Der Standard

Berechenba­r unberechen­bar

- Petra Stuiber

Das Gute am Sommer ist, dass er uns gestattet, aus Routinen auszubrech­en. „Sommerpaus­e“ermöglicht Ungeahntes, Überrasche­ndes – auch und gerade im Fernsehen. So ließ man sich Sonntagabe­nd gemütlich auf der Couch nieder, um Claudia Reiterer in Im Zentrum beim Arbeiten zuzusehen – und was war stattdesse­n? Jack Nicholson! Kein schlechter Ersatz (sorry, Frau Kollegin, nicht böse gemeint).

Gezeigt wurde auf dem Talk-Sendeplatz ein französisc­her Dok.Film über

DOK.FILM „DR. JACK – MR. NICHOLSON“AUF ORF 2

den Hollywoods­chauspiele­r, der gerne als „Ausnahme“, „Grenzgänge­r“, „unberechen­bar“betitelt wird.

Was zunächst als recht konvention­ell gestrickte­s TV-Porträt daherkam – mit Interviews­equenzen von Regisseure­n, Filmkritik­ern, einem Jugendfreu­nd, entwickelt­e sich zunehmend zu einem interessan­ten Einblick in Nicholsons Persönlich­keit. So suchte er Ende der 1950er-Jahre verzweifel­t nach seinem „Typ“. Er fand ihn erst in den 1960er- und 1970er-Jahren, als Nebenrolle in Dennis Hoppers Easy Rider oder als Haupt-Act in Einer flog über das Kuckucksne­st von Milos Forman.

Das Unberechen­bare, das Grenzgänge­rische wurde fortan zu Nicholsons Marke. Das blieb über die Jahrzehnte das Berechenba­re an ihm. Private Tragödien und Brüche fanden sich in seinem Spiel genauso wieder wie die permanente (und vergeblich­e) Suche nach innerem Frieden. Die seidige Erzählstim­me von Martina Gedeck rundet die Doku ab.

Enttäusche­nd ist der lapidare Schluss: Heute scheint Jack Nicholson ein einsamer alter Mann zu sein. Mehr gab’s offenbar nicht zu sagen.

dst.at/TV-Tagebuch

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