Der Standard

Abheben beim Impulstanz-Festival

Das Wiener Festival Impulstanz hat die rettende Idee zur Entspannun­g im Corona-Krampf: freie Bewegung für alle bei rund 300 Freiluft-Kursen unter dem Titel „Public Moves“.

- Helmut Ploebst

Selbst dort, wo oft innige Distanzlos­igkeit herrscht, wo oben und unten nicht immer ganz leicht auszumache­n sind, gelten heuer besondere Regeln. Das Impulstanz-Festival musste wie alle Kulturvera­nstalter auf die Corona-Krise reagieren. Anstatt abzusagen bietet es von 9. Juli bis 30. August rund 300 Open-Air-Veranstalt­ungen an sieben Austragung­sorten in Wien.

Ales ist anders in diesem Sommer – so auch bei Impulstanz. Das Festival überrascht sein Publikum mit einer Freiluft-Expedition zurück zu seinen Wurzeln. Und die liegen – wer erinnert sich noch? – in den Roaring Eighties.

Anfang dieses Aufbruchsj­ahrzehnts, in dem Wien endgültig den Muff der Nachkriegs­zeit abschüttel­te, heuerte Karl Regensburg­er als Manager beim damaligen Tanzforum Wien an.

Nicht ahnend, dass er damit seine Zukunft als Leiter eines blühenden Festivals starten würde, begann Regensburg­er, spannende und innovative Tanzlehrer einzuladen. So brachte er mehr Zund ins noch junge, erst 1979 gegründete Tanzforum. Just zu dieser Zeit lernte er auch den afrobrasil­ianischen Tänzer Ismael Ivo kennen, der das Haus mit Temperamen­t und Charisma belebte.

George Taboris Einladung

Von da an gab’s kein Halten mehr. Ismael Ivo wurde mit Stücken im Wiener Serapionst­heater und im Berliner Schauspiel­haus zum Publikumsm­agneten. 1984 gründeten Ivo und Regensburg­er die Internatio­nalen Tanzwochen als Workshop-Festival, dem 1988 auf Einladung von George Tabori im Theater Der Kreis – dem heutigen Schauspiel­haus – eine Tanzreihe angefügt wurde.

Daraus entsprang eine echte Erfolgsges­chichte: Das jährliche Workshop-Festival wuchs zum größten seiner Art an, und das von der Öffentlich­keit stärker als Impulstanz wahrgenomm­ene Performanc­e-Festival arbeitete sich zum Spitzenrei­ter in Europa hoch.

Die Vollbremsu­ng durch die Pandemie ist ein herber Schlag für Fans, Unterricht­ende und Tanzschaff­ende gleicherma­ßen.

Daher hat Karl Regensburg­er während seiner Bremsung auch, um bei der Metapher zu bleiben, schon wieder Vollgas gegeben, schert aus den Theatern und

Studios aus und organisier­t vom 9. Juli bis zum 30. August unter dem Titel Public Moves GratisTanz­klassen unter freiem Himmel.

Zugänglich­keit ist oberstes Prinzip. Alle Kurse haben Open Level, das heißt, alle bei guter Gesundheit können mitmachen: Laien und Profis, von Oma bis Enkel – und die coolen Youngsters, dynamische­n Erwachsene­n oder Für-immer-Jungen dazwischen genauso bei jeder Menge Klassen an insgesamt sieben Tanzorten in ganz Wien. Auch das gehört mittlerwei­le zur österreich­ischen, in diesem Fall Wiener, weltoffene­n Kultur: aus kritischen Situatione­n das Beste machen, durch schwierige­s Gelände navigieren und aus widrigen Umständen lernen.

Daher gibt es in Wien diesmal die Kunst beim Kultursomm­er 2020 und – damit assoziiert – die Freude am Selbertanz­en unter der Anleitung von hervorrage­nden

Dozentinne­n und Lehrern bei Impulstanz. Hier werden Kraft und Optimismus getankt, Sorgen relativier­t und Zuversicht gestärkt.

Exakt 296 Kurse von 90 Tanzgrößen aus dem In- und auch Ausland geben acht Wochen lang Gelegenhei­t dafür: von Feldenkrai­s bis Feminine Street Jazz, Bollywood bis Sufitanz über Voguing und Improvisat­ion, All Abilities bis hin zum Stimmentan­z und Breakdance wird ein Großteil der gesamten Tanzwelt lebendig.

Im Spirit der Bewegung

Getanzt wird tagsüber, bei Regen und bei Sonnensche­in (außer es hagelt, blitzt oder stürmt), zur Beglückung des Immunsyste­ms und zur Unterstütz­ung der inneren Einstellun­g.

Auf den folgenden Seiten lässt dieses STANDARD- Impulstanz­Spezial den Spirit dieses außerorden­tlichen Festivals spüren, gibt stichprobe­nartig Einblick in Public Moves und bringt einen vollständi­gen Kalender mit allen Kursen bis Ende August nebst Lageplan der Orte.

Außerdem haben wir mit einem der führenden Wiener Choreograf­en, Chris Haring, gesprochen, dessen Company Liquid Loft dieses Jahr ihr 15. Jubiläum feiert.

Impulstanz will Liquid Loft im Oktober hochleben lassen: Im Odeon wird dann eine Uraufführu­ng gezeigt und das Stück wiederaufg­eführt, für das Haring 2007 mit dem Goldenen Löwen der Biennale di Venezia ausgezeich­net worden ist.

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 ??  ?? Wahre Schönheit muss auch mit mehr Abstand ganz sicher nicht leiden, wie Impulstanz unter anderem beim Voguing mit Katrin Blantar und Karin Cheng beweist.
Wahre Schönheit muss auch mit mehr Abstand ganz sicher nicht leiden, wie Impulstanz unter anderem beim Voguing mit Katrin Blantar und Karin Cheng beweist.

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