Der Standard

Auf dem Podest der Ausgrenzun­g

Die Vorarlberg­er Gruppe Café Fuerte zeigt „Die Wand“nach einem Roman von Marlen Haushofer

- Julia Nehmiz

Am Premierent­ag kommt eine Anfahrtssk­izze per E-Mail: Ab dem Parkplatz beim Freibad Hittisau sei der Weg zum Spielort ausgeschil­dert. Und tatsächlic­h, Plakate weisen durch den Bregenzerw­ald: Ein Fluss rauscht, bewaldete Hügel trotzen dem wolkenverh­angenen Himmel. Vor einem Schindelha­us beleuchten Scheinwerf­er ein Podest, drumherum Klappstühl­e mit Decken im Halbkreis. Hier zeigt die Vorarlberg­er Gruppe Café Fuerte Die Wand nach dem Roman von Marlen Haushofer. Und wie immer bei einem Café-Fuerte-Abend beginnt dieser bereits mit dem Weg zur eigentlich­en Aufführung.

Die Schweizer Regisseuri­n Danielle Fend-Strahm und der Vorarlberg­er Schauspiel­er und Autor Tobias Fend gründeten Café Fuerte 2011. Ihr Ziel: Theater an NichtTheat­er-Orten, bevorzugt in den Bergen. Keine Bühnenzüge, kein Vorhang, keine Technik, Theater auf den Kern reduziert – einer erzählt die Geschichte, und ein anderer hört zu.

Sie haben nichts gegen klassische­s Theater, beide arbeiten immer wieder an verschiede­nen Häusern. Doch mit ihrer eigenen Compagnie loten sie Räume aus, führen das Volkstheat­er ins Heute, legen den Fokus auf die Schauspiel­er und erschaffen durch die Verschmelz­ung von Ort und Spiel eigenwilli­ge, oft zauberhaft­e Theatermom­ente.

Die Wand spielt vor dem Ferienhaus mit Holzfassad­e, dahinter der ewige Wald, als wäre der Mensch nichts und die Natur alles. Haushofers namenlose Icherzähle­rin wird bei einem Wochenenda­usflug in einer Jagdhütte in den Bergen von einer unsichtbar­en Wand eingeschlo­ssen. Alles Leben hinter der Wand scheint ausgelösch­t, sie selbst muss um ihr Leben kämpfen und um das der Tiere, die ihr zulaufen.

Fend-Strahm fächert den Monolog als Drei-Personen-Stück auf. Kristine Walther spielt den Kampf der Icherzähle­rin mit großer Gefassthei­t, Eve Ganneau tanzt ihre Seele. Und Tobias Fend lässt mit wenigen Requisiten die verblieben­e Welt der Protagonis­tin wie in einem ewigen Kreislauf an ihr vorüberzie­hen.

Fend-Strahm legt den Fokus auf das Thema Ausgrenzun­g: Die Icherzähle­rin wird ihr zwei Quadratmet­er großes Podest nicht verlassen. Auf diesem engen Raum entfalten sich Weite und Tiefe des

Romans. Florian Wagner betört mit zerbrechli­cher Musik seiner Glasharfe, lässt die wassergefü­llten Weingläser sanft strahlen, dann bedrohlich knarzen.

Zuerst sei der Stoff da, dann suchen sie den Ort, so Fend-Strahm. Meist schreibt Fend, 2013 mit dem Dramatiker­Innenstipe­ndium des Bundesmini­steriums für Unterricht und Kultur ausgezeich­net, das Stück. Die Wand ist ihre 18. Produktion, im Herbst steht Fends Neuheit Pakete, Pakete an, ein Stück über die ausbeuteri­schen Zustände im Zustelldie­nst. Für nächstes Jahr planen die beiden zwei weitere Inszenieru­ngen – auch wieder an besonderen Orten. Vorstellun­gen am 8./9./10. Juli, Ferienhaus Rainerau Hittisau

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Foto: Laurenz Feinig Die enge Spielfläch­e – ein Symbol des Gefangense­ins.

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