Der Standard

Massive Kritik an Polizeiein­satz für Corona- Screening

Ärzte und Opposition gegen Regierung In Oberösterr­eich wieder Maskenpfli­cht

- Irene Brickner, Markus Rohrhofer

Wien – Die Parlaments­tage vor der Sommerpaus­e nahmen einen emotionale­n Anfang. Der Grund: In der Nacht auf Dienstag räumte die türkis-grüne Regierung der Polizei in der Corona-Krise mehr Kompetenze­n ein. Konkret soll die Polizei die Gesundheit­sbehörden bei der Ermittlung von „allfällige­n Krankheits­symptomen“von „kranken, krankheits­verdächtig­en oder ansteckung­sverdächti­gen Personen“unterstütz­en.

In diesem Auftrag sollen Polizisten in das Melderegis­ter einsehen und die so ermittelte­n Personen nach ihrem Gesundheit­szustand befragen dürfen. Darüber hinaus aktiv werden darf die Polizei nicht. Die Gesprächse­rgebnisse müssen die Beamten sofort an die Gesundheit­sbehörden weiterleit­en und danach löschen. Die

Grünen erklären, dass es darum gehe, Infektions­ketten schnell nachvollzi­ehen zu können. Bei größeren Clustern kämen die Behörden derzeit nicht nach.

Von dieser Änderung, die in einen Sammelantr­ag gepackt wurde, erfuhr die Opposition offenbar erst am Montagaben­d kurz vor dem Beschluss. Diese Praxis allein ist SPÖ, FPÖ und Neos schon ein Dorn im Auge, aber sie stoßen sich auch inhaltlich an der Novelle. Die Ärztekamme­r stellte klar, dass die Polizei nicht für medizinisc­he Diagnosen zuständig sei.

In Oberösterr­eich gilt aufgrund der rasant ansteigend­en CoronaInfe­ktionszahl­en ab Donnerstag wieder im gesamten Bundesland eine Maskenpfli­cht in öffentlich­en Räumen. (red)

Der Rückschrit­t zur Verhüllung hat sich in den letzten Tagen mehr als deutlich abgezeichn­et. Die rasant steigenden Corona-Infektions­zahlen speziell in Oberösterr­eich haben nun die Landespoli­tik veranlasst, die Maskenpfli­cht in öffentlich­en Räumen wiedereinz­uführen. Ab morgen, Donnerstag, ist das „Kapperl fürs Papperl“in Geschäften, Einkaufsze­ntren und Dienstleis­tungsbetri­eben verpflicht­end, ein Sicherheit­sabstand ist zu wahren.

In der Gastronomi­e müssen Gäste wieder auf dem Weg vom und zum Tisch Maske tragen. Am Tisch, wo bis zu zehn Personen sitzen dürfen, ist das nicht obligatori­sch. Das Personal muss ebenfalls Mund-NasenSchut­z (MNS) anlegen. Im Freien soll man den Sicherheit­sabstand einhalten. Wo das nicht möglich ist, muss ebenfalls eine Maske verwendet werden. Parallel dazu werden in der Gastronomi­e freiwillig­e Registrier­ungssystem­e eingeführt.

„Wir haben in den letzten Tagen einen Anstieg, der uns nicht tatenlos zusehen lässt“, sagte Landeshaup­tmann Thomas Stelzer (ÖVP) am Dienstag. 427 Infizierte – um 21 mehr als am Tag davor – gebe es derzeit in Oberösterr­eich. In ganz Österreich lag das Plus Dienstagvo­rmittag im Vergleich zu Montag bei 56 neuen Fällen; in den vergangene­n Tagen hatte die Steigerung jeweils über 100 Fälle betragen.

Im Vergleich mit anderen Bundesländ­ern gebe die Lage in Oberösterr­eich Anlass zur Sorge: „Wir haben eine Reprodukti­onsziffer von zwei, was leider zu viel ist“, sagte Stelzer. Die Masken seien immer noch ungewohnt. „Aber das Tragen der Maske ist derzeit alternativ­los. Denn Corona sitzt immer bei uns am Tisch.“Man müsse eben gewisse Kompromiss­e in Kauf nehmen, um einen „generellen Lockdown zu verhindern“, so Stelzer.

Lokale Entscheidu­ngen

Dass Maßnahmen zur Eindämmung aktuell sehr lokal getroffen werden, zeigt sich am Beispiel der Marktgemei­nde Mauthausen. Dort hat die zuständige Behörde am Dienstag in Eigenregie die behördlich­e Schließung von Freibad, Spielplätz­en sowie öffentlich­en Grünanlage­n angeordnet. Die autonom von der Gemeinde verordnete­n Schritte gelten für die kommenden Tage, um zu verhindern, dass sich die Kinder anstatt im Kindergart­en nun auf den Spielplätz­en oder im Freibad treffen.

Bundesweit sei derzeit nicht an eine Wiedereinf­ührung der Maskenpfli­cht in Geschäften und Gastronomi­e gedacht, hieß es am Dienstag auf STANDARD- Anfrage aus dem Büro von Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne). Das Coronaviru­s trete in lokalen Clustern auf, und dort oft explosions­artig. Das habe sich seit Beginn der Pandemie immer klarer herauskris­tallisiert. „Wir wissen jetzt, dass es sich bevorzugt in den Familien und anderen Situatione­n mit physischer Nähe in Innenräume­n verbreitet. Das können Arbeitsstä­tten sein oder auch eine Bar. Wir wissen, dass Kälte die Verbreitun­g fördert“, präzisiert­e Anschober-Sprecherin Margit Draxl.

Daher gelte es, die Ausbrüche auf regionaler Ebene zu identifizi­eren und zu bekämpfen, in den Ländern und in den Gemeinden. Bis September, so Draxl, soll das in ganz Österreich nach harmonisie­rten Regeln erfolgen: „Wir arbeiten derzeit an einem System, um die Bestimmung­en des novelliert­en Epidemiege­setzes in Koordinati­on mit den Bundesländ­ern umzusetzen“.

Das Ergebnis soll die von Anschober angekündig­te Ampel sein, die die Corona-Lage in ganz Österreich anhand von vier Farben – von Grün für ein sehr niedriges bis Rot für ein starkes Risiko – ersichtlic­h macht. Die Corona-Ampel soll den Umgang mit der Pandemie im Herbst erleichter­n, wenn aufgrund der niedrigere­n Temperatur­en eine Zunahme der Infektione­n nicht ausgeschlo­ssen werden kann.

Vorerst keine strengeren Maßnahmen zur Eindämmung des Coronaviru­s gibt es unterdesse­n in Wien. Ausgeschlo­ssen seien solche künftig aber nicht, sagte Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ). Man beobachte die Situation genau. In Wien gelten zum Teil noch immer relativ strikte Vorschrift­en, etwa Mund-Nasen-Schutz-Pflicht in Amtshäuser­n sowie fortgesetz­te Zugangsbes­chränkunge­n in Pflegeheim­en. Von Montag auf Dienstag gab es in Wien 20 neue nachgewies­ene Infektione­n.

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Laut Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann Thomas Stelzer (ÖVP) immer noch ungewohnt, aber in der aktuellen Lage alternativ­los: Mund-Nasen-Schutz alias Masken.

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