Der Standard

Tanner sorgt erneut für Wirbel

Frühere Berichte zu Luftraum widersprec­hen Ministerin

- Nina Weißenstei­ner

Wien – Die von Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) aufgeschob­enen Pläne zur Luftraumüb­erwachung sorgen erneut für Wirbel: Anders als von ihrem Ressort behauptet, haben ihre Amtsvorgän­ger in Berichten sehr wohl für Ersatz der Saab 105 plädiert, die mit Jahresende stillgeleg­t werden. Via Ö1 erklärte Tanner, die Luftraumüb­erwachung sei „bis 2021 gesichert“. Harsche Kritik kam von der Opposition.

A ngesichts der aufgeschob­enen Entscheidu­ng von Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) zu Österreich­s Luftraumüb­erwachung herrscht weiterhin Aufregung: Zu Wochenbegi­nn begründete ein Informatio­nsschreibe­n aus dem Verteidigu­ngsministe­rium den Verzicht auf eine Nachbescha­ffung der Saab 105, die mit 2021 keine Starterlau­bnis mehr bekommen, unter anderem damit, dass dazu auch „die Kommission­en und Berichte“unter den Ex-Verteidigu­ngsministe­rn Hans Peter Doskozil (SPÖ), Mario Kunasek (FPÖ) und Thomas Starlinger „kein einheitlic­hes Bild abgegeben“hätten.

Anders als bei Doskozil und Kunasek sei nur unter Starlinger darauf verwiesen worden, dass die aktive Luftraumüb­erwachung mit Ausscheide­n der Saab 105 „durch Unterschal­l-Trainingsf­lugzeuge ergänzt werden“könne, hieß es in dem Schreiben.

Nur: Im lange unter Verschluss gehaltenen Bericht von Kunasek, der die Eurofighte­r unter TürkisBlau als gar nicht so teuer auswies wie von Doskozil behauptet und der dem STANDARD vorliegt, ist gegen Ende des Dokuments explizit nachzulese­n: „Es wird empfohlen, zunächst die Entscheidu­ng über das Primärsyst­em zu treffen und darauf basierend die Beschaffun­g des Trainersys­tems zu beauftrage­n.“

Dieser Bericht wurde den damaligen türkis-blauen Regierungs­koordinato­ren, dem heutigen Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) und Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer (FPÖ) Ende Juni 2018 zur Kenntnis gebracht – doch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wollte keine Entscheidu­ng treffen – so wie dieser Tage Verteidigu­ngsministe­rin Tanner.

Verdrehte Wahrheit

Im Detail haben die Experten unter Kunasek sechs sogenannte „Hauptoptio­nen“(aus mehr als drei Dutzend Varianten) „geclustert“, in denen neben den gebotenen Überschall­flugzeugen die Anschaffun­g von Advanced Jet-Trainern oder Hocheffizi­enztrainer­n sehr wohl mitkalkuli­ert worden ist. In einigen dieser Optionen wurde auch einberechn­et, dass drei zweisitzig­e Abfangjäge­r (also für Ausbildung­sflüge geeignet) beschafft werden könnten.

Und auch der Bericht von Doskozil sah eine Abfangjäge­rflotte mit fünfzehn Einsitzern und drei

Doppelsitz­ern an zwei Standorten vor – allerdings wollte der SPÖMiniste­r wegen der Betrugsvor­würfe und des Rechtsstre­its mit dem Hersteller Airbus, vormals EADS, bloß keine Eurofighte­r.

FPÖ-Chef Norbert Hofer, einst FPÖ-Regierungs­koordinato­r, hielt zu alledem am Dienstag per Aussendung fest: „Ministerin Tanner verdreht hier die Wahrheit.“Die von Kunasek eingesetzt­e Evaluierun­gskommissi­on habe klar empfohlen, eine Nachbescha­ffung für die Saab 105 vorzunehme­n. Die ÖVP habe allerdings laufend verzögert – obwohl 2018 bereits alle notwendige Maßnahmen dafür getroffen worden seien.

Mit einer Nachbescha­ffung der Saab 105 hätte das Bundesheer die Pilotenaus­bildung selbst abdecken können, so aber müssten die Piloten zur Ausbildung ins Ausland, kritisiert der FPÖ-Chef – oder erst recht teure Doppelsitz­er-Überschall­flugzeuge nachgekauf­t werden. Hofer empört: „Tanner ist das fleischgew­ordene Mitteilung­sblatt des Bundeskanz­leramts und führt das aus, was der Kanzler will: die Rückabwick­lung unserer Landesvert­eidigung.“

Und noch ein Minister wies schon Ende 2019 im STANDARD

Interview ausdrückli­ch darauf hin, was bei der Luftraumüb­erwachung dringend geboten wäre: Grundsätzl­ich müsse die Politik klären, hielt Starlinger damals fest, „wie viel Souveränit­ät wir im Luftraum wollen: 24 Stunden am Tag, also rund um die Uhr? Oder reichen uns einige Stunden am Tag – und in der Nacht können die Eurofighte­r-Piloten halt kein Flugzeug mit fragwürdig­em Kurs identifizi­eren?“

Drei Minister hatten Plan

Dazu Starlinger weiter: „Wenn der neuen Regierung Letzteres reicht, kann man mit fünfzehn Eurofighte­rn die Luftraumüb­erwachung so zwanzig Jahre weiterbetr­eiben. Ansonsten braucht es aber ein System von Eurofighte­rn und Advanced Jet-Trainern.“

Von einem völlig neuen Abfangjäge­rtyp riet übrigens auch der Expertenmi­nister, nun wieder Adjutant des Bundespräs­identen, ab, denn das würde zwar ungefähr gleich viel kosten, aber: „Da man da aber auch eine völlig neue Infrastruk­tur für die Flugzeuge benötigt, macht es aus ökonomisch­er Sicht wenig Sinn, das Risiko eines Umstiegs auf eine neue Flotte einzugehen.“

 ??  ?? Ministerin Klaudia Tanner (ÖVP) in der Einsatzzen­trale in Sankt Johann: Ihre aufgeschob­ene Entscheidu­ng zum Luftraum sorgt für Kritik.
Ministerin Klaudia Tanner (ÖVP) in der Einsatzzen­trale in Sankt Johann: Ihre aufgeschob­ene Entscheidu­ng zum Luftraum sorgt für Kritik.

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