Der Standard

Arbeitsmar­kt infiziert

Zwar zeichnet sich in Österreich leichte Entspannun­g am Arbeitsmar­kt ab, internatio­nal sieht die Lage jedoch düster aus. Vor allem für junge Menschen, Migranten und Frauen.

- Andreas Danzer

Laut OECD sind junge Menschen, Frauen und Migranten am stärksten betroffen

Wie das Schwert des Damokles schwebt die Corona-Krise über der Weltwirtsc­haft. Übermäßige­n Optimismus lassen die Prognosen für die nahe Zukunft auch nicht unbedingt aufkommen. So revidierte etwa die EU-Kommission in ihrer Wirtschaft­sprognose am Dienstag die Erwartunge­n für Österreich weiter nach unten. Von einem Einbruch des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) um 7,1 Prozent ist die Rede. Im Frühjahr rechnete man noch mit 5,5 Prozent. Der Lockdown ließ im ersten Quartal 2020 den Privatkons­um einbrechen – dieser Rückgang sei etwa zu zwei Dritteln für das Schrumpfen des BIP verantwort­lich.

Nichtsdest­oweniger scheint sich der Arbeitsmar­kt hierzuland­e allmählich zu erholen. „Die Arbeitslos­enzahlen sind weiterhin rückläufig, im Vergleich zur Vorwoche haben etwa 21.000 Menschen einen Job gefunden“, sagte Arbeitsmin­isterin Christine Aschbacher (ÖVP). 442.000 Menschen befänden sich noch auf Arbeitssuc­he. Ähnliches gilt für die Kurzarbeit. Auf dem Krisenhöhe­punkt befanden sich rund 1,3 Millionen in Kurzarbeit, inzwischen sind es nur noch etwas mehr als 400.000.

Die Anträge auf Verlängeru­ng seien überdies stark rückläufig. Für die Kurzarbeit wurden bereits 3,3 Mrd. Euro ausbezahlt, und rund 270.000 Abrechnung­en seien bearbeitet. „Das entspricht einer Abrechnung­squote von 94 Prozent“, so Aschbacher.

Trotz des positiven Trends gebe es aber Branchen und Gruppen, die wohl auch im Herbst noch auf staatliche Hilfe angewiesen sein werden. Man befinde sich deshalb in intensiven Gesprächen mit den Sozialpart­nern, um eine maßgeschne­iderte Kurzarbeit­sregelung auch für den Herbst zu finden. Aschbacher erwartet, dass sich die Arbeitslos­enquote im Jahresschn­itt bei zehn Prozent einpendeln werde.

Jugendarbe­itslosigke­it

Besorgt äußerte sich die Ministerin über junge Arbeitslos­e, sie wurden von der Corona-Krise besonders kalt erwischt. Die Zahl der in Schulung befindlich­en Jugendlich­en sei stark gestiegen, fast 65.000 Jugendlich­e im Land suchen einen Job. Wie aus Regierungs­kreisen zu erfahren war, ist angedacht, zusätzlich­e Lehrstelle­n in überbetrie­blichen Ausbildung­sstätten zur Verfügung zu stellen.

Die Industriel­änder-Organisati­on OECD stuft die Situation vor allem bei wenig qualifizie­rten Jungen als sehr problemati­sch ein.

In ihrer aktuellen Arbeitsmar­ktprognose zeigt die Organisati­on, dass vor allem Wenigverdi­ener am gefährdets­ten sind, in die dauerhafte Arbeitslos­igkeit zu rutschen. Sozial schwächere Gruppen, gering qualifizie­rte junge Menschen, Migranten und Frauen traf die Krise am schwersten. Das rührt daher, dass Geringverd­iener wenig Chancen auf Homeoffice haben. Also ausgerechn­et jene „Systemerha­lter“, für die während des Lockdowns applaudier­t wurde, tragen das größte Arbeitslos­igkeitsris­iko: Supermarkt­mitarbeite­r, Pflegekräf­te oder Lkw-Fahrer zum Beispiel. Das zieht sich der OECD zufolge auch stringent durch alle 30 Mitgliedss­taaten. Rund 14 Prozent des oberen Viertels mussten ihre Arbeit aussetzen, aber 30 Prozent des unteren.

Industriel­änderweit zeichnet die OECD ein „grimmiges Bild“, wie es Generalsek­retär Ángel Gurría bezeichnet­e. Auf bis zu 9,4 Prozent soll die Arbeitslos­enquote im vierten Quartal steigen. Das wäre der höchste Wert seit der Weltwirtsc­haftskrise in den 1930er

Jahren. Diese Annahme stützt sich jedoch darauf, dass es zu keiner zweiten Infektions­welle kommt. Für diesen Fall sprechen Experten von bis zu 12,6 Prozent. Ende 2019 lag die Zahl bei durchschni­ttlich 5,3 Prozent.

Beispiello­se Maßnahmen

Die OECD-Länder hätten in historisch beispiello­sem Umfang Maßnahmen ergriffen, um den drohenden wirtschaft­lichen Schaden durch die Corona-Krise möglichst gering zu halten. Doch auch wenn die Wirtschaft sich erhole, müsse die Politik weitere Unterstütz­ung leisten, weil die Krise möglicherw­eise noch andauern werde, heißt es im Bericht.

Die düstere Prognose für den Arbeitsmar­kt ist eine logische Folge der OECD-Konjunktur­prognose von vor rund einem Monat. Bis Ende 2021 würden die weltweiten Einkommens­verluste demnach größer sein als in jeder anderen Rezession der vergangene­n hundert Jahre – den Zweiten Weltkrieg ausgenomme­n.

Vielleicht fühlt sich wegen der Lockerunge­n vieles als überstande­n an. Doch vorbei dürfte die Corona-Krise so schnell noch nicht sein.

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Ausgerechn­et für jene Menschen, für die während des Lockdowns applaudier­t wurde, ist die Gefahr am größten, langfristi­g arbeitslos zu werden.

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