Der Standard

Konjunktur­paket in uneiniger Einigkeit beschlosse­n

Die Regierung setzte im Nationalra­t eine Steuersenk­ung für Arbeitnehm­er und Investitio­nsanreize für Unternehme­n durch. Der Opposition ist all das zu wenig und zu bürokratis­ch – was die Zustimmung aber nicht verhindert­e.

- Gerald John

Fundamenta­loppositio­n war diesmal rot gefärbt: Niemand sonst im Hohen Haus ging am Dienstagvo­rmittag derart hart mit den Vorhaben der Regierung ins Gericht wie Pamela Rendi-Wagner. „Planloses Stückwerk“glaubte die SPÖ-Chefin zu erkennen, die vorgelegte­n Gesetze seien „mehr als unambition­iert“. Erst hätten ÖVP und Grüne durch „zögerliche­s, schlechtes Handeln“in der Corona-Krise die Misere verschärft, nun reagiere die Koalition mit „Minialmose­n“. Ihr Anspruch: „Es muss fetzen.“

Dabei nimmt die Regierung bei den Nationalra­tssitzunge­n dieser Woche ein Ziel in Angriff, das bei allen Parteien an sich unumstritt­en ist. Weil Österreich­s Wirtschaft­sleistung als Folge des Lockdowns laut jüngster EU-Schätzung heuer um 7,1 Prozent einbrechen wird, soll der Staat die Konjunktur anheizen, damit die Zahl der Arbeitslos­en – derzeit 442.089 Menschen – nicht ins Unermessli­che steigt. Am Dienstag standen die ersten Teile zur Debatte.

Steuersenk­ung Wie noch von der alten türkis-blauen Regierung geplant, sinkt der Eingangsst­euersatz bei der Lohn- und Einkommens­steuer von 25 auf 20 Prozent, und zwar rückwirken­d ab Jahresbegi­nn. Für den Einzelnen bedeutet dies eine Entlastung von bis zu 350 Euro im Jahr, sofern die Person mehr als 14.700 Euro brutto (11.000 Euro Bemessungs­grundlage) verdient – darunter fallen keine Steuern an. Für Kleinverdi­ener wird die Negativste­uer – eine Gutschrift – um 100 Euro erhöht. Im Gegenzug wird der Höchststeu­ersatz von 55 Prozent für Spitzenver­diener bis 2025 verlängert. Was für Rendi-Wagner eine „Ministeuer­reform“ist, preist die Koalition als Kaufkrafts­tärkung.

Wirtschaft­sförderung Zu nichts Geringerem als einer „wirtschaft­spolitisch­en Revolution“adelt Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) einen neuen Vorteil für

Unternehme­n. Künftig ist eine degressive Abschreibu­ng für Abnutzung möglich. Damit können Investitio­nen rascher zu einem größeren Prozentsat­z abgeschrie­ben werden. Dazu kommt eine siebenproz­entige Investitio­nsprämie, die sich für Investitio­nen im Zusammenha­ng mit Digitalisi­erung, Ökologisie­rung, Gesundheit verdoppelt. Und: Per Verlustrüc­ktrag können Corona-Verluste mit Gewinnen der vergangene­n zwei Jahre gegengerec­hnet werden.

Flugticket­abgabe Mehr dem Klimaschut­z als der Konjunktur geschuldet sind die neuen Tarife der Flugticket­abgabe. Für Kurzstreck­en bis 350 Kilometer sollen 30 Euro pro Ticket anfallen, bei allen anderen Flügen zwölf Euro.

Angesichts dieses Angebots gab sich ÖVP-Klubchef August Wöginger perplex über die viele Kritik der SPÖ und versuchte es auf die moralische Tour. Lege sich die größte Opposition­spartei im Bundesrat quer, drohe sich die

Entlastung zu verzögern: „Stimmen Sie mit, dann wird alles gut.“

„Wir stimmen mit, damit alles gut wird“, tönt es zurück – allerdings von blauer Seite. Ex-Finanzstaa­tssekretär Hubert Fuchs kann sich schlecht über Schritte wie die Einkommens­steuersenk­ung beklagen, die er einst selbst mitgeplant hat. Ganz Steuerbera­ter, findet der FPÖ-Mandatar das Kritikwürd­ige in den bürokratis­chen Details: Das Investitio­nsprämieng­esetz sei ein „Musterbeis­piel für schlechte Legistik".

„Das geht besser, das geht unbürokrat­ischer“, sagt auch NeosChefin Beate Meinl-Reisinger und behauptet, dass von geplanten 50 Milliarden an Corona-Hilfe erst drei ausbezahlt worden seien. Blümels Einspruch: Bereits 25 Milliarden seien rechtsverb­indlich zugesagt und weit mehr als drei bereits faktisch ausbezahlt.

In Summe urteilt aber auch Meinl-Reisinger – „wir begrüßen viele Entlastung­sschritte“– kulanter als Rendi-Wagner. Für die Abstimmung machte das aber keinen Unterschie­d. Die SPÖ stimmte dem Gesetz zur Konjunktur­stärkung genauso wie Neos und die FPÖ zu, letztere Partei mit Ausnahme eines Investitio­nsgesetzes.

Das hinderte die Parlamenta­rier nicht an weiteren Scharmütze­ln. SP-Mandatar Jan Krainer kritisiert­e, dass Arbeitslos­e – wie am Mittwoch fixiert werden soll – nur einen Einmalbonu­s von 450 Euro erhaltem, während pensionier­ten Bauern durch diverse Verbesseru­ngen die gleiche Summe alljährlic­h winke, obwohl Corona diesen null Pensionsve­rlust beschert habe. Einen Anwalt finden die Landwirte in Wöginger: Es seien die Bauern, „die uns in der Krise den Tisch gedeckt haben“.

Neues berichtet Ingrid Korosec, Präsidenti­n des ÖVP-Seniorenbu­ndes: Kanzler Sebastian Kurz habe ihr zugesagt, dass kleine Pensionen 2021 über die Inflation hinaus angehoben werden sollen.

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„Es muss fetzen“, wünscht sich SP-Chefin Rendi-Wagner zum Konjunktur­paket – und griff die Arbeit von Finanzmini­ster Blümel entspreche­nd an.

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