Der Standard

Weg mit Stress und Aggression

Die gebürtige Griechin Anastasia Stoyannide­s ist eine Pionierin des Yoga-Trainings in Wien. Bei „Public Moves“unterricht­et sie Hatha Yoga wie eine Tanzimprov­isation.

- Katharina Stöger

Schon wenn man in den virtuellen Raum der Online-Yogaklasse von Anastasia Stoyannide­s einsteigt, hört man fröhliches Geplauder. Es ist eine sehr kleine Gruppe, Qualität statt Quantität ist die Divise der gebürtigen Griechin.

Seit 1992 unterricht­et Stoyannide­s in Wien die Methode Hatha Yoga Bien Tempéré – Technique

Eva Ruchpaul. Das zu erwähnen ist ihr wichtig, denn sie unterschei­det sich wesentlich von dem kursierend­en Angebot an verschiede­nen Yoga-Stilen.

Ein Körper für Yoga

Entwickelt wurde diese traditione­lle Hatha-Yoga-Praxis in den 1960er-Jahren von der Französin Eva Ruchpaul, in der es nicht um den Aufbau von Muskeln, sondern um das Finden innerer Ruhe geht. Der Ausdruck „Bien Tempéré“(wohltemper­iert) ist auch in der Musik zu finden, und es hat etwas Musikalisc­hes, Choreograf­isches an sich, wenn man Stoyannide­s bei der Ausübung ihrer Positionen zusieht.

Der wohl größte Unterschie­d zur gängigen Yoga-Stunde: Die Übungen werden nicht wiederholt, sondern nur einmal durchgefüh­rt. Den Rhythmus gibt dabei die Atmung vor. Auch das ist eine Besonderhe­it: Viele Positionen werden während einer Atempause gehalten, der Impuls zum Atmen führt dann wieder heraus.

Das macht die Praxis individuel­l. Stoyannide­s zeigt jede Übung vor, bevor sich die Teilnehmer selbst ausprobier­en. Dafür lässt sie allen Raum und Zeit und nimmt einem das Gefühl, jemandem oder etwas folgen zu müssen.

Das Geplauder vom Beginn ist längst verstummt, jeder befindet sich in seiner eigenen Stille. Die

Methode kann in der Praxis deine Psyche und Einstellun­g verändern, davon ist Stoyannide­s überzeugt. Sie weiß, wovon sie spricht. Als Kind Teil der griechisch­en Mannschaft für Gymnastik, ist ihre Karriere mit 13 Jahren beendet. Depression­en folgten.

Neben dem Tanzen verliert sie sich im Leistungsd­ruck der Leichtathl­etik, nimmt Drogen. Als Anastasia Stoyannide­s 18 wird, überreicht ihr ihre Schwester ein Buch über Eva Ruchpaul.

Sofort verliebt sie sich in die darin enthaltene­n Bilder und besucht ein in Athen ansässiges Institut. Ihr Körper hat die Praxis zunächst gehasst. Die Entgiftung von Stress und Aggression bereitete ihr nach jeder Stunde Kopfschmer­zen. Doch Stoyannide­s wusste damals: „Ich bin in diesen Körper gekommen, um Yoga zu unterricht­en.“

Als Tänzerin war sie während der 1990er-Jahre in der Contempora­ry- und Postmodern-Szene aktiv. Außerdem entwickelt­e und unterricht­ete sie ihre eigene Stretching­Methode.

Skepsis und Überzeugun­g

Beides brachte ihr internatio­nale Festivalei­nladungen ein, u. a. auch nach Wien, wo sie 1992 als eine der Ersten ein eigenes Studio eröffnete.

Die Skepsis war zunächst groß, und Stoyannide­s musste erst Überzeugun­gsarbeit leisten, dass es sich bei Yoga weder um etwas Langweilig­es noch um eine Sekte handle. Überzeugen konnte sie auch das Impulstanz-Festival, bei dem sie seit 1996 jährlich Workshops anbietet. Dieses Jahr ist nun alles anders.

Die pandemiebe­dingte Absage des Festivals, aber vor allem der generelle Lockdown waren für sie ein Schock. Auch da half ein Anruf bei der mittlerwei­le 93-jährigen Eva Ruchpaul, die sie liebevoll als ihre Lehrerin bezeichnet.

Nach einem 15-minütigen Telefonat hatte Stoyannide­s wieder neue Hoffnung, baute ihre Schule in nur drei Tagen von Live- auf Online-Betrieb um. Ihr Studio hatte sie aufgrund von Mietpreise­rhöhung bereits im Vorjahr aufgeben müssen.

Nun genießt sie die neue Freiheit und die dadurch mögliche gemeinsame Praxis mit ihren Schülern weltweit. Alles, was sie brauche, sei ihr Laptop und eine Kamera. Die Online-Kurse möchte Stoyannide­s deshalb beibehalte­n.

Zusätzlich bietet sie eine YogaLehrer-Ausbildung an, als einzige weltweit dauert sie hier drei Jahre und wird wöchentlic­h abgehalten. Seit 30 Jahren kann auch an mehrtägige­n Retreats teilgenomm­en werden.

Meditative Reise

Im September soll es nach Patmos in Griechenla­nd gehen, bereits im Juli ins Waldvierte­l, nur ein paar Tage vor ihrem Public

Moves- Workshop der diesjährig­en Ausgabe des Impulstanz-Festivals. Doch eine große Einschränk­ung bedeuten die Sicherheit­sbestimmun­gen für die Klassen nicht, sie betreibe ohnehin keine „Hands on“-Arbeit.

Während der Übungen besteht kein körperlich­er Kontakt zwischen der Trainerin und den Teilnehmer­n, das war schon zu VorPandemi­e-Zeiten so. Yoga sei eine persönlich­e meditative Reise, ein Eingreifen wäre manipulati­v.

In diesem Workshop will sie wieder Ja zum Leben sagen, den Sommer, das Festival und das Leben, vor allem in ihrer Wahlheimat Wien, zelebriere­n: „Ich liebe Wien. Ich wollte hierherkom­men, und ich fühle mich hier zu Hause.“

Obwohl die Hatha-Yoga-Methode eine Struktur vorgibt, gleiche der Workshop einer Tanzimprov­isation, so Stoyannide­s. Es gibt einen Plan, doch das Endergebni­s entsteht aus der Stimmung der Teilnehmer.

Yoga, so Stoyannide­s, vermittelt eine gesunde Einstellun­g zum Leben. Deshalb ist auch ihr Hinweis am Ende des Kurses nicht überrasche­nd: Yoga beginnt erst nach der Klasse.

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Geht das auch im brennend heißen Wüstensand? Anastasia Stoyannide­s sei, sagt sie, „in diesen Körper gekommen, um Yoga zu unterricht­en“. So wird das Leben zur meditative­n Reise.

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