Weg mit Stress und Aggression
Die gebürtige Griechin Anastasia Stoyannides ist eine Pionierin des Yoga-Trainings in Wien. Bei „Public Moves“unterrichtet sie Hatha Yoga wie eine Tanzimprovisation.
Schon wenn man in den virtuellen Raum der Online-Yogaklasse von Anastasia Stoyannides einsteigt, hört man fröhliches Geplauder. Es ist eine sehr kleine Gruppe, Qualität statt Quantität ist die Divise der gebürtigen Griechin.
Seit 1992 unterrichtet Stoyannides in Wien die Methode Hatha Yoga Bien Tempéré – Technique
Eva Ruchpaul. Das zu erwähnen ist ihr wichtig, denn sie unterscheidet sich wesentlich von dem kursierenden Angebot an verschiedenen Yoga-Stilen.
Ein Körper für Yoga
Entwickelt wurde diese traditionelle Hatha-Yoga-Praxis in den 1960er-Jahren von der Französin Eva Ruchpaul, in der es nicht um den Aufbau von Muskeln, sondern um das Finden innerer Ruhe geht. Der Ausdruck „Bien Tempéré“(wohltemperiert) ist auch in der Musik zu finden, und es hat etwas Musikalisches, Choreografisches an sich, wenn man Stoyannides bei der Ausübung ihrer Positionen zusieht.
Der wohl größte Unterschied zur gängigen Yoga-Stunde: Die Übungen werden nicht wiederholt, sondern nur einmal durchgeführt. Den Rhythmus gibt dabei die Atmung vor. Auch das ist eine Besonderheit: Viele Positionen werden während einer Atempause gehalten, der Impuls zum Atmen führt dann wieder heraus.
Das macht die Praxis individuell. Stoyannides zeigt jede Übung vor, bevor sich die Teilnehmer selbst ausprobieren. Dafür lässt sie allen Raum und Zeit und nimmt einem das Gefühl, jemandem oder etwas folgen zu müssen.
Das Geplauder vom Beginn ist längst verstummt, jeder befindet sich in seiner eigenen Stille. Die
Methode kann in der Praxis deine Psyche und Einstellung verändern, davon ist Stoyannides überzeugt. Sie weiß, wovon sie spricht. Als Kind Teil der griechischen Mannschaft für Gymnastik, ist ihre Karriere mit 13 Jahren beendet. Depressionen folgten.
Neben dem Tanzen verliert sie sich im Leistungsdruck der Leichtathletik, nimmt Drogen. Als Anastasia Stoyannides 18 wird, überreicht ihr ihre Schwester ein Buch über Eva Ruchpaul.
Sofort verliebt sie sich in die darin enthaltenen Bilder und besucht ein in Athen ansässiges Institut. Ihr Körper hat die Praxis zunächst gehasst. Die Entgiftung von Stress und Aggression bereitete ihr nach jeder Stunde Kopfschmerzen. Doch Stoyannides wusste damals: „Ich bin in diesen Körper gekommen, um Yoga zu unterrichten.“
Als Tänzerin war sie während der 1990er-Jahre in der Contemporary- und Postmodern-Szene aktiv. Außerdem entwickelte und unterrichtete sie ihre eigene StretchingMethode.
Skepsis und Überzeugung
Beides brachte ihr internationale Festivaleinladungen ein, u. a. auch nach Wien, wo sie 1992 als eine der Ersten ein eigenes Studio eröffnete.
Die Skepsis war zunächst groß, und Stoyannides musste erst Überzeugungsarbeit leisten, dass es sich bei Yoga weder um etwas Langweiliges noch um eine Sekte handle. Überzeugen konnte sie auch das Impulstanz-Festival, bei dem sie seit 1996 jährlich Workshops anbietet. Dieses Jahr ist nun alles anders.
Die pandemiebedingte Absage des Festivals, aber vor allem der generelle Lockdown waren für sie ein Schock. Auch da half ein Anruf bei der mittlerweile 93-jährigen Eva Ruchpaul, die sie liebevoll als ihre Lehrerin bezeichnet.
Nach einem 15-minütigen Telefonat hatte Stoyannides wieder neue Hoffnung, baute ihre Schule in nur drei Tagen von Live- auf Online-Betrieb um. Ihr Studio hatte sie aufgrund von Mietpreiserhöhung bereits im Vorjahr aufgeben müssen.
Nun genießt sie die neue Freiheit und die dadurch mögliche gemeinsame Praxis mit ihren Schülern weltweit. Alles, was sie brauche, sei ihr Laptop und eine Kamera. Die Online-Kurse möchte Stoyannides deshalb beibehalten.
Zusätzlich bietet sie eine YogaLehrer-Ausbildung an, als einzige weltweit dauert sie hier drei Jahre und wird wöchentlich abgehalten. Seit 30 Jahren kann auch an mehrtägigen Retreats teilgenommen werden.
Meditative Reise
Im September soll es nach Patmos in Griechenland gehen, bereits im Juli ins Waldviertel, nur ein paar Tage vor ihrem Public
Moves- Workshop der diesjährigen Ausgabe des Impulstanz-Festivals. Doch eine große Einschränkung bedeuten die Sicherheitsbestimmungen für die Klassen nicht, sie betreibe ohnehin keine „Hands on“-Arbeit.
Während der Übungen besteht kein körperlicher Kontakt zwischen der Trainerin und den Teilnehmern, das war schon zu VorPandemie-Zeiten so. Yoga sei eine persönliche meditative Reise, ein Eingreifen wäre manipulativ.
In diesem Workshop will sie wieder Ja zum Leben sagen, den Sommer, das Festival und das Leben, vor allem in ihrer Wahlheimat Wien, zelebrieren: „Ich liebe Wien. Ich wollte hierherkommen, und ich fühle mich hier zu Hause.“
Obwohl die Hatha-Yoga-Methode eine Struktur vorgibt, gleiche der Workshop einer Tanzimprovisation, so Stoyannides. Es gibt einen Plan, doch das Endergebnis entsteht aus der Stimmung der Teilnehmer.
Yoga, so Stoyannides, vermittelt eine gesunde Einstellung zum Leben. Deshalb ist auch ihr Hinweis am Ende des Kurses nicht überraschend: Yoga beginnt erst nach der Klasse.