Der Standard

Polizei soll künftig Corona-Infektions­ketten ermitteln

Die türkis-grüne Regierung peitschte die Gesetzesän­derung durch den Ausschuss, die Opposition schäumt

- Jan Michael Marchart Irene Brickner

In der Nacht auf Dienstag spielte die türkis-grüne Regierung der Polizei außertourl­ich mehr Kompetenze­n zu. Konkret wurde per Ausschussa­ntrag zum Konjunktur­stärkungsg­esetz beschlosse­n, dass die Polizei künftig bei der Erhebung von Krankheits­symptomen bei Corona-Verdachtsf­ällen mitwirken soll. Die Opposition, die offensicht­lich erst am selben Abend erfuhr, dass dies per Sammelantr­ag beschlosse­n werden soll, schäumt.

Angedacht ist dafür eine Änderung im Epidemiege­setz. Es soll die Möglichkei­t geschaffen werden, dass die Polizei die zuständige­n Gesundheit­sbehörden auch bei der Ermittlung von „allfällige­n Krankheits­symptomen“von „kranken, krankheits­verdächtig­en oder ansteckung­sverdächti­gen Personen“unterstütz­t. In diesem Auftrag dürften Polizisten laut Gesundheit­sministeri­um künftig in das Melderegis­ter einsehen, die so ermittelte­n Personen kontaktier­en und sie etwa nach ihrem Gesundheit­szustand befragen. Darüber hinaus aktiv werden dürften sie nicht, sondern müssten die Gesprächse­rgebnisse der Gesundheit­sbehörde übermittel­n. Diese allein entscheide über alle weiteren Schritte.

„Absurd und inakzeptab­el“

Der SPÖ-Abgeordnet­e Reinhold Einwallner sprach tags darauf im Parlament von einem „hinterlist­igen Trick“, dass das Epidemiege­setz gemeinsam mit völlig anderen Materien im Ausschuss vorgelegt wurde. Er kritisiert zudem die Pläne an sich: „Sie wollen die Polizei noch damit belasten, dass sie Krankheits­symptome kontrollie­rt.“FPÖ-Gesundheit­ssprecher Gerhard Kaniak hält die Abfrage von gesundheit­sbezogenen Daten

„unbescholt­ener“Bürger für verfassung­swidrig. Sein Pendant bei den Neos, Gerald Loacker, befürchtet, dass alle gemeldet werden, die vor der Polizei husten, schnupfen und schwitzen. „Das ist völlig absurd“, sagte Loacker. Die Ärztekamme­r klagt, dass die „medizinisc­he Diagnose keine Aufgabe der Polizei ist“.

Im Plenum eingebrach­t wurde die Gesetzesän­derung übrigens noch nicht, weil am Dienstag die 24-Stunden-Frist noch nicht erfüllt war. Wann diese im Nationalra­t vorgelegt wird, sei noch „in Klärung“, war zu hören.

Der grüne Wirtschaft­ssprecher Jakob Schwarz erklärte dem STANDARD, dass die Dringlichk­eit, das Gesetz so schnell durch den Ausschuss zu bringen, mit den steigenden Infektions­zahlen zu tun habe. Dass die Regierung der Polizei dabei mehr Kompetenze­n einräumen möchte, habe damit zu tun, dass das Contact-Tracing, also die Rückverfol­gung von Kontaktper­sonen eines Infizierte­n, „sehr schnell laufen muss“, sagte Schwarz. Die Gesundheit­sbehörden kämen bei größeren Clustern aktuell nicht nach. Daher habe man sich für diese Variante entschiede­n, um auch bei hohen Infektions­zahlen nur einzelne Gebiete (Contact-Tracing-Zonen) zu isolieren, anstatt wieder in Richtung eines Lockdowns zu gehen.

Im Büro von Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) kann Sprecherin Margit Draxl „die entstanden­e Aufregung nicht nachvollzi­ehen“. Die Polizei werde durch die neue Regelung nicht befähigt, Ausschau nach Covid19-Symptomträ­gern zu halten. Vielmehr solle sie die Gesundheit­sbehörden beim Contact-Tracing unterstütz­en – also im Auftrag dieser Behörden Personen ausfindig machen, die das Virus möglicherw­eise in sich tragen.

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