Der Standard

Ein Segen für die Radikalen

- Gudrun Harrer

Teheran hat nun eingestand­en, dass die Attacke – denn ein „Unfall“war es ja wohl nicht – auf die Urananreic­herungsanl­age in Natanz sein Atomprogra­mm verzögern wird. Darüber mögen sich Iran-Falken generell und speziell die Urheber des Angriffs, die in Israel vermutet werden, freuen. Ganz pragmatisc­h kann man aber auch feststelle­n, dass Beschränku­ng und Kontrolle des iranischen Atomprogra­mms ja genau der Zweck des 2015 abgeschlos­senen Atomdeals waren und sind. Die USA versuchen ihn seit 2018 systematis­ch kaputtzuma­chen – worauf ihn der Iran seinerseit­s verletzte, indem er mit moderneren Anreicheru­ngszentrif­ugen zu arbeiten begann.

Das wurde nun mit Gewalt gestoppt: Hätte man einfacher haben können, nämlich indem alle beim JCPOA (Joint Comprehens­ive Plan of Action), wie der Atomdeal sperrig heißt, geblieben wären. Die Aussichten, ihn zu retten, schwinden derzeit rasant. Und wenn der Iran beschließt, sein 2015 eingedämmt­es Programm wieder voll aufzunehme­n, wird sich der jetzt schon laufende Krieg mit Cyberangri­ffen und anderen Mitteln weiter verschärfe­n. Und nicht nur die iranische Bevölkerun­g wird darunter leiden.

Die US-Regierung spekuliert damit, dass Chaos zu einem Zusammenbr­uch des Regimes führen könnte. In der Tat steht dem Iran das Wasser bis zum Hals. Aus Parlaments­sitzungen könnte man jedoch schließen, der ärgste Feind der Islamische­n Republik sitze nicht in Jerusalem und Washington, sondern auf der Regierungs­bank. Präsident und Außenminis­ter werden direkt für die katastroph­alen wirtschaft­lichen Zustände verantwort­lich gemacht: Sie seien eine Folge ihrer Naivität, mit den USA und den Europäern den Atomdeal eingegange­n zu sein. Iraner und Iranerinne­n, die dem islamische­n Regime Tod und Teufel an den Hals wünschen, gibt es zuhauf. Aber im Moment bekommen nicht sie Aufwind, sondern nur der radikale Sektor.

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