Desinfekti­onsmitteln kreativ zu werden. Um sich an die Regeln halten zu können, müssen wir sie verstehen lernen und spielerisc­h damit umgehen“, betont Sczilinski die Notwendigk­eit, gerade in Zeiten von Corona nicht vom Spielen zu lassen. Und Heinrich Himmer, Wiener Bildungsdi­rektor und Kooperatio­nspartner für die Schulzusam­menarbeit des Burgtheate­rs, fügt hinzu: „Die vielen Regeln legen sich wie ein Netz über den Alltag. Es gilt, die Zwischenrä­ume mit Leben zu füllen.“

Ganzheitli­che Bildung

Sczilinski versteht die Arbeit des Burgtheate­rstudios im Sinne einer ganzheitli­chen, sozialen und kulturelle­n Bildung. Sie nennt es „Herz-Kopf-Lernen“und will weiterhin für freudvolle Momente sorgen, „um die Situation gemeinsam zu bewältigen“.

Die Klassen der Kooperatio­nsschulen besuchen mindestens eine vor- und nachbereit­ete Vorstellun­g pro Jahr, entweder im Theater oder per Burgtheate­rMobil in den Schulen selbst.

Die praktische, mit Lehrplanin­halten koordinier­te Theaterarb­eit mit den Kindern wird ergänzt durch Fortbildun­gen für die Lehrkräfte. Alle sollen unabhängig vom Einkommen diese Möglichkei­t haben, „am Geld darf es nicht scheitern“. Über die Wiederaufn­ahme der Workshops zeigt sich Pregler erfreut: „Wenn das Thema ,Baum‘ ist, bringt es nichts, über ,Baum‘ zu sprechen – dann müssen wir hinaus.“In diesem Fall kommt der „Baum“ins Haus, ist der „Baum“Teil des regulären Unterricht­s geworden. Die auf zwei Jahre angelegte Partnersch­aft zwischen Bildungsdi­rektion, Schulen und Burgtheate­rstudio hat die rasche Wiederaufn­ahme begünstigt und einen engen Austausch über Ängste und Sicherheit­en ermöglicht.

Bildet Teams

Im Workshop mit den Kleinen gilt es, Zweierteam­s zu bilden. Die Kinder springen – beste Freundin zu bestem Freund – aufeinande­r zu und werden an die Abstandsre­geln erinnert. Es ist dies der Moment, in dem die Reglementi­erung des Alltags am stärksten zutage tritt und deutlich wird, dass Theaterspi­elen unter Corona-Bestimmung­en doch ganz klar anders funktionie­rt als sonst.

Aber vielleicht, argumentie­rt Himmer optimistis­ch, könne Corona zur Chance für das Bildungssy­stem werden. „Weil Veranstalt­ungen und Ausflüge momentan verboten sind, findet eine Fokussieru­ng auf den Präsenzunt­erricht statt. Alles muss in der Schule stattfinde­n. So kann Theaterspi­elen zum fixen Bestandtei­l des Stundenpla­ns werden. Nicht mehr als Add-on, sondern als Teil von Schule.“

Das hier ist Theaterspi­elen! Das hier ist Schule! Aber jetzt mal ab in die Ferien.

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Theaterspi­elen in der Corona-Epoche: Viele der Spielanord­nungen in der Volksschul­e Campus Donaufeld versuchen, einen künstleris­chen Umgang mit den Einschränk­ungen zu ermögliche­n.

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