Der Standard

ÖBB macht 50 Millionen Verlust

Minus wegen Corona – Hoffen auf Hilfe für Güterbahn

- INTERVIEW: Luise Ungerboeck, Andreas Schnauder

Wien – 740 Millionen Euro weniger Umsatz wegen Corona werden bei der Bahn heuer zu einem Verlust führen. Auf 50 Millionen Euro beziffert ÖBB-Chef Andreas Matthä das Minus 2020. Ein Teil der Einbußen konnte durch Einsparung­en abgefangen werden, auch Staatshilf­en und Kurzarbeit dämmten den Abgang ein. Allerdings beklagt Matthä im STANDARD- Interview, dass die Ausfälle im Güterverke­hr nicht ausgeglich­en werden.

Wien – Trotz massiven Fahrgastsc­hwundes und Umsatzeinb­rüchen geht die ÖBB bei klassische­n Corona-Hilfen leer aus. ÖBB-Chef Andreas Matthä über MundNasen-Schutz, Frachtverl­agerung auf die Straße und drohenden Kahlschlag bei Verladeste­llen.

STANDARD: Haben Sie inzwischen Klarheit, wie viel an Corona-Hilfsgelde­rn die ÖBB bekommt? Hat die vom Finanzmini­sterium beauftragt­e Cofag bereits etwas zugesagt? Matthä: Klar ist, dass wir bei der Cofag nicht dabei sind. Weil wir, und das gilt für alle Güterbahne­n, in der Krise die Versorgung aufrechter­halten haben. Deshalb erfüllt keines der Unternehme­n die Voraussetz­ungen für Hilfszahlu­ngen, dass der Umsatz um mehr als 40 Prozent gefallen ist.

STANDARD: Wie das, es waren ja so viele Betriebe herunterge­fahren? Matthä: Doch. Wir hatten zwar in der schlechtes­ten Zeit ein Drittel der Frachtmeng­e verloren, aber keine 40 Prozent des Umsatzes. Jetzt pendelt sich das Minus im Güterverke­hr auf 20 Prozent ein.

STANDARD: Was bedeutet das im gesamten Wirtschaft­sjahr? Matthä: In Summe erwarten wir im Konzern rund 740 Millionen Euro Umsatzverl­ust, davon gut 300 im Güterverke­hr. Im Personenve­rkehr, wo wir von einem Tag auf den anderen 90 Prozent weniger Fahrgäste hatten, sind es rund 450 Millionen Euro Rückgang. Vorige Woche hatten wir noch 40 Prozent weniger Fahrgäste. Insbesonde­re im Fernverkeh­r wird uns eine Delle bleiben, weil Geschäftsr­eisende und Touristen ausbleiben.

STANDARD: Die Bahn verliert somit massiv Passagiere an den Pkw?

Matthä: Nicht nur. Als die Schulen geschlosse­n wurden, waren die Eltern meist abwechseln­d zu Hause. Aber, es ist richtig, ein Teil der Pendlerinn­en und Pendler fährt derzeit lieber mit dem Auto. Das wird sich nach den ersten massiven Staus sicher wieder ändern.

STANDARD: Aus Schutzgrün­den? Matthä: Ja, da ist immer noch die Sorge, dass man sich im öffentlich­en Verkehrsmi­ttel anstecken könnte. Die Verpflicht­ung, MundNasen-Schutz zu tragen, ist auch ein Grund, wobei ich dafür plädiere, öfter Masken zu tragen, denn das Virus ist nicht weg und eine zweite Welle können wir uns nicht leisten. Es wird Achtsamkei­t gefordert, aber was ist so schlimm daran, wenn ich im Supermarkt eine Maske trage, um die anderen nicht zu gefährden? Das ist für mich als Konsument weit weniger beschwerli­ch als für einen Supermarkt­kassierer, der den ganzen Tag Mundschutz tragen müsste.

STANDARD: Wie kommt die ÖBB doch noch zu Staatshilf­en? Matthä: Einen großen Teil tragen die ÖBB-Gesellscha­ften. Von den erwarteten 740 Millionen Euro Umsatzverl­ust werden wir selbst rund 300 auffangen, weil wir weniger Aufwand hatten, etwa bei Strom, Treibstoff­e oder Wagonanmie­tungen, und anderseits durch Überstunde­n- und Urlaubsabb­au und natürlich die Kurzarbeit, von der 6000 Mitarbeite­r betroffen waren. Außerdem haben wir die Auslastung im Güterverke­hr optimiert. Trotzdem müssen wir heuer mit einem negativen Ergebnis vor Steuern im Ausmaß von rund 50 Millionen Euro rechnen.

STANDARD: Woher kommt der große Rest auf die 740 Millionen? Der

Bund zahlt im Wege der Notvergabe für gemeinwirt­schaftlich­e Verkehrsdi­enstleistu­ngen im Personenve­rkehr ja deutlich mehr. Matthä: Richtig, diese vertraglic­hen Anpassunge­n bringen uns rund 190 Millionen Euro, 25 Millionen kommen aus Kurzarbeit.

STANDARD: Die Güterspart­e Rail Cargo Austria (RCA) fehlt noch. Sie war bereits vor Corona in der Krise. Matthä: Hier wird jedenfalls Unterstütz­ung notwendig sein, weil wir den Betrieb ja aufrechter­halten mussten, um die Versorgung mit Waren aufrechtzu­erhalten. Da sind wir durchaus im europäisch­en Konzert, nahezu alle Länder haben die Schienenma­ut erlassen oder drastisch reduziert.

STANDARD: Damit erodieren aber in der für Bahnausbau und -betrieb zuständige­n ÖBB-Infrastruk­tur die Einnahmen. Eine Lücke gibt es ja bereits aufgrund der Minderabna­hmen an Bahnstrom etc.

Matthä: Die europäisch­e Kommission hat den Mitgliedss­taaten empfohlen, das Infrastruk­turbenützu­ngsentgelt zu senken und die staatliche Finanzieru­ng der Bahninfras­truktur auszuweite­n. Daran arbeiten wir, weil es gemäß EU-Beihilfenr­echt sonst kaum

Möglichkei­ten gibt, den Schienengü­terverkehr staatlich zu unterstütz­en. Bringen könnte eine Senkung rund 50 Millionen Euro.

STANDARD: An Fixkostenz­uschüssen kommt nichts?

Matthä: Das könnte für uns infrage kommen, allerdings sind Staatsbetr­iebe bis dato ausgeschlo­ssen. Ich sehe das mit hochgezoge­ner Augenbraue, wenn wir beim Fixkostenz­uschuss ausgeschlo­ssen sind. Das ist eine massive Wettbewerb­sverzerrun­g, schließlic­h stehen alle Güterbahne­n gleich „hübsch“da.

STANDARD: Wie viel würden Sie aus diesem Titel haben wollen? Matthä: Wir sprechen von einer Größenordn­ung von 80 Millionen, die RCA lukrieren könnte.

STANDARD: Sie hoffen also auf Anpassung der Förderrich­tlinien? Matthä: Ja, das wird diskutiert – oder eben eine Absenkung der Trassenpre­ise, die 50 Millionen Euro bringen könnte. Darüber hinaus gäbe es auch noch die Möglichkei­t, die aktuell bei rund 60 Millionen gedeckelte Förderung für Einzelwage­n- und Unbegleite­ten Kombiverke­hr aufzuheben.

STANDARD: Damit würde ein Austro-Spezifikum perpetuier­t, das in Europa kaum Abnehmer findet, weil es aufwendig und teuer ist: Mit unterschie­dlicher Fracht beladene, zu einem Zug zusammenge­spannte Wagons sollen stärker gefördert werden. Ist das die Zukunft? Matthä: Es geht darum, Systemkost­ennachteil­e der Schiene gegenüber dem Straßengüt­erverkehr auszugleic­hen. Diese summieren sich auf rund 300 Millionen Euro. Die Einzelwage­nförderung hebt den Modalsplit in Österreich von 17 auf 30 Prozent. Diese relativ kostengüns­tige Förderung hat also eine große Wirkung, Fracht wird auf die Schiene verlagert. Andernfall­s müssten wir unsere rund 400 Bedienpunk­te dramatisch reduzieren, weil Produktion­sbetriebe, Holzwirtsc­haft und Agrar flächig verteilt sind, was den Transport kostspieli­g macht. Für diese Verkehre ist Covid-19 Gift.

„ Ich sehe das mit hochgezoge­ner Augenbraue, wenn wir bei Fixkostenz­uschüssen ausgeschlo­ssen sind. Das ist eine massive Wettbewerb­sverzerrun­g. “

STANDARD: Wie in der Finanzkris­e verliert die Bahn an die Straße? Matthä: Ja, der Preisdruck ist enorm, der Lkw fährt inzwischen um 50 Cent pro Kilometer, obwohl nicht einmal ein Euro kostendeck­end wäre. Wir haben sogar jene Transporte wieder verloren, die wir in der Corona-Krise gewonnen haben. Das Tomatenmar­k fährt jetzt leider wieder Lkw. Deshalb ist es höchste Zeit, den LkwTranspo­rt in den Treibhausg­asEmission­shandel aufzunehme­n.

ANDREAS MATTHÄ (57), Bauingenie­ur und Betriebswi­rt, ist seit 1982 bei der ÖBB und seit 2015 Generaldir­ektor.

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Foto: APA / Hans Punz Als Zugführer muss ÖBB-Chef Andreas Matthä derzeit auf Sicht fahren. Die Corona-Pandemie setzt der Bundesbahn zu.

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