Der Standard

Facebook und der Werbeboyko­tt

Megakonzer­ne wie Coca-Cola verspreche­n, bei Facebook aufgrund des Umgangs mit Hass keine Werbung zu schalten. Lediglich Altruismus steckt wohl nicht dahinter, CEO Mark Zuckerberg lässt es allerdings kalt.

- Muzayen Al-Youssef

Masken bringen nichts, Flüchtling­e seien an der Verbreitun­g schuld, und der Mobilfunks­tandard 5G hat überhaupt dafür gesorgt, dass unsere Immunsyste­me so schwach sind: Die aktuelle Krise hat Desinforma­tion und Hass im Netz wieder in den Mittelpunk­t des öffentlich­en Diskurses gedrängt. Würde man auflisten, auf welchen Plattforme­n der Glaube an solche Botschafte­n am ehesten entsteht, würde Facebook vermutlich ganz oben stehen. Der Konzern hat mit Facebook selbst, Instagram und Whatsapp eine massive Nutzerzahl – doch demgegenüb­er stehen aus der Sicht von Kritikern eine viel zu laxe Moderation sowie die Verwendung von Algorithme­n, die User immer mehr in Filterblas­en drängen. Das gilt aber nicht nur für Desinforma­tion, sondern auch für Hass, Rassismus und Hetze.

Hunderte Unternehme­n

Seit Jahren wird dem sozialen Medium vorgeworfe­n, eine tragende Rolle in der Spaltung der Gesellscha­ft zu spielen. Die Kritik hat im Zuge der #BlackLives­Matter-Bewegung und der damit einhergehe­nden Demonstrat­ionen gegen Rassismus nun auch die Werbebranc­he erreicht. Die ursprüngli­ch von NGOs gestartete Initiative #StopHateFo­rProfit ruft dazu auf, keine Werbung mehr bei Facebook zu schalten, solange das Unternehme­n weiter nichts tut, um gegen Hass auf seinen Plattforme­n vorzugehen. Dem Aufruf sind mittlerwei­le über 800 Unternehme­n gefolgt, unter ihnen Konzerne wie Unilever, Starbucks und Coca-Cola.

Die Forderung: Facebook möge mehr gegen Hass tun und dafür sorgen, dass er langfristi­g von der Plattform verschwind­et. Damit will die Initiative den US-Konzern dort treffen, wo es wirklich wehtut – nämlich bei den Einnahmen. Denn die bestehen zu einem großen Teil aus Werbegelde­rn.

Ob das Facebook langfristi­g wehtun wird, ist offen. Der Aktienkurs reagierte jedenfalls empfindlic­h, zeitweise sank er um neun Prozent. Facebook-Chef Mark Zuckerberg macht sich allerdings wenig Sorgen: Er rechnet „schon bald“mit einem Ende des Boykotts. „Ich glaube, die Werber werden schon bald wiederkomm­en“, soll er laut dem Recherchep­ortal The Informatio­n bei internen Gesprächen gesagt haben. Er befürchtet eher, dass die Kampagne dem Ruf des Unternehme­ns schadet. Öffentlich kommunizie­rt Facebook ebenso bedeckt, man würde seine Regeln basierend auf eigenen Prinzipien ändern, nicht aber auf finanziell­en Druck reagieren. Eher vage erklären Sprecher auf Anfrage, dass man mit den werbenden Unternehme­n im Austausch stehe.

Was genau die Firmen wollen, ist offen, denn die Forderunge­n wurden bisher eher allgemein gehalten: Als der Spiegel fragte, welche Veränderun­gen sie eigentlich von Facebook erwarten, hielten sie sich eher vage – Adidas wolle noch Kriterien entwickeln, Henkel erwarte eine „Veränderun­g“, SAP will ein „deutliches Signal“gegen Hass und Siemens verweist auf #StopHateFo­rProfit, wo wiederum beispielsw­eise der Einsatz externer Prüfer vorgeschla­gen wird.

Altruismus dürfte jedenfalls nicht als der Hauptgrund betrachtet werden, weswegen so viele Firmen bei dem Boykott mitmachen. Der Zeitpunkt spielt nämlich eine entscheide­nde Rolle: Aufgrund der Corona-Krise sind die Werbebudge­ts vieler Unternehme­n eher knapp bemessen. Das legt nahe, dass eine Begrenzung der Ausgaben bei Facebook so oder so stattgefun­den hätte – durch einen gänzlichen Boykott können sich Coca-Cola und Konsorten nun aber zusätzlich als moralische Instanz und Verfechter positiver Veränderun­g inszeniere­n.

Auch hierzuland­e sind Hasspostin­gs vor allem in der Politik ein Dauerbrenn­er: Kaum jemand, der soziale Netzwerke verwendet, bleibt davon verschont, Beiträge zu sehen, die eigentlich gesetzeswi­drig sind.

Für Betroffene sind sie oft eine Qual. Wie mit dieser Entwicklun­g umgegangen werden soll, bleibt aber umstritten: Bisherige Bestreben wurden vor allem aus netzpoliti­scher Perspektiv­e immer wieder in Kritik gestellt.

Aktuell arbeitet das Justizmini­sterium an einem Entwurf, der sich an dem Regierungs­programm orientiert. Dieses sieht zahlreiche Maßnahmen vor, die sich mit dem deutschen Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz (NetzDG) decken, welches 2017 verabschie­det wurde, um Hass im Netz einzudämme­n. Beispielsw­eise will die türkis-grüne Regierung eine Löschverpf­lichtung für Plattforme­n einführen sowie die Pflicht zu einem Beschwerde­verfahren und dem Einsatz eines Zustellung­sbevollmäc­htigten in Österreich. Ein finaler Gesetzesen­twurf soll noch heuer vorgestell­t werden.

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 ??  ?? Facebooks Umgang mit Hass im Netz ist – auch politisch – ein Dauerbrenn­er. Nun pausieren zahlreiche Unternehme­n ihre Werbung.
Facebooks Umgang mit Hass im Netz ist – auch politisch – ein Dauerbrenn­er. Nun pausieren zahlreiche Unternehme­n ihre Werbung.

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